Das klingt nach Advent

Das klingt nach Advent

Röm 15, 4-13                                                                    3. Advent – Oßling/Großgrabe, am 16.12.2018

„Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat, zu Gottes Lob.“

Liebe Gemeinde am 3. Advent! Im Advent geht es auch um Versöhnung. Am Heiligen Abend, spätestens, sollte sie vollzogen sein. Wir sollen nicht bleiben, wie wir sind; unsere Verhältnisse auch nicht. Also „nehmen wir einander an“, nicht nur, weil das so schön ist, sondern vor allem, weil „Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre“. Wir versöhnen uns miteinander zu keinem geringeren Sinn als zu Gottes Ehre. Wer sich versöhnt oder es zumindest anstrebt, ehrt Gott. Wenn das kein Grund ist.Manche ehren Gott unversöhnt. Das ist denkbar, hat aber einen seltsamen Beigeschmack. Wie kann man Weihnachten feiern und mit Menschen unversöhnt sein. Und nach den Feiertagen den Streit wieder aufleben lassen, oder weitertragen ins neue Jahr. Besser nicht. Besser im Advent gründlich besinnen und überdenken, wer meine Versöhnung braucht: zuerst ich, dann auch andere. Und wenn wir nur auf den Weg bringen, was der oder die andere ablehnt: Schon mein Angebot ehrt Gott. Es bringt einen besonderen Glanz in die Welt. Adventlichen, versöhnlichen Glanz. Eine Brücke wächst. Das meint wohl Paulus hier, wenn er ruft: „Nehmt einander an!“Findet zueinander. Suche eine Brücke, baue eine, bau an einer mit. Da ist jeder gemeint. Verschiedenheit wird vorausgesetzt. Ausgangspunkt heißt: jeder ist anders. Das Ziel: versöhnte Vielfalt. Nicht Gleichheit, sondern Gemeinschaft. Das Bild einer Brücke macht den Werdegang deutlich. Bei der Verbindung beider Ufer geht es nicht um Gleichmacherei, sondern um Zusammengehörigkeit. Brückenbauer schütten Gräben nicht zu, trocknen Flüsse nicht aus, sondern überwinden sie. Scheinbar, ober-flächlich betrachtet, lassen sie alles beim Alten, und doch: ist eine Brücke fertig, ist alles anders. Da ist ein Weg, wo sonst keiner war.  Einander annehmen heißt: den andern so belassen, aber einen Weg zu ihm finden. Noch etwas wird an der Brücke deutlich: Es ist Arbeit. Es ist oft so mühsam einander anzunehmen und so beglückend, wenn es gelingt. Um Entfremdung zu überwinden, braucht es verlässliche Mitstreiter und Beharrlichkeit. Beides gibt es. Unter uns sind Brückenbauer am Werk. Wenn ihr so etwas bemerkt, würdigt es, unterstützt ihr Mühen. Oft schon durften wir „Brückenerfahrungen“ machen, die erleichternde Erfahrung: ich bin doch hinüber gekommen, ans andere Ufer gelangt. Da war ein Steg aus Dunkelheit, ein wankendes Brücklein aus Krankheit, Einsamkeit. Da war ein Weg für mich aus Schuld heraus hinüber in die Vergebung. Ein Lächeln, ein Gespräch leise unter Tränen, ein Bibelwort, ein Gebet, ein Besuch, eine Predigt, die Umarmung eines Kindes und so viel mehr wurden uns zur Erfahrung: ich bin angenommen, angekommen. Mich ermutigen Menschen, die sich an den Gräben der Verschiedenheiten nicht stoßen. Menschen, die diese Gräben aber auch nicht einfach hinnehmen, sondern an ihnen entlang gehen, um eine günstige Stelle für einen Brückenschlag zu finden. Ja, es gehört Geduld dazu, den rechten Platz zu finden. Ich meine mit diesem Bild vom Suchen: Wer zu einem Menschen eine Brücke schlagen will sollte beginnen, regelmäßig für ihn zu beten. Gebet. Regelmäßig. Täglich. Brücken zueinander, Brücken füreinander, so soll es unter uns sein: „Nehmt einander an!“Brücken zwischen Menschen. – Jetzt lasst uns auf unsern Herrn blicken: Zwischen Mensch und Gott gibt es keinen Weg. Wir können nicht einfach zu ihm, oder mit ihm spazieren gehen und fragen: Hallo, wie geht’s, Chef. Die Bibel erzählt, in der Paradiesvertreibung angefangen, von dem tiefen, unüberwindlichen Graben zwischen Geschöpf und Schöpfer. Die Hoffnung unsrer Glaubensväter im Alten Testament war: Gott baut einen Weg. Das Evangelium im Neuen Testament berichtet davon: Von der Mühe, Geduld und Beharrlichkeit Gottes, wie Gott einen Weg für uns gemacht hat, wo sonst keiner war. Im Hebräerbrief wird unser Heiland „pontifex maximus“ genannt. Luther übersetzt das mit „Hohepriester“, aber genau heißt es: „Oberster Brückenbauer“. Dieses, sein Brückenbauen, geschah durch Annahme. So baute er, unter Hingabe von allem, was er hatte, seinem Leben, einen Weg hinweg über die unergründlichen Abgründe von Sünde, Tod und Verdammnis, hinüber ins ewige Leben. Jesus – der Brückenschlag der Liebe Gottes zu uns. Was Jesus getan hat, zeigt unmissverständlich: Es gibt Unannehmbares in der Welt, unannehmbare Zustände, unannehmbare Meinungen… aber eines gibt es nicht: unannehmbare Menschen. Dieses Prinzip Christi ist das Prinzip der Kirche, unsere Haltung. Annahme von Menschen geschieht im Tiefsten immer um Christi willen, nicht aus der Kraft eigner Menschlichkeit. Das betont Paulus ausdrücklich: „Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat.“Um den Doppelsinn des Wörtchens „wie“ deutlicher zu hören, muss der Satz so gesprochen werden: Nehmt einander an, wieund weilChristus uns angenommen hat. Mit dem Brückenschlag, den Gott in Jesus zu vollzogen hat, will er nur eins: seine Liebe soll zu den Menschen. Jetzt wird deutlicher, was Gottes Absicht für die Brücken zwischen Menschen ist. Nicht zum Selbstzweck sollen wir Brücken bauen, sondern für Gott, so „dem Herrn den Weg bereiten“.Wo Menschen und Kirchen sich versöhnen, miteinander streiten und arbeiten, wo sie einander gelten lassen in Verschiedenheit und doch wertschätzen, wo nicht Paragraphen, sondern die Nöte das Handeln bestimmen, wo Menschen ganz verschieden und doch gemeinsam glauben und aus Glauben leben – über solche Brücken fließt die Liebe Gottes, dort wird Gott geehrt und gelobt. Ich atme und arbeite, singe und weine, höre und helfe nur darum, dass Gottes Lob größer und größer werde. Deshalb leben wir, das ist der Herzschlag der Kirche und Sinn unseres Lebens. Das meint der Apostel Paulus mit seinem Ruf: „Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat: zu Gottes Lob.“So wird Gott gelobt im Advent, mit Versöhnung. Und spätestens am Heiligen Abend sollte sie vollzogen sein. Amen.