Von unnützen Knechten

Von unnützen Knechten

Lk 17, 7-10                                               Septuagesimae – Großgrabe/Oßling, am 12.02.2017

„Jesus sprach: Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt zu ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“

Liebe Gemeinde! Jeder von uns ist Kunst, vom Leben gezeichnet. Das klingt schön. Und ehrlich. Wir sind einzigartig. Jeder und jede auf je eigne Weise. Einzigartig, weil wir vom Leben gezeichnet sind. Kunst ist das Einzigartige. Keiner gleicht dem andern. Das ist wahr. Wahr ist aber auch, was Jesus heute vom Menschen sagt. Wir sind nichts besonderes. Auf nichts können wir uns etwas einbilden, wenn wir uns als Kinder Gottes sehen. Ein anständiges, gewissenhaftes Leben vor Gott ist nur unsere Pflicht. Mehr noch, wir sind Knechte, sagt Jesus, des Herrgotts Sklaven. Wer lässt sich aber heute noch sagen: Ihr seid des Herrgotts Sklaven! Man muss sich die Szene vor Augen führen: Jesus greift einen zu seiner Zeit natürlichen Vorgang auf, spricht ihn mit einer rhetorischen Frage an: „Wer unter euch hat einen Sklaven, der pflügt und das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn er vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch?“ Die Antwort der Jünger kann nur lauten: Niemand. Gleich fügt Jesus eine zweite Frage an, wo es auch nur eine Antwort gibt, also keine echte Frage: „Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe, danach sollst du essen und trinken?“ Die Antwort der Jünger kann nur lauten: Natürlich! Erst der Chef! Er-ich. Erst ER, dann ich. Gleich folgt eine dritte rhetorische Frage, die wiederum Suggestivcharakter hat: „Dankt er etwa dem Sklaven, dass er getan hat, was befohlen war?“ Die Antwort der Jünger kann nur lauten: Natürlich nicht! Wieso auch! Mit diesen drei rhetorischen Fragen sind die Jünger genau dahin gebracht, dass sie der Folgerung Jesu unausweichlich folgen müssen: „So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, sprecht: Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Jesus wendet hier einen kleinen Trick an. Er wechselt während des Redens unmerklich die Perspektive der Zuhörer. Die Jünger können den drei Fragen Jesu ja leicht zustimmen, denn sie sehen sich selbst in die Position des Gutsbesitzers gestellt. Jesus beginnt: Stellt euch vor, ihr seid vermögend, habt einen Knecht, der den Acker pflügt und die Schafe weidet…hhm, ein angenehmer Gedanke. Mit der Folgerung Jesu – so auch ihr- sind sie dann aber plötzlich die Knechte, ja mehr noch: unnütze, entbehrliche. Mit diesem rhetorischen Spielchen sagt Jesus: Was ist denn in euerm Alltag selbstverständlich? Der Arbeiter hat Arbeit, sein Vorgesetzter gibt die Linie vor. Sollte das zwischen Gott und seinen Leuten etwa anders sein? Sollte Gott ihnen danken, weil sie für ihn gearbeitet haben? Will Jesus hier menschlicher Anmaßung ggü. Gott Einhalt gebieten, eben, dass niemand einen Anspruch vor Gott geltend machen kann, keiner von ihm etwas fordern könnte? Um was es hier geht wird deutlicher, wenn wir darauf schauen, wie es zu diesem Redespiel Jesu gekommen ist. Im Vers sechs ist zunächst vom Senfkorn-glauben die Rede. Solch winziger, kaum erkennbarer Glaube ist in der Lage, einen Baum auszureißen und ins Meer zu versetzen. Vor diesem seltsamen Bild steht die Bitte der Jünger: Stärke unsern Glauben. Eigentümlicherweise werden die Jünger an dieser Stelle „Apostel“ genannt, also die Gesandten. Warum bitten aber die Jünger in der Rolle der Apostel um Glauben? Der Grund liegt in der Zumutung Jesu, dem Mitmenschen zu vergeben. Und nicht nur einmal, notfalls auch siebenmal am Tag, sprich immer. Leben im Vergeben. Das aber scheint im Kontext einer gnadenlosen Welt nahe zu unmöglich zu sein, so dass die Reaktion nahe liegt: Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Zu solch einem Lebensstil des Vergebens brauchts Glauben, einen, der Berge von Schuld versetzt, Vorurteile, Verurteilungen, fest verwurzelt wie Bäume, ausreißt. Um Glauben solcher Kraft bitten sie. Den fast nicht sichtbaren Glauben mit der Kraft eines Samenkorns legt Jesus daraufhin in ihr Herz, und zwar mit dem Frage- und Antwortspiel vom Herrn und Knecht. Drei rhetorische Fragen werden ihnen gestellt, sie haben keine andere Möglichkeit, als vehement zuzustimmen. Doch dann sind sie in der Folgerung des Gleichnisses plötzlich ja selbst Knechte, sogar unnütze, entbehrliche, die einfach zu tun haben, was sie schuldig sind. Und genau darum geht’s: um Selbstverständlichkeit. Es geht um das Selbstverständliche des Glaubens. Glaube tritt im Vergeben in Aktion und Jesus macht seine Jünger zu „Aposteln“, zu Knechten, Gesandten der Vergebung. Als armseliger, entbehrlicher Knecht erkennt sich derjenige, der weiß, dass er selbst aus der Vergebung lebt, die er empfangen hat. Und es ist das Selbstverständnis des Glaubens an Christus, es ist selbstverständlich, versteht sich von selbst, das Empfangene weiter zu geben: zu vergeben. So, wie ein Kellner seine Gäste bedient und sich nichts darauf einbildet, es ist sein Job. Bildet euch nichts ein auf euer Vergeben, ihr habt nur getan, was ihr schuldig ward, gemäß der Anweisung eures Herrn:      „ … wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Sicher nicht umsonst benennt Jesus die Arbeitsfelder der Knechte: Feld und Vieh, Korn und Schafe. Das sind viel gebrauchte Bilder für die Gemeinde: Landwirt und Schafhirt. Wenn es also um Glaube und Gemeinde, Gemeinde bauen und hüten geht, ist eines immer Hauptthema: Vergebung. Gottes Vergebung. Untereinander. Paulus schreibt: So sind wir nun Gesandte an Christi statt und predigen und leben Versöhnung. Erst schenkt mir Gott das Selbstverständliche der Liebe: Vergebung. Kraft seiner Vergebung vergebe ich. Wie Gott mir, so ich dir. Ist doch selbstverständlich. Amen.

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.