Die Zeit ist kurz…

Die Zeit ist kurz…

1Kor 7, 29-31                                  20. Sonntag nach Trinitatis – Großgrabe/Oßling, am 14.10.2018

 

„Die Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.“

 

Liebe Gemeinde! Ich möchte so gern ewig Zeit haben. Und für immer gesund auf dieser Erde leben. – Mit diesem Satz fange ich an, über tiefste menschliche Sehnsucht zu reden: Leben, leben. Es ist aber nur Sehnsucht, Träumerei. Die Realität ist gerade umgekehrt. Davon redet unser biblisches Wort: „Die Zeit ist kurz … das Wesen der Welt vergeht.“ Mit beiden Beinen steht er auf der Erde, wer das nicht leugnet. Knappe Zeit, Vergänglichkeit sind nun nicht gerade Spaßthemen. Aber eben unser Leben. Deshalb nötigt uns das Bibelwort: Setz dich mit dem Leben auseinander – oder zusammen. Beides will die Predigt für uns tun. Das Wort Gottes fragt uns durch diese Bibelstelle: Welche Wirkungen hat es für die alltäglichen Fragen, wenn Menschen in den Machtbereich des Evangeliums? Wir schauen gemeinsam auf die Macht des Evangeliums: die Auferstehung. Jesus ist von den Toten auferstanden. Mehr als 500 Menschen haben ihn nach seiner Auferstehung gesehen, mit ihm gesprochen, gegessen, getrunken. Dann hat er sie mit dieser Botschaft, dem Evangelium in die Welt geschickt. In Jesus ist der Tod vorbei. Heute ist die Botschaft hier. Jesus wartet, wie wir uns dazu stellen. Er ist gegenwärtig, hier, mitten unter uns. Er hat alle Macht. Zugleich lässt er seltsamerweise jedem die Freiheit, in diesen Machtbereich zu treten oder draußen zu bleiben. Wer hineintritt erhält das ewige Leben. Wer seiner eignen begrenzten Lebenssicht vertraut, erhält es nicht, wird nicht gerettet. Das ist genau der Ruf dieser Predigt: Komm, vertraue Jesus! Er kann dir als Einziger Ewigkeit, Himmel schenken. – Paulus schrieb damals an die ersten Christen in Korinth, was heute genauso gilt: Christus hat uns freigekauft. Ihr ward in der Macht des Todes, des Satans und der Sünde, also Sklaven. Die Bezahlung unserer Freiheit war sein Leben. Ihr habt in diesen Freikauf eingewilligt, seid aus dem Gefängnis in den Machtbereich Christi getreten und fragt: Wie sollen wir jetzt leben? Antwort: wer Christus gehört, gehört nicht mehr sich selbst. Das ist die Eigentumsfrage. Ich bin in meiner ganzen Existenz bis in die Tiefe getröstet, dass ich Christus gehöre, sein Eigentum bin. Er wird auf mich aufpassen, besser, als ich es kann. Ich will ihm gehören. Diese Hingabe fordert der Herr auch von dir. Sei ganz sein oder lass es ganz sein. Liebe will alles oder nichts. Das habe ich von meiner Frau auch gefordert, und sie von mir: Entweder, du willst mir ganz gehören oder gar nicht. Damit geht es um die Zugehörigkeit: „Meine“ Frau ist ja in Wahrheit nicht mein Eigentum. Das Possessivpronomen, was vom Klang her den Besitz anzeigt, ist bei „meine Frau“ ein Beziehungspronomen. Es signalisiert eine einmalige, unverwechselbare Beziehung. Wer also das Eigentum Christi sein will, tritt in Wahrheit in eine ewige, herrliche, von größter Freiheit geprägte Beziehung. Jesus glauben heißt: sich an die Freiheit binden. Mehr Freiheit in Bindung geht nicht. Jetzt kommen wir zum Punkt. Was bedeutet meine Zeit, die so knapp ist, jetzt, vor Jesus. Also frage ich: Herr, wie denkst du darüber? Und Jesus sagt jedem klar: Durch mich bist du frei von allen Todesmächten – bleib frei. Nimm alles in deinem Leben unter der Option „als ob“. Dann bist du genau im Herzen des Lebens und frei. Das buchstabieren wir mal durch wie das geht und sich anfühlt: „… kaufen, als würden wir es nicht behalten.“ Das ist die befreiende Selbstdistanz zu allem Besitz. Und das Wissen: das letzte Hemd hat keine Taschen. Und ehrlich sollst du dir damit diese Frage beantworten, um deiner selbst willen: Hast du Besitz oder besitzt er dich. Mach einen Freiheitstest. Die Bibel rät: Teil doch mal dein Geld, was du im Monat verdienst, in zehn Teile. Acht verbrauche für dich, einen Teil leg zurück und spare, und einen gib für das Reich Gottes aus. Kannst du das? Oder sagst du: Meins ist meins? Haben, als hätte man nicht ist die Formel zur Freiheit von Dingen, die man eh lassen muss. Haben oder Sein, hast du oder bist du. Wer sich vom Haben trennt, verliert Furcht. Weil es überraschend wenig weh tut. Und Jesus kommt uns näher. Weil unser Herz mehr Platz für ihn hat. – Die Zeit ist knapp, heißt hier genauer: Die Zeit drängt!  Wieso? Na wegen Christus. Jeder hier wird ihn bald sehen. Entweder Jesus kommt oder ich gehe. So oder so stehe ich vor ihm. Alles hier soll in Einklang mit seinen Willen kommen. Das ist zu tun. Das meint „als Christ Jesus nachfolgen“. Einiges ist hier erwähnt: „Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine.“Klingt im ersten Hören irritierend, weist aber in die Freiheit der Beziehung. Meint: Mann und Frau sollen bedenken, dass ihre gemeinsame Zeit kurz ist. Das hat man ja schon am Traualtar bekannt und versprochen: „… bis dass der Tod uns scheide.“ Wenn´s gut geht vier oder fünf Jahrzehnte. Im Rückblick erscheint jede Zeit kurz. Deshalb: die Zeit als erfüllte Zeit leben. Liebe ist die Kraft, die aus leerer erfüllte Zeit werden lässt. Macht euch also keine unnötigen Sorgen. Stellt keine zu hohen Erwartungen aneinander. Keiner kann die Lebenserfüllung des andern sein. Aber zum Glück, erfüllten Zeiten kann man sich helfen. Wir leben hier im Vorletzten, und sollen es nicht als Letztes sehen. Das Vorletzte gewinnt seine wahre Bedeutung erst vom Letzten her. Haben, als hätte man nicht. Und darüber dankbar werden, dass man eine Zeit haben darf. Hier schimmert die alte Weisheit durch: alles ist geliehen. Auch Leben. Würde ich es besitzen, könnte ich es ja halten. Nichts habe ich. Und so realistisch soll ich auch leben. Und so nüchtern auch glauben. Denn dann bin ich nah dran an dieser Wahrheit: Alles, was ich bin und habe, ist alleine Gottes Gabe“. Und damit ich das Türchen zu einer täglichen Dankbarkeit und Demut schon aufgestoßen. – Bei dem heutigen Predigtwort hat man den Eindruck als würde es rufen: Hallo! Geh mal auf Abstand zu dir selbst. Schau dich, deine Sicht, dein Leben mal wie ein völlig Fremder an. Damit du erkennst, was die bedeutsamen Dinge deines Lebens sind. Genauer: die Jesus für bedeutsam hält. Und vergleiche: Was halte ich für bedeutsam und was Jesus. Stimmen wir überein oder nicht? Sieh alles mal im Licht der Ewigkeit. Stell dir die Frage: … und wenn ich noch dreißig Tage hätte? – Unser Leben ist ein Gastspiel, es gibt hier kein zweites, so, als wären wir noch in der Vorrunde. Wir sind im Finale. Nicht die äußeren Umstände, sondern die Bindung an Jesus behält das letzte Wort. Und es gibt wirklich gute Gründe zu vertrauen. Auch wenn ich durch bitteres Leid muss, ist da tief unten ein Trost: Christus ist ja da, er weiß. Und dann fließen die Tränen und eine Stimme tröstet: Auch der Schmerz wird bald geheilt: „…und die weinen, als weinten sie nicht.“ Das erfassen nur, die im Machtbereich Jesu leben und glauben. – 2.000 Jahre ist dieses biblische Wort schon durch die Geschichte gewandert und hat Menschen zur Freiheit und zum Glauben inspiriert. Viele fühlten sich durch diese Worte berufen, aus ihren Alltagsstrukturen auszuwandern. Sie gründeten Klöster, und damit auch Schulen und Krankenhäuser. Dieses „ich bin ein Gast auf Erden“ trieb Menschen im Glauben zu der Frage: Warum bin ich hier, was will der Herr? Und sie gingen in die Mission, verpflichteten sich zum Preis ihres Lebens zu einem Kampf gegen ungerechte und gewalttätige Lebensbedingungen. Andere engagieren sich, weil Christus es will, für die Erhaltung der Schöpfung. Denn, wie es hier heißt: Menschen, die Christus als Herrn haben, sollen „diese Welt gebrauchen, als bräuchten sie sie nicht.“ Das heißt schlicht: Jesus will, dass du bescheiden lebst. Darum ringst, die Erde und ihre Ressourcen nicht mit auszubeuten. Bejahen, dass niemand Besitzanspruch oder Bleiberecht hat. Eben nicht die Erfüllung im Konsum, sondern allein in Christus zu finden. So praktisch, so erdverbunden, so menschenverbunden und nüchtern ist gelebte Gemeinschaft mit Jesus, dem Auferstandenen. Und wir? Inspirieren uns diese fünf biblischen Sätze. Vernehmen wir sie als Anrede Gottes an uns, als seinen Anspruch an unser Leben? Dann beginnt heilsames Lebenswasser unsere inneren Wüsten zu benetzen. Folge dem Ruf Jesu und weihe ihm dein Leben. – Wie hatte ich doch begonnen? Ich hätte gern ewig Zeit und möchte für immer gesund leben. Diese pochende Sehnsucht, die niemand stillen kann, ist in Jesus gestillt. Er ist da. Er nimmt mich täglich in seine Arme und flüstert: Die Zeit ist kurz, die Welt vergeht – aber ich lebe, und du sollst auch leben. Amen.