Die Perle

Die Perle

Mt 13, 44-46                                   8. Sonntag nach Trinitatis  –  Großgrabe, am 11.08.2019

„Jesus sprach zu seinen Jüngern: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederrum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“      

Liebe Gemeinde! Wie eine Perle entsteht wissen wir: ein Sandkorn wird in eine geöffnete Muschel gespült und verhakt sich dort. Das zarte Muschelfleisch wird gereizt und die Muschel beginnt, was ihr Schmerzen macht, mit kostbarem Perlmutt zu umhüllen. Jetzt wächst die Perle, Jahr um Jahr – bis sie gefunden wird. Nicht umsonst antwortet Jesus auf die Frage: Wie steht´s mit Gott und seinen Menschenkindern? – mit dem Vergleich: wie mit einer kostbaren Perle. Das Kostbarste, was ein Mensch finden kann, ist die Gemeinschaft mit seinem Schöpfer. Eine Gemeinschaft, die alle Mächte des Verderbens und der Finsternis einfach durchschreitet und überwindet, Gemeinschaft für immer. Wir beschreiben diese Gemeinschaft so: Ich bin erlöst! Frei von allem, was mich von Gott trennt, frei für ihn. Die kostbare Perle – das ist die Erlösung des Menschen. Schuld und  Sünde, Verfehlung und Bosheit – alles von Gott Trennende fiel in das liebende, offene Herz Gottes, wie das Sandkorn in die Muschel. Aus  Liebe stieß Gott die Menschenkinder nicht von sich, auch wenn sie ihn schmerzten. Er überließ sie nicht ihrem Elend. Er schuf aus dem Nichtswürdigen, Wertlosen etwas Kostbares. Er umschloss  die menschliche Gottverlassenheit mit seiner Liebe. Aus Sündern wurden Kinder, aus Verlorenen Gottes Hausgenossen. Der Schmerz der Muschel ist nur ein schwacher Widerhall vom Schmerz Jesu, der unsre Erlösung zur Welt gebracht und vollendet hat. Im Kaufmann, der gute Perlen suchte, bildet sich die tiefe Sehnsucht des Menschen ab, Sehnsucht nach Sinn und Ziel, eine Antwort, besser, Frieden finden auf das Warum und Wohin. Antworten gibt es viele, es gibt gute Perlen: Familie, Haus, Arbeit, Gesundheit, Freunde, Verstehen, Wissen, Erfolg, Trost, Urlaub, gutes Wasser, ein fröhliches Lied, Toleranz – viele, viele Perlen. Aber keine Antwort in der Tiefe unsres Herzens, eben Frieden, Frieden mit Gott. Frieden ist: ich bin von ihm angenommen, vollkommen, ganz, auf immer und ewig. Angenommen  bei Gott – das ist Frieden, das ist die eine Perle, die alle weit übertrifft: unsre Erlösung in Jesus. Er hat all unser Elend durch seine Schmerzen verwandelt, in einen kostbaren Schatz. Ich bin Gottes Schatz. Das ist unser Kosename. So ruft uns Gott: Mein Schatz! Spricht das Gleichnis von der Perle über den Schmerz des Erlösers und die Kostbarkeit der Erlösten, redet Jesus im Gleichnis vom Schatz im Acker über seine Mühe und Arbeit, und über die Kraft seiner Hingabe in seinem Erlösungswerk. In allen seinen Gleichnissen spricht Jesus verborgen von sich und seinem Geheimnis. – Ein Schatz, verborgen im Acker. Ja, wir sind Gottes Liebe, das Wertvollste, was er hat, sein Schatz. Aber der Schatz ist im Besitz des Feindes, dem Besitzer des Ackers. Jesus nennt ihn den Fürst dieser Welt. Und nun geht der Erlöser an die Arbeit. Er verlässt die Herrlichkeit Gottes und wird ein Knecht. Paulus besingt die Demut Jesu in seinem Christuslied (Phil 2, 5-11): Er, Gottes Sohn, hielt seine Macht und Herrlichkeit nicht fest wie eine Beute, sondern legte alle Hoheit ab, wurde ein Mensch, ein Knecht, arm und gering. Seine Liebe, sein unendlicher Schmerz um die Verlorenen, trieb ihn auf den Acker der Welt. Seine Liebe ließ ihn die Menschen finden. Nachdem er Macht und Herrlichkeit gegeben hatte, war nun sein Letztes, alles gefordert: der Kaufpreis für den Acker – sein Leben. Sonst wäre der Schatz an den Feind gefallen. Ja, schreibt Paulus, „er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ So erzählt Jesus, wie er den Himmel für die Menschen öffnete: „Jesus sprach zu seinen Jüngern: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen  im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.“ – Wenn Jesus von sich erzählt, erzählt er damit auch von uns. Nicht allein, wer wir vor Gott sind sehen wir an Jesus und seinen Worten. Wir erkennen an seinem Weg auch unsern Weg, wohin wir reifen sollen. Was Jesus wertvoll ist, soll auch uns wertvoll werden. Die Gesinnung Jesu soll uns Ansporn sein, ihm nachzuleben. Paulus beginnt seinen Hymnus über die Demut Christi mit dem Hinweis, sich an Jesus zu orientieren: „Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ Deshalb bildet sich in dem Ackersknecht und Perlensucher etwas für unsern Glauben und unser Miteinander ab: Wenn Gott die Schuld der Menschen umschlossen hat mit Liebe, steht uns nichts anderes zu, als ebenso zu handeln. Schuld wird umschlossen mit Vergebung im Namen Jesu. Schickt uns Gott auf den Weg, Menschen für ihn zu gewinnen, dann nur in der Demut Jesu, als Dienende. Was wäre wohl geschehen, wenn der Knecht beim Ackern seinen Pflug einfach über das Hindernis gehoben hätte? Er hat aber angehalten, geschaut. Dort, wo wir nicht weiterkommen sich unser Leben verhakt, sollen wir die Steine aus dem Acker holen. Was wissen wir denn, welche Brücke Gott damit bauen will. Wird die Kraft des Glaubens im Alltag gefordert, dann lernen wir an der freudigen Hingabe des Kaufmanns und des Knechtes: vorläufig alles gegeben, endgültig alles gewonnen. Die Kraft des Glaubens erweist sich hier im Loslassen; im Haben, als hätte man nicht. Hergabe ist Hingabe. – Aber alles, was wir tun, geben, lassen und sind im Glauben – wir sind es nur, weil Gott zu uns gekommen ist. Nie dürfen wir vergessen, dass nicht wir Gott, sondern Gott uns gefunden hat, besser, er hat sich finden lassen. Das betont Jesus in diesen Gleichnissen dadurch, dass er von einem unverfügbaren, nicht machbaren Finderglück erzählt. Der eine hat das unverschämte Glück nach langem Suchen, dem andern geschieht dieser unverhoffte Fund überraschend in seinem Alltag. Beide hat der Fund überwältigt, ihr Weltbild, ihr Leben verändert. Beide handeln entschlossen. In diesem entschlossenen Handeln erblicken wir den Anspruch, den die die Liebe erhebt: alles oder nichts, ganz oder gar nicht. Der vor Liebe brennende Jesus will unsre Erwiderung, unsere Hingabe: mein Herz, o Jesus, gehört dir, ich gebe, was ich bin, wenn ich nur dich habe. Ein vor Jahren weltberühmter Geiger bekam nach seinem ersten Auftritt in Wien tosenden, minutenlangen Beifall. Nach dem Konzert wurde er am Nebenausgang von einer begeisterten Dame abgepasst. Von seiner Musik noch ganz erfüllt fasste sie seine Hände und stammelte: Mein Leben würde ich geben, könnte ich spielen wie Sie. Er sah sie nur an und antwortete leise: Das, Madame, das habe ich getan. Amen.

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.