Buß- und Bet-Tag (Oßling)

Buß- und Bet-Tag (Oßling)

Lk 13, 6-9                                                                Buß- und Bettag – Oßling, am 18.11.2020

„Jesus sagte dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und sucht Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum, und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.“

Liebe Gemeinde am Buß- und Bettag! Heute erwarten wir einen Aufruf zur Buße, eine klare Ansage zur Umkehr. Mit dem Aufzeigen der Konsequenzen, wenn das nicht geschieht. Ja, dazu rufe ich uns, also mich und alle Hörer/Leser auf. Wie soll dieser Aufruf erfolgen? Ich lasse mich von der Schrift leiten, wenn Paulus schreibt: „Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ Also keine Aufrufe zur Verbesserung der Moral, keine guten Vorsätze und Programme zu deren Umsetzung, kein Donnerwetter. Sondern: Der Blick auf die Güte Gottes. Wir hören im Alten Testament: „Die Güte des Herrn ist´s, dass wir nicht gar aus sind.“ Die Güte des Herrn – das ist seine Freiheit, er schenkt sie und der Mensch darf leben. Wir hören Jesus reden. In seiner Rede bist du der Feigenbaum. Die Axt wird gerade an die Wurzel gelegt. Da schreitet der Gärtner ein: „Lass ihn noch dieses Jahr. Bis ich um ihn grabe und dünge.“ Die Güte des Herrn kommt durch einen Fürsprecher in Aktion. Diese Fürsprache rettet Leben. Dann folgt die Fürsorge: „Lass ihn noch dieses Jahr.“ Wie lange währt ein Menschenjahr? Wir zählen 365 Tage? Wie lange währt das Jahr des Herrn, vor dem ein Tag ist, wie tausend Jahre? Jedenfalls hat die Güte des Herrn ihre eigene Zeit. Auch für dich. Weißt du wie lang? Der Gärtner hat noch Hoffnung, sorgt, gräbt, düngt. Gottes Zuwendung, Liebe wird auf Hoffnung geschenkt: „Vielleicht bringt er doch noch Frucht.“ Der Herr hofft für uns. Auch das Ende ist gewiss: „Wenn nicht, so hau ihn ab.“ Es gibt ein zu spät. Aber wir schauen auf das Wunder: die Güte Gottes. Wir gehen mit dem Herrn des Weinbergs und seinen Gärtner in sein Eigentum. Sehen, ihn die Fruchtansätze des Weins betrachtet und wie er zu seinem Feigenbaum schlendert, ihn betrachtet. Du, lieber Bruder in Christus, liebe Schwester, du bist der Feigenbaum. Wie der Gärtner will ich dich jetzt mit Güte betrachten und Hoffnung für dich haben: Ich wünsche dir, dass du aufblühst. Aufblühen. Wieder aufblühen. Was braucht es, dass du aufblühst? Jetzt ist Herbst, der Winter steht vor der Tür. Aber im April, Mai, der Frühling kommt gewiss. Licht, Wärme, dann leuchten die Kirschbäume unschuldig weiß, voller Blütenträume. Die Zeit abwarten, sich nicht zu früh öffnen, dass der Frost nicht in die Blüte falle. Aufblühen, wenn die Zeit reif ist. Bis dahin Geduld. Das wünsche ich dir: Geduld. Mit dir. Mit deinem Herzen, Mund und Händen. Das rechte Wort zur rechten Zeit, nicht vorher. Dein Ohr als Leihgabe. Ein Herz, das Geheimnisse bewahrt. Dein Herz, ein Haus, wo der Glaube wohnt, Liebe und Hoffnung ein- und ausgehen. Doch nichts ist von heute auf morgen. Wie lange wirst du wohl warten müssen, dass er blühe, dein Baum? Fasse dich in Geduld! – Liebe Schwester in Christus, lieber Bruder! Ich wünsche dir, dass deine Tage Früchte tragen. Dein Leben von der Blüte zur Frucht findet. Was braucht es, dass blühende Schönheit zur Reife kommt? Was brauchst du, wenn die Blütenträume vom Winde verweht werden? Wieder warten. Sich der Sonne öffnen, Lachen, Freude, Erwartung, dass der Sommer kommt. Du entgegenreifst deiner Bestimmung. Wer jetzt schon Früchte sucht an dir, dem strecke dich entgegen, erbitte dir Geduld: Dass er Geduld habe mit dir – was du bist und kannst. Sag ihm, es dauert: Schweigen lernen, dauert. Dass die Liebe aus ihrem Schneckenhaus kommt, dauert. Dass der Glaube wurzelt, die Hoffnung flügge wird, die Liebe das Feld des Lebens bestellt – das dauert. Fasse dich in Geduld. Sag ihm das. Hoffe, er hört. – Und wenn es zu lange dauert? Wenn es dauert und dauert? Was ist, dass es geschieht und der Schöpfer betritt deinen Garten, dein kleines Stück Leben. Und sucht am Baum des Lebens, in der Mitte deines Herzens, seine Sehnsucht zu stillen. Er durchschaut dein Blätterwerk und sucht. Und erst jetzt weißt du: Ich habe nichts. Vor IHM stehst du mit leeren Händen. Was kannst du ihm wohl geben? Und du fühlst Angst, es könnte vergeblich sein, das Wachsen und Warten. Du hörst die Stimme, die Tote aufweckt. Wurzel und Zweig erzittern: „Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Baum und finde keine.“ Drei Jahre? Drei Jahre. Und ich sah ihn nie, vernahm nicht seine Sehnsucht, achtete seine Hoffnung für nichts, war auf mich bedacht. Habe ich die Zeit vertan, die Gnade verspielt? Ich höre ein seltsam gestrenges Wort. Es hat den Klang von „Zu spät“ und „vorbei“. Durch Mark und Bein fährt es: „So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft!“ Ich habe dem Boden die Kraft genommen. Wollte nur haben, haben, haben. Habe genommen. Was habe ich zu geben? Warum lassen Früchte auf sich warten? Wonach ich mich in dieser Stunde der Begegnung mit dem Schöpfer sehne? Ach! Ach, würden sich doch die Zweige meines Herzens biegen unter der Last. Hätte ich doch schwer daran zu tragen, an den Früchten. Statt immer nur frei sein wollen, frei von aller Last. Liegt schon die Axt an meiner Wurzel? Ist es vorbei mit Stumpf und Stiel? Der EINE, der an mir Frucht sucht, der Gestrenge, hat seinen Sohn mit. Ihn kenne ich. Er ist der Gärtner. Er liebt alles, was wächst und sorgt sich ums Gedeihen. Ihm bin ich es wert. Er legt die Arme um seinen Vater und flüstert: „Lass ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht.“ Vater, fasse dich in Geduld! – Lieber Bruder in Christus, liebe Schwester! Ich wünsche dir, dass dein Leben aufblüht, deine Mühen Früchte bringen, viele davon satt werden und du ein Baum bist, gepflanzt am Wasser des Lebens, am Wort Gottes. Christus, der Gärtner des Lebens, sorgt. Sorgt für dich, sorgt sich um dich, in Geduld. Das ist seine Güte. Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ Amen.