Einer trage des anderen Last

Einer trage des anderen Last

22. Sonntag nach Trinitatis – Großgrabe/Ehrenamt – 23.10.2016

„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“  (Gal. 6, 2)

Liebe Gemeinde, liebe Ehrenamtliche!

Ich sehe so viel Engagement und Hingabe. Mich freut, ermutigt das. Viele gehören zusammen und bilden ein Ganzes, man hält und trägt sich einander. Das könnte man nun auch so von jedem Team, jedem Verein sagen. Aber gibt es irgendeinen Verein, der schon über 3000 Jahre existiert? Haben wir uns noch nie gewundert, warum es Kirche immer noch gibt und geben wird? Denken wir an die äußeren Anfeindungen und Verfolgungen. Das 20. Jhd. war das Jahrhundert der schlimmsten Christenverfolgung. Millionen verloren auf Grund ihres Glaubens Hab, Gut und Leben. Bis heute leiden Millionen Christen auf unserer ach so modernen, toleranten Welt. Warum schrecken diese Menschen nicht zurück, warum kommen gerade in Not- und Verfolgungszeiten viele zum Glauben. Denken wir an die inneren Krisen der Kirche. Es ist ein Wunder, dass Kirche daran nicht zerbrochen ist. Zeiten, wo die Barmherzigkeit vergessen und das Schwert geschwungen wurde. Wo es nicht mehr um Christus, sondern um Macht und Einfluss ging, nicht um Demut, sondern um Positionen, wo die Kirche satt und schläfrig war, statt für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten. Die Krisenliste ist lang und länger. Aber bis heute lebt die Kirche. Wir gehören dazu. Ist es uns bewusst, dass wir damit Anteil an einem großen Geheimnis haben? Wenn wir dieses Geheimnis betrachten, spüren und bekommen wir etwas von der Trost- und Lichtkraft. Die Bibel selber betrachtet das Geheimnis der Kirche in Bildern. Drei haben wir heute schon in Texten gehört und gelesen. Da ist eine Herde – Psalm 23 – und ein Hirte, helle und dunkle Wege und ein Zuhause. Gott sorgt wie ein guter Hirte für seine Leute, unermüdlich überwindet er alle Hindernisse in und um die Herde. Das ist ein Teil des Geheimnisses: Gott sorgt. Mein Anteil daran heisst: Gott sorgt damit auch für mich. Das ist eine Mitteilung für den Glauben. Nun werde ich aufgefordert: Glaube! Wer einstimmt in diese Botschaft, der gleicht einem, der eingeladen, am Tisch vor viel Leckeren sitzt und jetzt endlich zulangt. –  In der Lesung hieß es: Gemeinde ist wie ein Leib. Ging es im 1. Bild um den Hirten und seinen Dienst für die Schafe, wird jetzt eine andere Seite des Geheimnisses beleuchtet: der Dienst füreinander. Jedes Körperteil gehört dazu, wird gebraucht. Jeder hat seinen Platz, seine Verantwortung,  Aufgabe und Schönheit. Der Organismus funktioniert nur, wenn eines dem andern dient. Das ist auch so eine Binsenweisheit. Aber es geht darum, dass in den Alltag umzusetzen: einander dienen, tragen. Ich glaube nicht, dass auch nur einer unter uns behaupten würde – das ist bei uns vollkommen, unsere Gemeinschaft ist nur so von Versöhnung und Liebe geprägt, jeder ist für den andern da. Dabei schauen wir gar nicht auf die weltweite Christenheit, wo man manchmal nur noch rufen will: nehmt euch doch nicht selbst so wichtig, sondern nehmt Gottes Willen wichtig. Wir schauen auf uns und erkennen: wir sind auf dem Weg, wir sind an der Arbeit, aber es sind noch so viele Lasten, die wollen bewegt und getragen sein, so viel Liebe will noch unter die Leute, so viel Vergebung und Versöhnung liegt in den Speichern Gottes und will verteilt werden, ganze Fässer und Container an Trost und guten Worten soll an die Traurigen verteilt werden. Auch diese Liste, die Liste der ungetanen Arbeit Gottes ist lang. Ein gesunder Körper ist nicht für die Hängematte geschaffen. Die Kirche ist der Arbeiter, der Wasserträger Gottes.  Gott geht es um Liebe und Leben. Dafür sollen die Christen auf dem Acker der Welt schwitzen. Betrachten wir das Geheimnis der Kirche, dann fragen wir: was hat sie, wovon lebt sie, diese Gemeinschaft durch die vielen Jahrhunderte? Und wieder erstaunlich: sie hat fast nichts. Aber dieses wenige hat eine ungeheure Kraft und Beständigkeit. Ein Buch, die Bibel, Gottes Wort. Bis heute haben diese Worte ihre Kraft nicht verloren. Sie retten, trösten, stärken Millionen Menschen jeder Generation. Auch wir leben von diesem einen Wort, so verschieden wir auch sind, dieses Wort ist für uns verbindlich, verbindet uns. Wir hören von der unermüd-lichen Liebe Gottes und ringen gemeinsam darum, diese Liebe zum Licht unsrer Herzen und Tat unsrer Hände werden zu lassen. Wir hören, dass wir durch Christus erlöst sind. Unsere Sünden sind durch seinen Tod am Kreuz beglichen. Dieses eine Wort ist der Grund unserer Hoffnung: Jesus. Wir hoffen, weil wir dieses eine Wort haben. Wir hören von der Auferstehung der Toten, hören Jesu Worte: ich lebe und ihr sollt auch leben.Und sind, umgeben von der Vergänglichkeit, voller Trost und Freude, Freude auf unsere wahre Heimat. Spürt ihr – wir betrachten nicht mehr das Geheimnis Kirche, sondern sind mitten drin. Jesus – unser Herr – ist mitten unter uns. Woher wir das wissen? Nicht aus uns, unserm Gefühl. Er hat es versprochen – und ER lügt nicht. Er ist selber die Wahrheit und sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Jesus erweist uns solche große Ehre, dass er unsere Gegenwart nicht verachtet, sondern sucht. Und niemand behaupte, dass er das verdient hätte. Es ist seine große Liebe. Und so ist er hier,  in unserem Miteinander, sieht unser Gelingen und den Zerbruch, unsere guten und schlechten Taten, sieht unser Ringen um Glaube, Liebe und Wertschätzung. Er sieht unsere Sorge und Angst, und Freunde und Zuversicht, unsere Trauer und Hoffnung. Und für alles hat er Gnade, Annahme, Vergebung. Jesus selbst ist das Zentrum des Geheimnisses, im Bild vom Körper: Christus ist das Haupt der Kirche. Deshalb schauen wir jetzt auf IHN, Christus, das Haupt, unser Haupt. Wir haben Anteil an ihm, gehören untrennbar zu ihm, öffnen uns für ihn, lassen uns stärken und inspirieren zur Liebe. Dann schauen wir auf die Kirche und unser Miteinander und knüpfen weiter an dem Netz der Verbindung, das Netz der Liebe, das uns hält und trägt und lassen uns in die Arbeit schicken mit dem Wort: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Amen.