Aus der Vogelperspektive

Aus der Vogelperspektive

Jes 40, 26-31                                          Quasimodogeniti – Elstra/Prietitz/Oßling/Großgrabe, am 19.04.2020

„Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eines von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“

Liebe Gemeinde! Am Montag muss ich, Corona hin, Corona her, unbedingt nach Dresden fahren. Mein Auto ist allerdings in der Werkstatt. Kein Ding. Ich habe mir die Nahverkehrsapp von Kamenz und Dresden aufs Handy geladen. >Auf die Bahn ist Verlass< Bei normalem Wetter ist auf Bus und Bahn Verlass. Abfahrtszeit und –ort ist klar. Der öffentliche Nahverkehr hat klare Zusagen gegeben. 8.43 Uhr ab Oßling. Keine Panik. Ich werde spätestens 8.35 Uhr an der Haltestelle sein. Und warten. Der Bus wird schon kommen. – Es ist mir klar: Von Bus und Bahn zu erzählen ist kein Knalleffekt für einen Predigtbeginn. Passt aber zu dem Wort: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.“ >Auf den Herrn ist Verlass< Nicht nur der öffentliche Nahverkehr, sondern auch unser Herr hat klare Zusagen gegeben. Welche? Wie bewandert bist du in den Verheißungen Gottes? Welche trägt dich gerade? Nach dieser Predigt – das ist eine klare Aufgabe – fange an, die Verheißungen Gottes auswendig zu lernen! – >Die Verheißungen des Herrn< Die Verheißungen des Herrn. Sie sagen wohl auch: Du musst du nicht aus eigener Kraft leben oder glauben noch die Welt verändern. So, wie ich nicht zu Fuß nach Dresden muss. Allerdings muss ich den Fahrplan kennen, mich zur Haltestelle bequemen, dem Busfahrer vertrauen, dass er mich nicht nach Buxtehude kutschiert und den Fahrpreis entrichten. >Die Verheißungen des Herrn kennen< Wenn du auf den Herrn wartest ist es ähnlich: Du muss seine Verheißungen kennen, wenigstens zehn. Dich zum Gebet bequemen, warten in Geduld, den Verheißungen vertrauen, dich mitnehmen lassen von Gottes Geist und rechtzeitig umsteigen, wenn der Herr einen neuen Weg hat. So erreichst du Ziele, die du aus eigenem Verstand nicht mal in den Blick genommen hättest und gehst Wege, die du nie gefunden hättest. >Keine Kraft für eigne Wege< Du bekommst definitiv keine neue Kraft, wenn du unbedingt darauf bestehst, deine eigenen Wege zu gehen. Die Verschleißerscheinungen bei solch einem Lebensentwurf im gegenwärtigen Gesellschaftsmodell sind hoch. Ohne den Herrn wirfst du alles zum Fenster hinaus: deine Bestimmung, deine Kraft, deine Sinn. Paulus sagt dazu: „Und wenn jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht.“ (2Tim 2,5) Ohne den Herrn bleibt am Ende nichts. Davor wird hier gewarnt: „Männer werden müde und matt und junge Leute straucheln und fallen.“ Bestehst du darauf, deinen Weg zu gehen, wirst du straucheln und fallen. >Sammlung statt Zerstreuung< Deine Bestimmung in allen Lebenslagen ist zweifelsohne diese: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.“ Warte, harre auf Gott. Fokussiere dich auf den Herrn. Dazu brauchst du Sammlung, keine Zerstreuung. „Harren“ – im hebräischen Urtext – kommt aus dem Wort „Seil“ oder „Schnur“. Dieses Wort findet Verwendung, wenn ein Bogenschütze, der den Pfeil aufgelegt hat, das Ziel ins Auge fasst und zielt. Mit gesammelter Konzentration schaut er auf den einen Punkt. Alles andere, was ihn ablenken könnte, hat er für sein Auge abgeblendet. „Die auf den Herrn harren“ – das sind nicht die, welche diese oder jene Möglichkeit für ihr Leben ins Auge fassen und dabei auch noch ein bisschen Religion haben. >Allein der Herr< „Die auf den Herrn harren“ – das sind die, welche ganz mit ihm rechnen, nur mit ihm. Die ihn allein ihren Heiland sein lassen. Solche bekommen täglich neue Kraft. – Wir halten inne. Atempause. Wir verändern die Blickrichtung. Bisher ging es um das persönliche Vertrauen zu Gott. Unser Bibelwort hat aber einen viel weiteren Horizont. >Die ersten Adressaten – das Volk Israel< Unsere Blicke wandern von uns zurück in eine Zeit vor 2.500 Jahren. Wir schauen auf die ersten Adressaten dieser Prophetenpredigt. Der Prophet sagte dem Volk Israel nicht zuerst: Hoffe auf Gott, harre. Sondern, er erzählt: Gott ist groß. Er hat alle Macht. Nichts ist ihm unmöglich. Darum staune, bete an, lobe ihn! – >Großer Gott in dunklen Zeiten< Wir stellen uns vor: Die Gemeinde ist am Abend nach der anstrengenden Sklavenarbeit versammelt. Endlich ist etwas Zeit. Die Milchstraße und unzählige Sterne erleuchten das Firnament. Aber die Glaubenden sind bedrückt, beschämt, ja gerade dabei, alle Hoffnung aufzugeben. Innerlich und auch äußerlich schauen sie zu Boden. Die Stimme des Predigers dringt an ihr Ohr: Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat die Sterne und das Firnament geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eines von ihnen fehlt.“ Alle blicken in den orientalischen Nachthimmel voller Leuchten und Flimmern. Ein erhebender Anblick. Das All, der größte Raum, in das ein menschliches Auge blicken kann. Aber. Aber. Dieses Wörtlein ist eine feste Mauer aus vier Buchstaben. Aber: ihr geliebtes Jerusalem lag in Trümmern, der Tempel verbrannt und sie fern der Heimat als Gefangene und Sklaven. >Lebenskrise ist auch Glaubenskrise< Ihre Lebenskrise war auch eine Glaubenskrise. Im Tempel wurden die Opfer gebracht, für die Sünden, zum Lob Gottes. Das war vorbei. Wie also, und wer sollte sie versöhnen mit Gott ohne Opfer und Priester. Die heilige Stadt Jerusalem war die Stadt ihres Gottes, die Garantie seiner Gegenwart. Die Stadt war fern und zerstört. War Gott in der Fremde auch gegenwärtig oder waren sie hier gottverlassen? Auch die Zusagen Gottes waren an das verheißene Land gebunden. Sie galten wohl im Heidenland nicht. Tief im Innern verunsichert glaubten sie an ihr Bild von Gott: Er ist nicht hier bei uns im Heidenland. Frieden mit Gott gibt es nur im Tempel und Opfer. Und die Götter der Babylonier, die Sterne, sind stärker als unser Herr, sonst wären wir ja die Sieger. Sie schauen auf die leuchtenden Sternbilder. Diese da oben beten ihre Sieger an, von denen haben sie ihre Kraft, ihren Sieg. – >Gott oder Astrologie< Dazu kann ich nur sagen: Astrologie. Wer sein Horoskop liest oder gar sein Sternbild als Glückszeichen um den Hals hat, verspottet Christus, seinen Herrn. Der betet, wie damals die Babylonier, die Sterne an. Weg damit in den Müll! Frei werden von dieser Schande! Der Prophet damals sagt dazu: Alle Gestirne sind von Gott erschaffene Leuchten. Gott ist der Herr. Verleiht doch nicht toten, erschaffenen Leuchten göttliche Würde. Gott regiert. Und er ruft ihnen zu: „Gott führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eines von ihnen fehlt.“ >Die Nöte fragen: warum?< Es ist leicht vorstellbar, dass ein Ältester einen Einwand erhebt: Wenn du recht hast, Prophet, warum sitzen wir dann hier im Elend? Bis heute tönt diese Frage: Warum Gott? Wo ist Gott? Der Prophet nimmt das auf und stellt eine Gegenfrage: „Warum redest du so und sagst: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber?“ Nach dieser Gegenfrage legt er seinen Zuhörern, dass wären dann auch wir Heutigen, die Herausforderung vor: Gott fordert Vertrauen, aber eben nicht nur, wenn alles so läuft, wie der Mensch denkt. >In hellen wie in dunklen Tagen, wird dich Gott, dein Schöpfer tragen< Vertraue auch in dunkeln Wegen: Gott führt sein Volk und mich darin auch. Und die Predigthörer unterm Sternenhimmel hören die Wahrheit von der Größe Gottes: „Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.“ Wieder hört man Seufzer unter der Zuhörerschaft: Ach, wenn ich doch nur die Kraft hätte, das zu glauben, das wäre wunderbar. Und der Prophet sagt ihnen ein seelsorgerliches Wort: „Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.“ Lass dir das gesagt sein: ER gibt dir Müden Kraft! Mitten drin in unserer Müdigkeit und Schwachheit wirkt Gott. Paulus hört in großen Nöten, wie der Herr ihm zuflüstert: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ >Gottes Kraft wirkt in der Schwachheit< Damit wird schlicht gesagt: Wer sein Hoffen auf seinen Gott konzentriert, in dessen Herzen und zugleich in der Gemeinschaft der Hoffenden entwickelt sich eine beschwingte Dynamik. Das ist ja auch die Verheißung und eine Erfahrung der Glaubenden in jeder Generation: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ >Flugübungen des Glaubens< Die genaue Übersetzung lautet: den Hoffenden wachsen Schwungfedern. Beschwingter Glaube. Mit Gott kann ich Mauern, Hürden und schwierigste Hindernisse überfliegen. – Damals gab es einen einmaligen Vorgang in der antiken Welt: Das Volk Israel durfte in die Heimat zurück, tausende Sklaven, beste Arbeiter wurden freigelassen. Es ereignete sich nachweislich, dass sich die Prophezeiung in grandioser Weise erfüllte: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass ihnen Schwungfedern wachsen wie dem Adler.“ >Fly eagle, fly< Gott wartet, dass du auf ihn wartest, und er dir Schwungfedern, einen beschwingten Glauben schenken kann. Amen. 

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