Gottesdienst zum Schuljahresbeginn (Oßling)

Gottesdienst zum Schuljahresbeginn (Oßling)

Mt 16, 13-19                                             Gottesdienst zum Schuljahresbeginn – Oßling, am 06. August 2017

„Jesus fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. Er fragte sie: Was sagt ihr denn, wer ich bin? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“

 

Liebe Gemeinde! Wer bin ich? Mein Blick geht nach oben in den nächtlichen Sternhimmel. Ich schaue. Wie ein Staubkorn, ein winziges, ein Nichts im riesigen Kosmos. – Im Weinglas spiegelt sich das Kerzenlicht und ich entdecke eine verirrte Ameise – hat beim Sonnenaufgang scheinbar nicht heimgefunden. Bin ich im Weltall auch nur ein Stäubchen, ggü. diesem Insekt bin ich riesig, so nah, so groß, so fremd, dass sie mich gar nicht wahrnehmen kann. Wer bin ich? 70% Wasser, dazu Fett und Kohlenhydrate, höre ich einen Biologen sagen. Ich stelle diese Frage in Gedanken meinem erwachsenen Sohn: Wer du bist, na, mein Vater. Mir wird deutlich, dass ich keine rechte Antwort finde. Ggü. dem Fußballkünstler Ronaldo bin ich vom Können, der Fitness eine absolute Flasche. Denke ich an Bewohner im Seniorenhaus bin ich ihnen ggü. absolut fit und mobil. Für den Polizisten bin ich ein Verkehrsteilnehmer, für den Taschendieb ein Objekt der Begierde. Für die Gemeinde der Pfarrer und für meine Mitarbeiter der Chef. Ich gehe dieser Frage nach, weil sie Jesus in unserm Predigttext stellt. Er fragt nach seiner Identität, und fängt von außen an, in den Bezügen, in denen er lebt. Was sagen die Leute? Die Jünger mit dem Ohr am Volk stellen fest: Da sind sich alle einig – du bist ein Besonderer, hebst dich ab, Leitfigur. Nach seinen großartigen Heilungen, Predigten und Wundern war Jesus Alltagsgespräch. Was also reden die Leute? Tja, also – man spürt im Text förmlich dieses nachdenkliche Innehalten – wer dich predigen hört, für den bist du der feurige Jeremia, für andere ein Lehrer, für die Armen ein Hoffnungsträger, für die Kranken ein Heiler: jedenfalls ein von Gott beauftragter Prophet. Als Jesus die Antwort der Jünger hört, wie die Leute spekulieren, sehen wir ihn förmlich dazwischen gehen: So ein Käse! Denn er geht mit keiner Silbe auf das Volksgemurmel ein, sondern nähert sich dem Zentrum der „Wer-bin-ich-Frage“: „Und ihr, was meint ihr, wer bin ich?“ Daraufhin Petrus: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Jesus bestätigt diese Antwort als den Kern der Wahrheit. Was hat Petrus getan? Er hat seine Antwort nicht in menschlichen Bezügen gesucht, sondern von Gott her. Wer ist Jesus in Bezug auf Gott? Hier finden wir den wegweisenden Hinweis, wenn es um Wert und Würde des Menschen geht. Um deinen Wert, deine wahre Würde. Irgendwelche Antworten helfen uns gar nichts, sondern nur die Wahrheit. Und diese finden wir nicht, wenn die Frage heißt: Wer bin ich?, sondern: Wer bin ich vor Gott? Ob wir in die Klatschpresse, Internet, den Fernseher schauen, in eine Kirchgemeinde, ein Arbeitsteam, in eine Familie – stets ist diese Sehnsucht da: etwas sein, etwas gelten. Ein Kind fragt das noch unbewusst: Wer bin ich? Sucht die Antwort in den Augen der Mutter. Und sagt erstmals mit drei Jahren: Ich. Fängt an, sich selbst zu entdecken. Kinder, Jugendliche ringen darum, ihre Identität zu finden. In jeder Lebensphase dieses: Wer bin ich? Und eines Tages, im Alter, heißt es dann: Wer bin ich noch? Die gefundenen und gelebten Antworten sind von Bedeutung, aber immer nur von zeitlicher Gültigkeit. Sie verändern sich mit den Lebensbezügen, dem Lebensalter. Wir glauben aber, dass es einen unveränderlichen Bezug gibt: „Gott“ sagen wir. Tröstlicher weise steht aber in unserm Predigttext nicht „Gott“, sondern viel persönlicher: Vater. Jesus spricht von seinem Vater im Himmel. Und wenn er sagt „mein Vater im Himmel“ ist mit dem Wörtchen „mein“ kein Besitz, sondern eine einmalige Beziehung gemeint. So, wie „meine Mutter“ eben nicht mein Besitz, sondern dieser einzigartige Mensch ist, der mich in die Welt hineingetragen hat. Konsequenterweise heißt die Frage nach meiner Identität also nicht: Wer bin ich vor Gott? Sondern ganz persönlich: Wer bin ich vor meinem Vater im Himmel? Und dort liegt die Antwort, die Wahrheit, die für immer bleibt: Kind. Vor meinem himmlischen Vater bin ich Kind, sein Kind. Für immer und ewig. Jesus sagt zu Petrus: Dass ich der Christus bin, konntest du aus dir selber nicht wissen. Mein Vater im Himmel hat dir diesen Einblick gewährt. Von uns aus – woher sollen wir diese Gewissheit unsrer Kindschaft haben? Das wirkt Gottes Geist in uns. Er gibt uns Einblick in die Wahrheit, gibt uns Glauben. Wenn der Glaube dunkel wird, dann halten wir uns an die Taufe. Am Glauben kann ich zweifeln, an der Taufe nicht. Ein Kind darf immer zu den Eltern, dürfen, was sonst niemand darf. Wie oft ist das geschehen, dass meine Kinder einfach in mein Arbeitszimmer kamen, oder nachts ins Schlafzimmer … Kinder haben jederzeit Zutritt. Das meint wohl im Tiefsten das Bild der Schlüssel: Zutritt haben zum himmlischen Vater. Und was den Kindern wichtig ist, das nehmen liebende Eltern ernst. Wie viel mehr unser himmlischer Vater. Das bestätigt Jesus mit den Worten: Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Und was immer du auf Erden binden wirst, wird im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, wird im Himmel gelöst sein.“ Vor 2000 Jahren wurde Petrus gefragt und er hat sich zu Jesus bekannt. Heute sind wir dran. Wir hören Jesu Frage: Was meint ihr, wer ich bin? Dabei blicken wir auf Jesu Kreuz und seine Auferstehung. Und in der Kraft des Heiligen Geistes bekennen wir: Du bist Christus, der Sohn Gottes, Führer und Leitstern, Hirte und Freund auf unsern Lebenswegen, Brücke ins ewige Leben. Getauft auf deinen Namen sind wir deine Kinder und bleiben es für immer. Du hast uns frei gemacht von Anklage und Schuld – hier auf Erden und einst bei dir. Amen.