Vom Fasten auf Festen

Vom Fasten auf Festen

Mk. 2, 18-20                                     2. Sonntag nach Epiphanias – Großgrabe/Oßling am 20.01.2019

„Die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten viel; und es kamen einige, die sprachen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, und deine Jünger fasten nicht? Und Jesus sprach zu ihnen: Wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten. #es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten, an jenem Tage.“

Liebe Gemeinde! Hier geht`s um viel mehr, als um einen vollen oder leeren Bauch! Es geht um Verantwortung, um verantwortlich gelebten Glauben. Wer verantwortlich glaubt, schaut nicht nur auf sich, sondern auf sein Umfeld, die Menschen, sein Volk, die Welt. Verantwortlicher Glaube fragt: Wie ist die Lage der Welt – was bedeutet das für mein Glaubensleben? In unserm Text geht`s ums Essen und Trinken. Da fragt der sich verantwortliche Glaube: Ist die Welt so, dass einem zum unbeschwerten Essen und Trinken zu Mute sein kann? Unbeschwert essen und trinken?  Nein – sagen die Pharisäer. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Hätte Gott seinem Volk nicht sein Wort und Gebot gegeben, wären wir schon längst zugrunde gegangen. Darum fasten wir Montag und Mittwoch, denn an einem Montag ist Mose auf den Sinai gestiegen und hat das lebensspendende Gesetz erhalten. An einem Mittwoch kam er wieder herab und brachte seinem Volk Gottes Willen. Durchs Fasten erinnern wir uns zweimal pro Woche, dass ein voller Bauch allein nicht das Ziel des menschlichen Schaffens und Lebens sein kann. – Unbeschwert essen und trinken? Nein – sagen auch die Jünger von Johannes, dem Täufer. Sie haben den widerborstigen „Rufer in der Wüste“ gehört. Jedes Wort seiner strengen Predigt ging durch Mark und Bein. Die Axt liegt schon an den Bäumen. Was nichts taugt, wird abgehauen. Deshalb muss alles, was den Menschen an die Welt bindet und vergnügt, was ihn ablenkt vom Ernst der Stunde – alles muss radikal in die Schranken gewiesen werden. Der gedeckte Tisch kann nämlich zur Versuchung werden, irgendwann den Koch mehr zu loben als den Weltenrichter zu fürchten. Fasten lässt uns hinter den Gaben den Geber sehen. Fasten erinnert uns, dass die Welt am Ende steht und einem der Appetit angesichts dieser Situation ganz einfach vergehen muss. Und Jesus und seine Jünger? Ausgerechnet an einem Fastentag, wo Pharisäer und Johannesjünger sich zur Ehre Gottes ihren Magen knurren lassen, da sitzen Jesus und seine Jünger im Haus des Zöllners Levi und greifen nach Herzenslust zu. Die versammelten „Zöllner und Sünder“ fragen nicht nach einem Fastentag. Und so kommt eine aus Empörung entstandene Delegation und fragt Jesus, der vor sich Wein und in den Händen ein gebratenes Hühnerbeinchen hat: „Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, aber deine Jünger nicht?“ Hatte Jesus nicht vor kurzem gepredigt: Tut Buße! (Mk. 1, 15). Soll das Buße sein, wo man es sich schlicht und einfach gut gehen lässt? Hatte Jesus nicht wie Johannes gerufen: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen!? Soll diese Schlemmerei der ganze Ernst sein, mit dem man sich auf diese Stunde vorbereitet? Die Antwort Jesu ist weder entschuldigend noch kleinlaut. Denn man könnte meinen, die Fragesteller hätten eine Schwäche bei Jesus und seinen Jüngern entdeckt, einen wunden Punkt berührt. Jesu Antwort ist: Ja, die Stunde isternst, das Reich Gottes istnahe, und es ist Zeit zur Buße. Aber der Ernst der Stunde ist nicht der Ernst einer Beerdigung, sondern der Ernst einer Hochzeit! „Wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten!“Hier geht es also nicht nur um die Jünger, sondern um die „Zöllner und Sünder“ – die nennt er „Hochzeitsgäste“. Dass er sie ruft und ausgerechnet sie ihn hören, ist das eigentliche Fest, das im Hause des Levi gefeiert wird. „Ich bin“,sagt Jesus, „gekommen, die Sünder zu berufen und nicht die Gerechten.“Hier ist er wie der Vater, der seinen heimkehrenden Sohn in die Arme schließt, ihm das Festkleid anziehen lässt und feiert. Die Freude Gottes platzt aus allen Nähten. Eine neue Zeit dringt vom Himmel zur Erde durch: die Zeit der Freude Gottes über den, der seiner Gnade glaubt. Das ist der Ernst der Stunde, dass jeder sich ernsthaft von ganzem Herzen mitfreuen soll, wo doch im Himmel Freude ist. Denken wir nur nicht, dass es nur zum Fasten großen Ernst, tiefe Überzeugung und einen eisernen Willen bräuchte. Den gleichen, mindestens den gleichen Ernst braucht es, sich die Freude an dieser Freude Gottes zu bewahren. Freude am Evangelium ist immer gefährdet. Merkt ihr das nicht? Vieles ist da, das sie uns mit Gewalt aus dem Herzen reißen oder auch einfach nur madig machen will. Sorgenfalten machen sich leichter breit als Lachfältchen. Die tiefe Ernsthaftigkeit des Evangeliums als das zu hören, was es ist, darf uns nicht abhanden kommen: eine frohe Botschaft für unfrohe Menschen, ein Wort des Heils in einer heillosen Zeit, das Ringen des freien Gottes um unfreie Menschen. Darum fasten die Jünger Jesu, die Zöllner und Sünder nicht – weil Christus mitten unter ihnen ist und ihnen diese Freiheit gültig und unauflöslich zuspricht. Ohne Jesus ist keine solche Freude im Himmel, aber mit ihm kommt die Himmelsfreude auf die Erde. Und zwar bis zu dem hin, was auf dem Tisch steht. – Nun drängt sich eine Frage auf, die in unserem Teil der Erde und im 21. Jahrhundert ihre Stimme erhebt: Muss man denen, die ohnehin satt sind und vom Fasten nur noch reden, wenn sie abspecken wollen, auch noch die Freiheit vom Fasten predigen? Wir haben die Freiheit, auch am Karfreitag Steak zu essen; können, wenn wir wollen, in der Passionszeit Karneval feiern; haben die Freiheit, den Sonntag mit einem Buch hinter dem Ofen zu verbringen. Wir lieben sie, diese Sorte Freiheit. Es passt uns gut, dass die Jünger Jesu schließlich auch nicht gefastet haben. Und wir hören sie gern diese Abfuhr, die die ernsten Pharisäer und Johannesjünger erhalten. Also: es lebe die Freiheit! Aber welche Freiheit ist das? Eine Freiheit, eine Festlichkeit, weil wir Jesu Hochzeitsgäste sind und ihn als Gastgeber bei uns wissen? Oder ist es eine selbstgemachte Freiheit, die wir uns einfach gönnen, ohne irgendjemand anderem dafür verantwortlich, rechenschaftspflichtig zu sein? Das Leben genießen – aber wenn nun einer sagt: „ICH bin das Leben!“? (Joh. 11, 25; 14,6). Es gibt eine Neigung, bei Jesus alles ausblenden zu wollen, was nach Leben, Genuss und Freude schmeckt. Es gibt aber auch die Neigung, alles was nach Verzicht, Askese und Entbehrung schmeckt, auszublenden. In unserm Predigttext haben wir beides zusammen: das Dasein des Bräutigams und damit Grund zu Feier, Freude und Genuss. Gleichzeitig aber auch die Ankündigung des Endes dieser Zeit. Der Bräutigam wird fern sein, dann werden Fasten, Verzicht und Traurigkeit ihr Recht haben. Christliche Freiheit ist an Christus gebunden, sonst ist sie nur eine ganz gewöhnliche, menschliche und damit eigenmächtige Freiheit. Als Hochzeitsgäste, die den Bräutigam nahe wissen, dürfen wir uns nicht verleiten lassen zu Griesgrämigkeit, religiöser Kleinkariertheit und verbitterten Gedanken über die Lage der Kirche, der Welt und uns selbst. Es soll genug Freudenöl in unserer Lampe sein, dass sie allzeit leuchte. Wir dürfen uns aber auch nicht verleiten lassen, die frohe Botschaft zu verdrehen zu einer Botschaft des Wohllebens und gesunder Bürgerlichkeit. Sonst könnten wir eines Tages entsetzt bemerken, dass unsere Lampe schon längst verlöscht ist und kein Öl mehr hat. Jesu Hochzeitsgäste brauchen beides: Teilnahme und Anteilnahme. Wir nehmen am Hochzeitsfest teil. Wir gehören zu Jesus. Und Anteilnahme: mit einer leidenden Welt und suchenden Menschen. Das ist: sie einzuladen zur großen Hochzeit. Mit ganzem Glaubensernst gehören wir zu Jesus – das ist unsre Freude. Und wir meinen es ernst, wenn wir diese Freude hinaustragen unter die Menschen. So ist Jesusglaube – voll fröhlicher Ernsthaftigkeit und voll ernsthafter Fröhlichkeit. Amen.