Sonntag nach Weihnachten (Oßling)

Sonntag nach Weihnachten (Oßling)

Mt 2, 13-23                                                   1. Sonntag nach Weihnachten – Oßling, am 30.12.2018

„Als die drei Weisen hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir´s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen und umzubringen. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hatte, der da spricht: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: In Rama hat man Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen. Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum in Ägypten und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazaräer heißen.“

Liebe Gemeinde! Weihnachten dürfen wir Kind sein, auch wenn wir erwachsen sind. Wir dürfen uns wieder fühlen wie ein Kind. Fühlen, dass wir nicht die Welt tragen und uns selbst auch nicht. Fühlen, wie bedürftig wir sind. Und uns sehnen nach Wärme und Nähe von Menschen. Kind sein, heißt bedürftig sein, ohne dass jemand das belächelt. Kind sein ist selbstverständliches Bedürfen, das von niemandem ausgenutzt wird. Weihnachten dürfen wir so sein, wie wir, ehrlich gesagt, immer bleiben: von Liebe abhängige Menschen. Wir überspielen das oft und überdecken es mit Geschäftigkeiten. Weihnachten aber ahnen viele, dass Erfüllung etwas anders ist als Fülle. Erfüllung macht man nicht, die bekommt man. Als Geschenk. Weihnachten dürfen wir wieder Kind sein, wie wir immer Kinder sind vor Gott. Gern würde ich noch ein wenig in Weihnachtsstimmung verharren, romantisch und gefühlvoll. Doch die Stimmung schlägt um. Unser Predigtwort zeigt die heilige Familie auf der Flucht und in der Fremde. Der Weihnachtsfriede ist vorbei. Die Engel rufen nicht mehr „Ehre sei Gott in der Höhe“, die Hirten hüten wieder ihre Herden, die Weisen haben ihre Geschenke dargebracht und sind auf der Heimreise. Nach den turbulenten Ereignissen der Heiligen Nacht mit Herbergssuche, Geburt im Stall und vielen ungeladenen Gästen ist endlich auch bei der kleinen Familie im Stall von Bethlehem Ruhe eingekehrt. Doch da träumt Vater Joseph einen aufrüttelnden Traum. Ein Engel erscheint und fordert ihn auf: „Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.“ Josef zögert keinen Moment. Hat er doch schon einmal vom Engel den Befehl erhalten, Maria, die Mutter des Kindes, zu sich zu nehmen und dem Kind den Namen Jesus zu geben. Es damit als sein eigenes anzuerkennen. Als er hört, dass das Kind in Todesgefahr schwebt, treibt ihn die Sorge und die Liebe um die ihm anvertraute Frau und das neugeborene Kind an. Er weckt sie, rafft die Habseligkeiten zusammen und macht sich noch in der Nacht auf den Weg nach Ägypten. Nur weg, so schnell und weit sie können, um dem Zugriff von Herodes’ Häschern zu entgehen. Der Sohn Gottes auf der Flucht. Sicher kein einfaches Entkommen mit einem Neugeborenen, das gestillt werden muss. Und einer Wöchnerin, die erst wieder zu Kräften kommen muss. Joseph, der in der Weihnachtsgeschichte ein wenig am Rand steht, wird hier zur zentralen Person. Er ist der Mann, der Gottes Wort hört. Der handelt, ohne lange zu fragen, ob dies oder jenes zu tun oder zu bedenken ist. Joseph erweist sich als rechter Vater für Gottes Sohn. Er rettet, schützt, geht mit, packt an und stellt die eigenen Bedürfnisse, Wohnung und Arbeit hintan. Für die Sicherheit seiner Familie ist ihm kein Weg zu lang. Die Flucht der Heiligen Familie – in kurzen Worten skizziert – wird nicht die einzige bleiben. Damals wie heute müssen sich immer wieder Menschen auf die Flucht begeben. Das Volk Israel flieht vor dem Pharao, der genau wie Herodes gnadenlos Kinder töten ließ, wenn es seinem Machterhalt diente. Der alttestamentliche Sohn Joseph kommt eher unfreiwillig nach Ägypten, rettet aber dort seine Familie vor dem Hungertod. Immer wieder fliehen Menschen vor Hunger, Krieg oder wegen ihres Glaubens; kein Jahrhundert, in dem Menschen nicht ihre Heimat verlassen mussten. Im 2. Weltkrieg, im zerfallenden Jugoslawien, in Afghanistan, dem Irak und Syrien, die Schreckensschauplätze sind nicht alle aufzuzählen. Fluchtgeschichten sind Schreckensgeschichten, selbst wenn sie gut ausgehen. Die schmerzlichen Erinnerungen an ausgestandene Ängste und an Verlorenes bleiben. In Ägypten angekommen, bleibt die kleine Familie erst mal. Der Sohn Gottes muss sich verstecken. Joseph wird Arbeit gefunden haben, um seine Familie zu ernähren. Schon bald hört er von anderen Reisenden, dass eingetreten ist, wovor ihn der Engel gewarnt hat. Kaum geboren, muss das Jesuskind in einer Nacht-und-Nebel-Aktion fliehen, weil Herodes ihn mit dem Tod bedroht. Der hat Angst um seine Regentschaft. Das Kind flößt ihm Angst ein. Die drei Weisen, die sich nach dem neugeborenen König an seinem Hof erkundigen, sollen ihm nähere Informationen liefern. Diese aber ziehen, auch auf Engelsbefehl, auf anderem Wege nach Hause. Und weil Herodes nicht erfährt, welches Kind die Weisen suchten, lässt er kurzerhand alle Jungen unter zwei Jahren töten. Uns wird damit vor Augen geführt: Der Mensch gewordene Gott ist nicht unberührbar und unverletzlich. Er kommt schutzlos in diese arme, elende und tödliche Menschenwelt, mitten hinein in den Alltag der Menschen. Mit ihren Ängsten und Freuden, ihrem Hunger und ihrer Mühsal. Zu Menschen, die ihren ganz normalen Berufen nachgehen, vom Hirten bis zum Zimmermann. Die täglich ums Überleben kämpfen müssen, die einen Herrscher wie Herodes ihr Leben lang nicht zu sehen bekommen, sondern nur dessen Steuereintreiber und Soldaten kennen. In diese Welt wird Jesus hineingeboren, von einer einfachen jungen Frau, in einem Stall in einer Krippe liegend. Begrüßt von Hirten, die auch nicht gerade zu den Geachtetsten zählen.So kommt Gott in die Welt. Sein Maßstab sind die einfachen Leute, nicht die Herrscher. Wie tröstlich für uns. Der bedrohte Anfang setzt sich fort bis zum Tod Jesu am Kreuz. Das Ziel des göttlichen Plans ist die Rettung und Erlösung der Menschheit – zunächst die des Gottessohnes, dann die aller Menschen.Dazu greifen die Engel tatkräftig helfend ein. Sie agieren im Hintergrund, in den Träumen derer, die auf die leisen Stimmen hören. Sie tragen Joseph im Traum auf, sich um Mutter und Kind zu kümmern. Sie wecken die Hirten in der Nacht, um ihnen die frohe Botschaft zu verkündigen, dass der Erlöser der Menschheit geboren ist. Sie legen Joseph im Traum die Notwendigkeit der sofortigen Flucht nahe. Jahre später erscheinen sie Joseph ein drittes Mal, als Herodes gestorben ist und die Familie in die Heimat zurückkehren kann. Joseph zeichnet sich dadurch aus, dass er aufmerksam auf die Weisungen Gottes hört und die ihm erteilten Aufträge treu ausführt. Er will seinen Sohn bewahren. Nur zuletzt hat er Bedenken, dass der Rückweg nach Bethlehem der richtige ist, denn von Archelaus, dem Sohn des Herodes, hörte man ebenfalls nichts Gutes. So schickt ihn der Engel nach Nazareth.Damit erfüllt sich eine Verheißung, denn Jesus wird als der „Nazaräer“ bezeichnet. Der, der aus Nazareth kommt. Und wir? Wir sollten staunen. Staunen über Gott, seine Liebe zu uns, sein demütiger Umgang mit uns. Vertrauen, und staunen, welche wundersamen Wege Gott mit uns Menschen, mit uns hat. Amen.