Ewigkeitssonntag

Ewigkeitssonntag

Lk 12, 42-48                                           Ewigkeitssonntag/Totensonntag – Großgrabe/Oßling, am 26.11.2017

 

„Jesus sprach zu seinen Jüngern: wer ist der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Leute setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit gibt, was ihnen zusteht? Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen. Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr kommt noch lange nicht, und fängt an, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich vollzusaufen, dann wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, an dem er´s nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm sein Teil geben bei den Ungläubigen. Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vorbereitet noch seinen Willen getan, der wird viel Schläge erleiden müssen. Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Denn wem viel gegeben ist, von dem wird man umso mehr fordern.“

 

Liebe Trauernde, liebe Hoffende, liebe Gemeinde! Sie ist still, diese Stunde. Dieser Tag. Diese Stille ist gefüllt mit Gedanken, Gefühlen und leisen Fragen. Mit Trauer, Sehnsucht und Dankbarkeit. Nicht wenige unter uns sind heute gekommen, weil sie einen ihrer Lieben zu Grabe tragen mussten. Ein Mensch, der zu uns gehörte. Zu uns gehört. Wir denken an gemeinsame Stunden, helle und dunkle, Erinnerungen. Manches steht da so klar vor Augen. Manches erscheint wie im Nebel. Leise Fragen im Innern: Rückblick heute, ja – und Ausblick? Zeit, ja – und Ewigkeit? Ende, ja – und Anfang? Sind wir mitten im Leben vom Tod umfan-gen? Oder sind wir mitten im Tod vom Leben umfangen? Aus dem Selbstgespräch unserer Weltsicht finden wir heraus durch ein Gegenüber. Wie ist das bei anderen, mit ihrer Zeit, ihrem Leben? Wir lesen manchmal Todesanzeigen, Grabinschriften. Was gibt´s im Tod über das Leben zu sagen? Auf einen Pharaonengrab entschlüsselte man die Hyroglyphen: „Er regierte über 15 Jahre mit der Waage der Gerechtigkeit. In seiner Zeit litt kein Bewohner des Landes Hunger.“ Keine Angabe über Regierungsform, Feldzüge, Bauten und Heldentaten. Nur das: Er regierte gerecht, keiner litt Hunger. In einem Kirchenbuch stand folgendes: „Heute um Glock 8, an Michaelis 1793, ist Maria Wagnerin gestorben. Sie war eine fleißige Frau. 9 Kinder gebar sie, 3 begrub sie.“ Da überlegt man – was sollte, was könnte bei mir stehen? Ob wir die Worte am Ende andern überlassen sollten? Auf einen 1.800 Jahre alten Grabstein, den man an der Nordküste Afrikas, in Tunesien fand, liest man: „Hier ruht Dion, ein frommer Mann, er lebte 80 Jahre und pflanzte 4.000 Bäume.“ Was bleibt von einem Menschen? Wenn wenigstens das bliebe, würde das reichen? „Hier ruht Maria Schöner. Sie war eine liebe Frau, der Mittelpunkt ihrer Familie und wurde 84 Jahre alt. Sie hat Gottes Liebe getraut und war eine Wohltat für andere.“ Wir gehen von diesen Lebensbilanzen ein Stück weiter. Unser nächstes Gegenüber ist Gottes Wort. Wir fragen dort mal nach. Jesus redet mit seinen Jüngern über Gott und die Welt. Und sie stellen diese Fragen: wie ist das mit dem Leben, und wenn es vorbei ist? Das ist, antwortet Jesus, wie mit einem sehr wohlhabenden Mann. Der verreist und übergibt seine ganze Wirtschaft Verwal-tern. Dieses Bild bestätigt unsere Erfahrung: Der Eigentümer ist nicht da, nur die Verwalter, d.h. Gott ist abwesend, genauer, wie abwesend. Ja, sagen wir, so stellt sich uns die Welt auch sehr oft dar. Vieles provo-ziert die Frage: Wo ist Gott denn? Hunger, Kriege, Krankheit in der großen – und Trennung, Verrat, Angst und Abschied in unserer kleinen Welt. Und Gott bei all dem? Greift er nicht ein? Jesu ernüchternde Antwort: Nein. Er greift nicht ein. Die Verwalter müssen das regeln. Siehste, sag ich doch – hören wir da schon, Gott ist irgendwie nicht greifbar. Aber wie immer trifft einer, der „Siehste“ sagt, vielleicht was Richtiges, aber nicht die Wahrheit. Gott hat, sagt Jesus, die Welt doch nicht aufgegeben, sondern den Menschen in ein großes Maß an Eigenverantwortung gestellt. Die Sache mit Gott und seinen Menschen ist wie mit dem Besitzer eines großen Landgutes, der sagt: Ich bin dann mal weg. Wer kümmert sich um Haus und Hof, Wälder, Felder und Plantagen, Brot und Vieh? Das braucht Leute, die kompetent, menschlich und ehrlich sind. Wir sehen vor uns Gebäude und Geschäftigkeit, wenn Jesus fragt: „Wer ist der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Leute setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit gibt, was ihnen zusteht?“ Eine Frage am Anfang. Das ist gute Pädagogik. Der Zuhörer muss so seine Antwort selbst finden. Wer ist gemeint? Die Politiker, das Sozialamt? Die Banken, mein Arbeitgeber? Wer hat denn nun die Verantwor-tung? Man fragt – bis man bei sich selber landet. Ich ja auch. Genau, sagt Jesus zu den Fragern, seinen Jüngern. Ihr seid das. – Jesu Jünger haben diesen Zeitraum längst verlassen, sind in einen anderen gewechselt. Sie sind nicht mehr auf dieser Erde. Jetzt sind wir in der Zeit. Als Menschen, die Jesus anspricht, als Kirche, als Gemeinde. Der treue Verwalter gibt den Menschen zur rechten Zeit, was ihnen zusteht. Das muss die Sorge der der Kirche sein, die Verantwortung derer, die Gott glauben. Zwei Hände hat der Mensch. Zwei Lebensmittel soll Kirche austeilen: Wohl und Heil. Wohl – das umschreibt den Einsatz für die Gesellschaft, das Miteinander: Kirche ist das Salz in der Suppe, das Öl im Getriebe. Und wenn das gesellschaftliche Getriebe tödlich ist, dann auch der Sand darin. Caritas und Diakonie, Schulen, Bahnhofs-mission und Krankenhäuser sind Zeichen, dass Glaubende durch Gottes Geist, Gottes Wort inspiriert wurden: Kirche muss unter die Leute, darf nicht schweigen, außer aus Anteilnahme. Geben und teilen, wenn´s hart kommt, auch Leib und Leben. Dann gleicht die Gemeinde dem klugen Verwalter. Sonst nicht. Und: die Kirche muss zweifelsfrei auf das Heil weisen – warum der Mensch lebt, wohin er geht. Auf Gott weisen und sein Wort. – Nicht der Verwalter ist der Besitzer. Dass die Kirche ihre geliehene Hoffnung auch verraten kann – diese reale, tägliche Gefährdung zeichnet Jesus in der Lebenshaltung des Knechtes nach, der sagt: Ich habe sturmfreie Bude, tue, was ich will, und sich nicht ans Testament hält, das sein Herr hinter-lassen hat. Für Gott ist dort Schluss mit lustig, wo Menschen zu Schaden kommen. Der Verwalter, sagen wir die Kirche, sagen wir ruhig mal  „WIR“, sollen nicht für Ordnung sorgen, sondern für Frieden. Nicht um unser eignes Recht kämpfen, sondern dass Menschen einander gerecht werden. Dabei hören wir zwischen den Zeilen die Frage der Jünger: Aber Jesus, wir sind doch bloß Fischer, kleine Leute von der Straße. Was können wir denn schon tun? Da muss sie Jesus an den Reichtum ihres Glaubens erinnern, an ihre Identität, wer sie vor Gott sind. Der Verwalter besitzt zwar nichts, aber doch hat er alles. Wir besitzen zwar nichts und doch ist uns alles in die Hände und Herzen gelegt: Taufe und Abendmahl. Das biblische Wort als Licht und Trost. Das Gebet und der Name JESUS. In diesem Namen findet jeder Suchende Frieden mit Gott, Befreiung von aller Schuld und die Zusage des ewigen Lebens. Das ist größer, als wir begreifen; und mehr, als wir ahnen. Viel ist uns gegeben, viel wird man bei uns suchen. In Jesus ist uns Gott gerecht geworden: das ist uns gegeben. Wir sollen einander gerecht werden: das wird der Herr bei uns suchen. Noch leben wir auf Hoffnung, schöpfen Mut aus dem Glauben, können kaum etwas mit Händen greifen und haben viele Fragen. Aber dann höre ich Lieder und singe mit. Sehe Kinder aufwachsen. Besuche Kranke, die dem JA trotz aller Krankheit näher sind als dem Nein. Sehe Familien, die ihre Kinder taufen lassen. Erlebe, wie Menschen teilen. Sehe schlimmes Unglück, aber auch Hilfe. Weinende Augen und Menschen, die die Weinenden in die Arme nehmen und trösten. Sehe auf dem Friedhof traurige Menschen und spüre  auch dort den Trost der Gemeinschaft. Erlebe, wie eigne Vorurteile sich als falsch erweisen. Sehe strahlende Augen und spüre Hände, die halten. Begegne staunend Christen von anderen Kontinenten und Kulturen und spüre Gottes Geist, seine schöpferische Liebe und Kraft. Und dann spreche ich mit: „Ich glaube an den Heiligen Geist. Die heilige christliche Kirche. Die Gemeinschaft der Heiligen. Die Vergebung der Sünden. Die Auferstehung der Toten. Und die zukünftige Herrlichkeit, die Gott geben wird.“ Das spreche ich dann nicht vor. Das spreche ich mit. Und hänge mich an den Glauben der anderen. Amen.