Was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (Oßling)

Was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (Oßling)

2.Kor 4, 16-18                                                                        Jubilate – Oßling, am 22.04.2018

 

„Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“

 

Liebe Gemeinde! Für den einen gibt es nur dieses einzige Leben hier. Er versucht rauszuholen, was zu holen ist. Aber die Hoffnung nimmt ab. Älter werden heißt dann: das Ende naht. Wer sich mit dem Bekenntnis „Ich glaube“ zu Jesus stellt, sieht mehr als seine Lebenswirklichkeit. Er erblickt die Wahrheit. Die Wirklichkeit heißt: älter, schwächer werden, Ende. Die Wahrheit ist: Ich bin nicht für´s Ende, sondern zur Vollendung bestimmt. Das Sichtbare ist nur die Vorderseite der Münze. Das jetzt noch Unsichtbare, die Rückseite, gibt den Wert an. Damit sind wir bei Paulus. Er spricht vom äußeren, sichtbaren Menschen. Und vom inneren, geistlichen, unsichtbaren. Er beschreibt den Verfall des äußeren. Das bestreitet auch niemand. Man wird älter, die Zeit wird knapper. „Ich schaue in den Sonnenuntergang“, schreibt Theodor Fontane, „die Kreise werden enger.“ Paulus erlebt an sich selbst, dass der äußere Mensch verfällt, Trübsal und Trauer sich dadurch mehr Raum verschaffen. Er geht nicht dagegen an, indem er sich sorgfältig fit hält. Erholungsurlaub kennt er nicht. Über die Behauptung – man ist so jung, wie man sich fühlt – hätte er sich wohl gewundert. Oder gar, man solle sich ein möglichst jugendliches Aussehen bewahren, um noch mithalten zu können. Die Mühseligkeiten des Älterwerdens nimmt er hin. Das irdische Leben ist, wie es ist. Aber es ist nicht alles. Er kann hinter die sichtbaren Dinge schauen. Durch Glauben. Glaube erneuert die Hoffnung. Täglicher Glaube, tägliche Hoffnung. Alltäglich glauben – so bekommt Gott eine Chance, mir in meinem Alltag zu begegnen. Glaube verleiht Flügel. Wer den Zusagen Jesu Glauben schenkt, bleibt gewiss mit beiden Beinen auf den Boden der Tatsachen. Aber er verkrallt sich nicht in diese Erde, will nicht um jeden Preis festhalten, kann loslassen. Ob der Alltag des Paulus ein anderer war als unserer? Sicher nur in der äußeren Gestalt. Es gab keine Bohrtürme, Fernseher, Wolkenkratzer und Handys. Ansonsten war alles so wie immer. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Er schreibt von, uns nur zu gut bekannten, Erfahrungen: Sorgen, Angst, Lebenskampf. Mir nötigen seine Worte respektvolle Bewunderung ab, fast vorbildhaft. Da schreibt ein müder Mann. Jahrzehntelang schon ist er für das Evangelium unterwegs, gezeichnet – so schreibt er selbst – von Verfolgung, Gefängnis, Zerbruch mit Freunden, Sorgen, Todesdrohungen. Diese müde Mann schreibt: „Wir werden nicht müde.“ Sein Geheimnis heißt: Glaube an Jesus. Er sagt: in mir ist ein Raum, da wohnt Jesus, da wohnt auch mein Glaube. Äußerlich nimmt die Kraft ab, innerlich nimmt sie zu. Äußerlich Spätherbst, innerlich Mai. Fast sehen wir ihn dabei lächeln, mit der gelassenen Heiterkeit des Glaubens, als er seinem Schreiber diktiert: „Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ Paulus spricht von sich und seinen Kämpfen. Aber er will weder Anerkennung noch Mitleid. Es geht ihm um seine Gemeindeglieder. Er will, dass auch sie beständiger aus der Kraft des Glaubens ihren Alltag leben. Er zeigt anderen sein Leben, damit sie sehen, was Gott aus ihm gemacht hat. Seine Devise, andere zum Glauben zu ermutigen heißt: „Wenn du willst, dass dein Nächster an Jesus glaubt, dann lass ihn sehen, was Jesus aus dir gemacht hat.“ Wenn er über seine Nöte und Leiden spricht, höre ich darin einen ungewöhnlichen Ton: Dankbarkeit, fast Siegesjubel: „Unsere Trübsal“, sagt er, „ist zeitlich und leicht.“ Was, lieber Bruder Paulus, macht deine Stimme so hell, wenn du von dunklen Erfahrungen berichtest? Es ist sein Glaube. Seine unauflösliche Verbindung mit dem Auferstandenen. So kann er fröhlich sagen: „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“ – Nicht wer leidet, kommt in den Himmel. Das will Paulus nicht sagen. Leiden haben keine erlösende, aber gestaltende Kraft. Die Gemeinschaft mit Christus wird gestaltet, wächst, reift, gewinnt an Stärke, Licht und Gewissheit. Leiden schafft Gemeinschaft. Für den Glauben leiden schafft Glaubensgemeinschaft. Mit Christus leiden, verbindet mit Christus. Deshalb bejaht Paulus so zuversichtlich seine dunklen Wege. Er deutet sie so: Christus ist dunkle Leidenswege für uns gegangen. Führt er auch mich solche Wege, dann sind sie 1000x besser als alle selbsterwählten. Bis heute bezeugen Christen dasselbe: Geht einer selbstgewählte Wege und weiß sich nicht im Willen Gottes, dann schrecken schon kleine Hügel und unscheinbare Widerstände. Weiß sich einer aber auf den Wegen des Herrn, dann sind finstere Schluchten und drohende Gebirgsketten keine Angst, sondern nur Mühe. Die Gewissheit – ich werde überwinden – bringt im Herzen täglich dieses Wörtlein des Glaubens hervor: „dennoch“. „Dennoch bleibe ich stets an dir.“ (Ps 73) Dennoch, sagt der Glaube, der auf das Ziel schaut. Glaube verleiht nicht nur Flügel, sondern auch Augen. Der Glaube schaut auf den auferstandenen Herrn und erkennt: auch ich werde ewig leben. Was macht´s also, wenn der Weg dunkel und voller Mühen ist. Mir steht das Ziel vor Augen. So klingen die Worte des altgewordenen Paulus, als hätte er sich mit Glaubensflügeln in die Höhe geschwungen und sieht, hinter die drohenden Gebirgsmassive von Leid und Tod, schon die goldene Stadt: „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.“ – Jetzt spricht Paulus ein Urteil. Besser, ein Wort voller Klarheit und Wahrheit. Es ist ein Wort an alle, die an das Sichtbare glauben. Die ihre Hoffnung auf Gesundheit setzen, die anscheinend die Hauptsache ist, auf Geld, Familie, Haus und Hof, Macht und Anerkennung, die Meinung der Leute. Es ist ein klares Wort an alle, die an den Tod glauben und meinen, er hätte das letzte Wort. Der Tod, der uns so deutlich, allgegenwärtig, sichtbar vor Augen ist. Paulus stellt klar: „Was sichtbar ist, das ist zeitlich.“Trostvoller kann ich es auch nicht sagen. Auch der letzte Feind des Lebens hat nur Zeit, keine Ewigkeit. Jubelnd, fröhlich, gar nicht müde, sieht Paulus im Glauben vor sich die versprochene Ewigkeit, das Paradies. Sieht sich selbst in einer unüberschaubaren Menge Geretteter, überkleidet mit einem neuen Körper und ruft: „Was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ Er hört von dort her den Jubel, das Jauchzen, die übersprudelnde Freude und das Lachen und weiß – Christen sind Menschen, für die gilt: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Amen.