4. Advent (Oßling)

4. Advent (Oßling)

Lk 1, 39-56                                                                     4. Advent – Oßling, am 23.12.2018

„Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Ja, selig ist, die da geglaubt hat! Denn es wird vollendet werden, was ihr gesagt ist von dem Herrn. Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.“

Liebe Gemeinde am 4. Advent! Zwei Frauen begegnen sich, die erfüllt sind von einer einmaligen Erfahrung mit Gott. Beide tragen ein Kind. Es ist ausdrücklich von Gott geschenkt. Maria und Elisabeth. Elisabeth erkennt wohl sofort, wer vor ihr steht. Eben nicht nur Maria, ihre Nichte, sondern vielmehr: „die Mutter meines Herrn.“Maria hört nun zum zweiten Mal, dass sie nicht einfach auf seltsame Weise schwanger geworden ist, sondern die Dienerin Gottes. Später die Königin der Welt, gekrönt mit der „Krone des Lebens“ (Offb. Joh. 2,10). Das mag katholisch klingen, ist aber berechtigt: Maria ist eine Gekrönte; sie bringt den Heiland zur Welt. Und es scheint, als beginne sie es nun auch zu glauben. War sie nach der Ankündigung durch den Engel Gabriel noch durch und durch demütig, setzt sie nun zu einem Lobgesang an, der in der Welt seinesgleichen sucht. Zunächst singt sie von sich selber; dann preist sie den Herrn der Geschichte: Gott kehrt die Verhältnisse der Welt um. Wer niedrig ist und treu verbleibt, wird in Gottes Herzen gekrönt werden wie sie. Wer hungrig ist, wird Speisen des Himmels empfangen. Und wer Unrecht leidet, wird es von Gott vergolten bekommen. So lobt kein Mensch aus sich heraus. So lobt eine geistlich Gekrönte, mit Heiligem Geist Erfüllte. Die Worte fließen aus Maria heraus und erinnern an die Psalmen und Propheten des Alten Testamentes. Die hat Maria sicher schon oft gehört in den Gottesdiensten in der Synagoge. Sie sind ihr vertraut, doch jetzt erschließt sich ihr der Sinn auf neue Weise. Es ist, als ob sie zur Prophetin wird, die in diesem Moment sieht, was Gott plant. Durch sie wird der in die Welt kommen, der die bestehenden Verhältnisse auf den Kopf stellt. Das wird ihr nun bewusst. Alles, was in den alten Schriften vorhergesagt wurde, wird sich erfüllen: Die Hochmütigen werden zu Fall kommen, die Demütigen werden Gnade erfahren. Gott gibt den Armen und Schwachen Würde und Ansehen, so wie er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen hat. Wie eine Geburt nicht ohne Schmerzen und ohne Wehen verläuft, so wird auch die Erfüllung der göttlichen Verheißungen nicht ohne Wehen geschehen können. Es werden die Stolzen und Eingebildeten zerstreut und die Mächtigen werden gestürzt. Und während die Hungrigen endlich satt werden, gehen die Reichen leer aus. Am Ende siegt Gottes Barmherzigkeit. Das, was in Maria hier zur Gewissheit wird und ihren Glauben stärkt, war schon lange in ihr angelegt. Doch jetzt ergibt sich ein Bild. Und es wird ihr klar: Sie hat etwas mit dieser Heilsgeschichte Gottes zu tun, sie, das einfache Mädchen vom Land, die Jungfrau, die Unerfahrene, die unverhofft Schwangere. Maria singt, was ihr der Heilige Geist ins Herz eingibt. Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Gott in der Niedrigkeit – das ist das tröstlichste, das leidenschaftliche Adventswort. Zunächst Maria selbst – die Zimmermannsfrau, sagen wir: die arme Arbeiterfrau, unbekannt, bei den Menschen unangesehen – nun aber gerade in ihrer Unansehnlichkeit, in ihrer Niedrigkeit bei den Menschen von Gott angesehen und ausersehen, Mutter des Weltenretters zu sein. Nicht um irgendwelcher menschlicher Vorzüge willen, auch nicht um ihrer gewiss großen Frömmigkeit willen, auch nicht um ihrer Demut willen, nicht um irgendwelcher Tugenden willen, sondern ausschließlich und allein darum, weil Gottes gnädiger Wille das Niedrige, das Unansehnliche, das Geringe liebt, erwählt und groß macht. Wer von uns wird Weihnachten recht feiern? Wer alle Gewalt, alle Ehre, alles Ansehen, alle Eitelkeit, allen Hochmut, alle Eigenwilligkeiten endlich niederlegt an der Krippe. Wer sich hält zu den Niedrigen und Gott allein hoch sein lässt. Wer im Kind in der Krippe die Herrlichkeit Gottes gerade in der Niedrigkeit schaut. Wer mit Maria spricht: Gott hat meine Niedrigkeit angesehen. Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes. – Die Adventszeit ist eine intensive und geheimnisvolle Zeit voller Zeichen und Botschaften. Sie versetzt mich in eine erwartungsvolle Stimmung. Die Adventszeit ist eine Vorbereitungszeit, in der etwas reift, genau wie während einer Schwangerschaft. Und wenn das Kind geboren ist, sieht die Welt anders aus. Das Kind in der Krippe hat es uns gezeigt: Gott hat seinen Plan mit dieser Welt; und der sieht anders aus, als Menschen es sich je erträumen werden. Er hat etwas mit mir zu tun. Es ist an mir, die Zeichen wahrzunehmen und Gottes Botschaft darin zu lesen. Und dann zu glauben, vor allem das. Und im Glauben Trost, Kraft und Frieden finden, weil der Herr die Niedrigen hört und erhöht, dich und mich. Amen.