2. Advent (Oßling)

2. Advent (Oßling)

Jak 5, 7-11                                                                           2. Advent – Oßling, am 06.12.2020

„So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe. Seufzt nicht widereinander, liebe Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür. Nehmt, liebe Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die geredet haben in dem Namen des Herrn. Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ende es der Herr geführt hat; denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer.“

Liebe Gemeinde am 2. Advent! Die Predigt heute wird ein Viertelstündchen dauern, mehr nicht. Es wird wohl keine Geduldsprobe werden. Das Predigtwort aber ruft uns zu: Geduld! Geduld! Wozu? Wo ist Geduld vonnöten? Jakobus malt seinen Lesern ein Bild: Man sieht vor sich ein kahles, beackertes Feld. Es riecht nach Winter. Am Rain ein Bauer mit Lachfältchen. Ein zufriedener Landwirt. Was er tun konnte, musste, hat er getan – geackert, gesät, geeggt. Er legt die Arbeit aus der Hand. Damit klingt ein erster Gedanke zum Thema „Geduld“ an: etwas aus der Hand legen, liegen lassen. Jetzt wandert sein Blick gen Himmel. Die Bitte um Regen. Herbst und Winter der Frühregen. Englische Bauer beten hier eher, Gott möge den Regen beenden. Egal wo, man bittet um das passende, gute Wetter. – Mit dem Warten hat´s was: Warten braucht einen Anreiz. Für den Bauern ist das die Ernte. Für den anderen ein Möbelstück, bestellt, acht Tage Lieferzeit. Die Freundin macht ein Auslandsstudium, ein Jahr gedulden. Neun Monate für ein erwartetes Kind. Der lang verspätete Zug, die Kinder kommen, waren lange nicht da … Das Futter der Geduld ist der Anreiz. Die ersten Christen hatten Geduld. Ihr Anreiz war: täglich, buchstäblich täglich erwartete man die Wiederkunft Jesu. Jesus kommt bald, war der erste und der letzte Gedanke des Tages. Ihre Geduld war erfüllt von einer brennenden Hoffnung. Bald. Nicht mehr lange. Eine neue, die von Gott versprochene Erde sehnten sie herbei und freuten sich darauf. Jesus schafft vollkommene Gerechtigkeit und Frieden. Dafür brannten sie. Morgen, wenn Jesus sichtbar wiederkommt, gibt es keine Krankheit mehr, kein Tod mehr hat Macht über das Lebendige. Alle Menschen, die an Jesus glauben, sind endlich frei. Der Richter kommt, unser Retter! Diese leuchtende Sehnsucht machte ihre Tage hell, ihre Jahre, Jahrzehnte. Aber schließlich hatte die Flamme der Geduld kein Öl mehr. Sie warteten vergebens. Jesus kam nicht. So wendete man sich, fast unmerklich, von der himmlischen Hoffnung wieder mehr den irdischen, dem Alltag zu. Ihr Glaube wohnte nun nicht mehr in Zelten, sondern in sicheren Häusern, bald in Kathedralen. Enttäuschung. Gott hat uns enttäuscht. Haben wir das Leben im Glauben verwartet? In diese Müdigkeit und Fragen schreibt ihnen Jakobus einen Brief in Griechisch über die Geduld. Sie heißt in dieser Sprache: Makrotymos. Makros, das bedeutet: über eine weite, lange Strecke. Und tymos: Leidenschaft und Zorn. Geduldig ist also, wer sein leidenschaftliches Verlangen, seine Zorn, über lange Zeit hin zurückhält. Das deutsche Wort Geduld drückt das so nicht aus, aber es versteckt sich im Bild des Bauern. Der denkt „makros“, groß, er erwartet viel. Aus einem eingesäten Korn werden 100, 200, ja noch mehr. Im angelsächsischen und lateinischen Sprachraum steht an dieser Bibelstelle nicht das Wort Geduld, sondern Patient. Sei ein Patient, „be patient“. Im modernen Englisch ist es das Wort, das den Umgang mit einem Kind ausmacht. Dem Kind wird nicht aufgezwungen, was es nicht leisten kann. Vielmehr wird ihm Zeit gelassen, dass es sich entwickeln kann. Die Eltern warten und denken dabei groß von ihrem kleinen Kind. Das deutsche „Geduld“ sagt weniger, als das englische „patient“, Patient. In diesem Ausdruck wird das Leiden betont. Geduld und Leiden sind verbunden, untrennbar. Das umschreibt Jakobus, als er das Bild des Bauern verlässt, und von Hiob und den Propheten erzählt. Sie mussten erdulden, tragen, was der Herr ihnen aufgab zu predigen. Meistens Widerstand, Verachtung, manche sogar den Tod. Und Hiob, auch ihn nimmt Jakobus als Beispiel, um zu zeigen, was Geduld bedeutet, warum ein Frommer leiden muss. Das war Hiob, Vorbild im Glauben und Leben, ein untadeliger Mann, voller Gottvertrauen in Wort und Tat. Dann eine Hiobsbotschaft nach der anderen: sein Vermögen ist futsch, alle seine Kinder sterben, seine Frau rät ihm, so einem Gott abzusagen, er selbst wird sterbenskrank und seine Freunde wollen ihm Sünden einreden, sagen, alles sei Strafe Gottes. In Hiobs Leidensgeduld wird die Frage somit immer lauter: Wie viel Finsternis, Verlust, Angst, Krankheit und Verzweiflung hält der Glaube aus? Die Glaubensgeduld – wie tragfähig, belastbar ist sie? Mit diesen Gedanken, Fragen steht vor uns immer noch das von Jakobus gemalte Bild vom Landwirt: Am Feldrain schmaucht er seine Pfeife, betrachtet Ackerbraun und Azurblau. Dieser Mann steht bildhaft für die, die auf Jesus warten, um Gottvertrauen ringen. Menschen des Glaubens betrachten das Feld ihres Lebens. Der gute Same, das Wort Gottes ist in die Krume des Herzens gelegt. Jetzt wird das Unverfügbare erbeten: beim Bauern ist es das günstige Wetter, für das Feld des Lebens – Gottes Segen. Auch das Unkraut wird mit wachsen, das stört den Bauern nicht, Wecken und Distel, Kornblumen und roter Klatschmohn. Alles wächst. Lesen wir hier die tröstliche Botschaft, dass aus unserem Leben, aus unserem Glauben, unserem Mühn und Schaffen einst Segen, vielfach, überreich wachsen wird? Und das Gott es so will? Ist der Ruf des Jakobus nach Geduld eine Ermutigung, das kahle Feld unseres Lebens nicht lässig, aber gelassen zu betrachten? Ist es nicht die leise Aufforderung, sich, andere und die Umstände, wachsen und reifen zu lassen? Ja! – Ob dieses blache Feld wie ein Blick auf unsere Gemeinde, die Kirche ist? Das wäre ein Hochgefühl, die Ernte einzufahren, Brot, Leben für alle, Erntefest. Aber keine Ernte, nur Erde. Der Acker der Kirche duftet irdisch, erdig, menschlich, nicht der himmlische Duft nach frischem Brot. Wird uns hier prophetisch auferlegt, uns in Glaubens-, Leidensgeduld für unsere Kirche zu üben? Ja! – Ob unser Gott einverstanden wäre, wenn wir ihn in unser Warten und Suchen mit hineinnehmen? Wir tun es, deuten und sagen: Himmlischer Vater, du bist der Bauer. Der Acker ist deine Welt. Dein Wort, den guten Samen, Jesus selbst, hast du wie Weizenkörner in die Krume der Zeit geworfen, wo er sterben musste. Für uns. Sind auch wir, Gott, wie die Ausgesäten? Wartest du, Gott, darauf, dass wir wachsen und reifen, eins werden wie die Körner im Mehl und andere durch uns die Ewigkeit finden, durch unsere Liebe ihren Lebenshunger stillen wie mit Brot? Wartest du auf uns, Gott, eine weite, lange Strecke mit leidenschaftlichem Verlangen, mit „makrotyme“? Ja! Ja, Gott, wir glauben, dass deine Geduld so unglaublich unergründlich ist wie deine Liebe. Und dass du deine Versprechen hältst. Und dass Jesus kommen wird. Nur du  weißt wann. Aber wenn Jesus kommt, der Himmel sich öffnet und Gott alles neu macht und das große, ewige Fest beginnt,  dann möchte ich dabei sein, mit euch. Amen.

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