Gottesdienst zum Erntedank – Oßling, am 11.09.2016
Was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ (1Tim 4, 4-5)
Liebe Gemeinde zum Erntedankfest! Zur rechten Zeit das Rechte tun. Am Tisch vor dem Essen wäre das – ein Tischgebet. Manche beten, andere nicht. Die Antwort auf das „Warum“ ist in beiden Fällen aufschluss-reich. Warum bete ich, warum bete ich nicht vor dem Essen? Brot und Butter, Bier und Brause stehen auf dem Tisch. Darum – sagt unser Predigttext – schick deinen Dank zum Himmel. Denn du kriechst ja nicht auf allen Vieren an den Trog, sondern tritts als Mensch auf zwei Beinen an deinen Tisch. Ein Tier weiß nichts von seinem Schöpfer. Aber du, dessen Hunger bald gestillt ist. Du weißt von dem Brot, was du nicht gebacken, von dem Korn, was du nicht hast wachsen lassen. Du hast nicht die Sonne über den Horizont gerufen, damit der Keim aus der Erde brach. Den Wolken hast du nicht geboten, sie sollen regnen, dass es wachse. Den Wind hast du nicht wehen lassen, dass es nicht verdarb. Auch hast du nicht gesorgt, dass Wärme, Wasser und Wind zur rechten Zeit im rechten Maß dem Korn Lebenskraft verliehen. Diese Kraft empfängst du im Brot. Sie wird deine Kraft. Willst du essen ohne Dank? Ohne Dank? Im Danken schaust du von deinem kleinen Tisch in die große Welt. Siehst vom Geschaffenen auf den Schöpfer. Erblickst durch die Gaben den Geber. Und dein Glaube beginnt zu ahnen: wenn Gott Brot für meinen Leib hat, dann bestimmt, ja ganz sicher, auch für meine Seele. So schaust du im Danken durch die sichtbaren auf die unsichtbaren Gaben. Im Brot siehst du die Liebe, die Freundlichkeit deines Schöpfers und wirst versichert: Gott macht mich satt. Er sorgt, er versorgt mich. Der Wein, funkelnd im Kerzenlicht, erinnert dich an die Lust des Lebens, die Freude, die Gott an dir hat. Und tief im Herzen weißt du: Gott wird mich immer lieben. Dankbarkeit setzt Wärme frei. – Paulus musste seine Gemeinde daran erinnern und schreibt: „Was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ Die Gaben werden geheiligt. Das heißt hier: sie kommen an ihren, für sie bestimmten Ort. Gaben sind Zeichen, sind Schöpfungen vom Schöpfer für das Geschöpf Mensch. Deshalb gehören sie in die Beziehung Gott – Mensch. Dazwischen. Als Zeichen. Der Mensch kann sich auch alles so nehmen, als wäre er der Schöpfer und Besitzer. Er muss nicht danken. Dann aber verflacht alles. Da werden aus Zeichen der Liebe blanke Konsumgüter. Der Respekt gegenüber der Schöpfung und den Mitgeschöpfen leidet oder geht verloren. Dankbarkeit setzt nicht nur die Gaben an die richtige Stelle, also zwischen Mensch und Gott. Sondern erzieht mich zu einer respektvollen Haltung gegenüber meiner Mitwelt. Einem Geschöpf gerade angemessen. Wenn 1000de Hühner in ihrem unglücklichen Hühnerleben in einem Käfig von der Größe eines DIN-A4-Blattes als Eiermaschine dahinvegetieren, ist das unmenschliche Profitgier. Wie lange ging das in Deutschland so, heute noch in vielen Ländern der Erde. Warum dies in einem Menschenherzen so wuchern konnte? Weil da kein Respekt mehr war. Warum kein Respekt mehr? Weil die Dankbarkeit keinen Raum mehr hatte. Wo einer nicht mehr dankt, gibt´s auch keinen Geber. Dann ist der Mensch selber der Bestimmer. Kann tun und lassen, wie sehr ihm´s auch schadet. Wo aus mangelnder Dankbarkeit das menschliche Herz verschimmelt ist, gibt es nur Schaden. Wie verroht und beschädigt muss eine Menschenseele sein, die ihren Mitmenschen chemisch verseuchte Lebensmittel und Gammelfleisch verkauft? Denken wir nur an die viehischen Viehtransporte. X Beispiele ließen sich aufführen, wo Menschen vergessen haben, dass auch sie Geschöpfe sind. Dass auch sie Verantwortung vor ihren Schöpfer haben. – Verantwortung ist antworten. Gott antworten nennt die Bibel danken. Dankbarkeit bedeutet somit auch: verantwortlich vor Gott leben. Solcher dankbarer Glaube hat die Klarheit kleiner Schritte. Glaube läuft, Schritt um Schritt. Ein solcher Schritt ist das Tischgebet. – Nun ging es Paulus nicht nur um das Tischgebet. Auch nicht allein um eine dankbare Lebenshaltung. Er musste damals Christen entgegentreten, die viele verunsicherten. Sie behaupteten: Leben ist Verzicht. Paulus setzte dagegen: Leben ist Dank. Natürlich kann der Mensch verzichten, fasten usw. Aber er hat damit nicht mehr Liebe von Gott. Seine Gegner meinten: man kann Gott nur durch eine bestimmte Lebensführung gefallen. Paulus hält dagegen: nein, Gott gefällt allein ein dankbarer Glaube an Christus. Ob uns dieser Konflikt heute noch berührt? Auf den ersten Blick nicht, wenn wir auf unser Leben schauen. Ich hoffe jedenfalls, dass wir uns nicht um Perfektion und Fassade abrackern. Ich hoffe, dass wir uns nicht etwas vorspielen. Sondern dass wir ringende und singende, suchende und findende Christen sind. Leute, die den dankbaren Glauben an Christus suchen und immer neu finden. Ich will glauben, dass ich in Christus meinem Schöpfer genüge, seine ganze Liebe habe. Aber warum ist das manchmal so schwer, wie ein Kind zu glauben. Schlicht zu vertrauen: Gott nimmt mich, wie ich bin? Weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben. Da geht´s um Leistung, nicht um Liebe. Dieser Leistungsmaßstab beeinflusst nicht nur unser Denken und Handeln, sondern auch unseren Glauben. Als Paulus unseren Text als seelsorgerlichen Brief an Timotheus schrieb, waren die damaligen Lebensvollzüge ähnlich, die römische Leistungsgesellschaft. Bei manchen damals vermischte sich Glaube an Jesus und eigene Leistungen. Sie begaben sich auf den Holzweg eigner Ideen und verkündigen: ja, aber; ja, aber – Jesus ja, aber dies und das noch dazu, sonst nimmt dich Gott nicht an. Sie predigten Speiseverbote und Ehelosigkeit. Gottes Gaben ablehnen und die oberflächliche Abwertung der Familie sind – sagt Paulus – nichts weiter als ein verächtlicher Verzicht und ein verächtlicher Gebrauch von Gottes Geschenken. Deshalb schärft er ein: „Was Gott geschaffen hat, ist gut und nichts ist verwerflich.“ Verächtlicher Verzicht und verächtlicher Gebrauch sind Umgangsgewohnheiten einer Leistungsgesellschaft. Der Glaube an Christus betrachtet sie kritisch und geht dazu auf Distanz. Wir erleben verächtlichen Verzicht nicht nur in der tonnenweisen Vernichtung von Lebensmitteln, den vielen, vor allen jugendlichen Arbeitslosen in der EU, auf die die Arbeitswelt zynisch verzichtet oder den Millionen Ungeborenen, die im Mutterleib getötet werden und nicht ins Leben dürfen. Wir erleben auch einen verächtlichen Gebrauch von Gottes Gaben im übermäßigen Luxus und der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichtes. Das sind einige unserer Probleme heute. Glaube stemmt sich dagegen, macht da nicht mit. Rudert dem Strudel entgegen. Und die Kraft des Glaubens erweist sich in der Dankbarkeit. Sie bewahrt uns, verächtlich mit Gottes Gaben umzugehen. Es ist Zeit, unser Herz zu öffnen: die Skepsis, Sorge und Unversöhnlichkeit und alle Dunkelheiten hinauszukehren wie alten Schmutz. Und der Dankbarkeit Raum schaffen. Einfach danken. Gott danken. Amen.