Gottesdienst in Oßling

Gottesdienst in Oßling

Mt4,12-17                                             1. Sonntag nach Epiphanias – Oßling, am 08.01.2017

„Als Jesus hörte, dass Johannes gefangen-gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naphtali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jes 8, 23; 9,1): „Das Land Sebulon und das Land Naphtali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa, das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

Liebe Gemeinde! Jesus zieht um. Zwar nur von Nazareth nach Kapernaum. Und man mag denken: Von der Pampa in die Pampa. Aber der Umzug hat es in sich. Er ist ein Signal. Jesus zieht dahin, wo die Welt ist. In Kapernaum beginnt nämlich die Welt. Diesen Umzug betrachten wir durch die gesamte Epiphaniaszeit: Vom Himmel auf die Erde. Zu seinen  Menschen. Gott in Jesus zu seinen Menschen. Das Himmelreich ist nahe. Es zieht ein in die Welt. „Gottheit und Menschheit vereinen sich beide“ (EG 66,1) werden wir dann singen. Umzüge können Zeichen setzen. Wir erinnern uns: Als man den Regierungssitz von Bonn nach Berlin verlegte, hatte das besondere Aussagekraft. Ebenso symbolträchtig ist es, wenn Queen Elisabeth II. vorübergehend ihren Amtssitz nach Edinburgh verlegt. Sie bekräftigt damit, dass sie auch Königin von Schottland ist. Jesus zieht von Nazareth in die Welt. Aber warum ist Kapernaum die Welt? Rom – ja! Jerusalem – mit Abstrichen, aber Kapernaum? Dieses Städtchen ist für eingeweihte Ohren vielsagend. Es liegt in einem Gebiet mit fragwürdigem Ruf, in Galiläa. Da rümpfen die aus dem Herzland Judäa leicht die Nase, weil die Galiläer nicht ganz koscher sind, galten als Juden niederen Ranges. Sie wohnen unter Nicht-Juden, die man Heiden nannte. Das sind Menschen fern vom Gott Israels. Galiläa heißt übersetzt bezeichnenderweise „Heidenland“. Kaperna-um ist ein Grenzort, da sammeln sich Zöllner, erst recht Naserümpfen. Und die römischen Besatzer, alles in allem eine bunte Bevölkerung – ein Abbild der großen weiten Welt im Kleinen. Da tummeln sich Heiden und Zöllner, Menschen, die nicht zu Gottes Volk gehören und Menschen, die Gott nötig haben. Menschen wie wir. Dieser Welt bringt Jesus den Himmel nahe. Jesus bringt uns den Himmel nahe, das können wir schon mal mitnehmen. Eine Vergewisserung unseres Glaubens. Matthäus kommentiert Jesu Umzug genau in dieser Intention. Es fällt auf, wie präzis er die Geographie des Ortes markiert. Matthäus, selbst aus Kapernaum stammend, will damit sagen: Stellt euch vor, wohin Jesus zieht! Zu uns, in diese verrufne Gegend: das heidnische Galiläa! Er zitiert den Propheten Jesaja, übersetzt so die Eigenschaft des Landstriches ins Geistliche: Dort lebt das Volk, das im Dunkeln sitzt. Leute, die ihren Wohnsitz im Schatten des Todes haben. Gottfern. Grenzwertige Menschen. Denen erscheint ein großes Licht. Sie sehen es mit eignen Augen. Jesus hat Wohnsitz angemeldet. Wohnt in seinen vier Wänden. Sein Haus ist zum Tabernakel geworden. Es sieht nicht anders aus, als die anderen auch, aber er wohnt darin. Ein zweiter Gedanke zum Mitnehmen: Jesus wohnt in uns. Wir sind durch ihn ein heiliger Ort. Paulus schreibt dazu: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (1Kor 3,16; 2Kor 6,16)) Und Paulus weiter: „Wir haben diesen Schatz aber in irdenen Gefäßen.“ (2Kor 4,7) Das Himmelreich ist mit Jesus hautnah. Das jedenfalls predigt er. Mit seinem Umzug ist er dort, wo die Religionen und verschiedene Welt- und Wertvorstellungen aufeinander stoßen. Er widmet sich seinen jüdischen Mitgläubigen, trifft sich mit denen, die gern alle Fünfe grade sein lassen, vor allem die Zehn Gebote. Und hat Kontakt zu Andersglaubenden, heilt die Kranken, feiert mit Zwielichtigen, entlastet die Mühseligen und Beladenen … Jesus verkörpert mit Wort und Tat das Himmelreich. So ist Gott. So begegnet er uns. Sehen wir an Jesus. Andererseits ist er überraschend zurückhaltend. Er sagt nicht: das Reich Gottes ist da. Er predigt, wenn es um Verhalten und Tun geht, nicht anders als Johannes der Täufer: Es ist nah. Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Diese Formulierung macht es mir leicht. Es reicht, wenn ich es sozusagen berühre. Es genügt, wenn ich seine Konturen erblicke, die Jesus mit seinen Worten, seinem Wirken zeichnet. Die Bergpredigt folgt im nächsten Kapitel – Konturen einer Alternative zu unsern ewig gleichen Verhaltensmustern: Vergebung statt Vergeltung. Auch wenn man das nicht immer schafft, warum nicht anfangen: Kehrt um, beginnt, ruft Jesus. Selig sind die Barmherzigen, die Friedensmacher. Warum nicht ausprobieren. Ändert euer Leben, ruft der Prediger vom Hügel. Warum lebt ihr, als ob Gott himmelweit entfernt sei? Es ist doch nur ein kleiner Schritt. Dreht euern Kopf, euer Herz in Richtung Gott, vorsichtig oder mit Schwung. Dann bekommt ihr mit, wie nah er ist. Sein Wort und Sakrament. Gott ist zu euch gezogen, er wohnt nah hinterm Zaun … Nein, Jesus zieht nicht nach Kapernaum, um gleich ein Hindernis aufzurichten mit hohen moralischen Forderungen. Buße hat bei ihm nicht die Untertöne, die wir mithören aufgrund einer langen Geschichte. Ich möchte kein Dauerschuldgefühl untergejubelt bekommen. Nein, Jesus zieht nach Kapernaum, um das Himmelreich in die Welt zu bringen. Er rückt es so nahe an die Menschen, dass eine kleine Wendung ihres Egos genügt um es zu entdecken: Gott wohnt um die Ecke. Ein Gebet weit entfernt. Hat ein gutes Wort für uns. Auch zwei. Warum nicht nachfragen. Einfach mal bei ihm anklopfen. Das ist Buße. Und was mich bedrückt, wo ich friedlos bin oder lebe, ihm bekennen. Geht in einem Gottesdienst doch ganz unverkrampft. Danach auch. Im Alltag. Alltäglich glauben. Der Himmel ist mir nahe, wenn ich einen Moment Jesus blindlings vertraue. Der Himmel ist nahe, wenn wir uns mal hinsetzen und Jesus zuhören. Tun wir ja gerade. Es gibt auch verlockende Gründe, Buße zu tun. Etwa, wenn Jesus mich auffordert: Sorge nicht! Da bin ich ganz Ohr und bußbereit. Ich ändere mich, gebe alte Denkweisen, Verhaltensmuster auf: die ewigen Absicherungen, die ständige Ängstlichkeit, das Kontroll-bedürfniss und dies und das. Das lasse ich einfach mal fahren. Ob ich das dauerhaft durchhalte ist dabei erstmal nicht wichtig. Es ist eine kleine Maßnahme, die ich jetzt schaffe. Buße, hat Martin Luther uns Evangelischen schließlich beigebracht, ist eine alltägliche Sache. Morgen wieder. Das Himmelreich ist auch morgen nahe. Es ist nahe, wo ich lebe und bin. Jesus zieht gerade dahin – gerade dahin. Er wohnt in uns. Unter uns. Rechnen wir damit? Mit seiner Gegenwart? Heute wollen wir es tun. Amen.