Festgottesdienst zu Weihnachten

Festgottesdienst zu Weihnachten

Joh 3, 31 – 36                                          1. Weihnachtsfeiertag – Oßling/Großgrabe, am 25.12.2018

Liebe Festgemeinde am 1. Weihnachtsfeiertag! Die Nacht war kalt und sternenklar. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen, als er sich auf den Heimweg machte … – Ich weiß nicht, ob heutzutage noch solche Weihnachtsgeschichten erzählt werden. Mir sind sie aus der Kindheit vertraut: Von Wanderungen durch die Weihnachtsnacht handeln manche, von zauberhaften Begegnungen, bedrohlichem Abirren, endlicher Heimkehr. In einer anderen wieder erscheint ein fremder Gast aus der Nacht, bringt ein Geheimnis ins Haus. Auch heute noch werden Weihnachtsgeschichten erzählt. Schaut nur mal auf das üppige Fernsehprogramm. Vom Morgen bis Mitternacht flimmert es über den Bildschirm. In den Filmen erfahren wir etwas über den Sinn, den das Fest heute zu entfalten vermag; über Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste, von denen Menschen erfüllt sind. Wir selber kennen biblische Weihnachtsgeschichten: Von Jesu Geburt über Elisabeth und Zacharias, den drei Weisen aus dem Morgenland bis hin zu Simeon und Hanna. Aber unsern Predigttext als Weihnachtsgeschichte zu lesen fällt schwer: „Der von oben kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat; und sein Zeugnis nimmt niemand an. Wer es aber annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. Denn der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte: denn Gott gibt den Geist ohne Maß. Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in die Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ Es ist, als hätte Johannes die Weihnachtskrippe weggeräumt und würde ernst fragen: Wisst ihr auch, warum ihr feiert? Was ist der Sinn? Besser wer? Wer ist die Mitte des Festes? Weihnachten ja – aber geht`s dann auch weiter? Er steht vor uns, als würde er den Christbaum abputzen und dabei brummeln: ich möchte, dass euer Glaube von der Weihnachtsromantik zur Weihnachtsrealität findet. Der Glaube soll sehen, was Weihnachten geschah und für ewig bedeutet: Gott wurde Mensch. Der Töpfer wurde Ton. So, ohne Drumherum, erzählt Johannes seine Weihnachtsgeschichte. Die Rollen im Stück sind verteilt: Der Vater sendet den Sohn, ausgerüstet mit seinem Wort, seinem Geist. Der Sohn kommt vom Himmel zur Erde und redet, was kein Mensch wissen kann: die Wahrheit über Gott und die Welt. Er stößt auf Ablehnung. Nur wenige nehmen ihn an. Johannes zeigt uns Vater und Sohn im liebevollen Gespräch. Der Allmächtige liefert sich dem Missverständnis, der Ablehnung aus. Dann die Scheidung und Sammlung: einige glauben. Schließlich die Erhöhung Jesu zum Herrscher über alles – hier so „der Vater hat ihm alles in die Hand gegeben.“– Ich fühle, dass spätestens hier viele abschalten. Es ist zuviel – die ganze Heilsgeschichte in sechs Sätzen. Wir wollen uns sammeln, d. h. energisch, aktiv, aufmerksam versuchen, Johannes zu verstehen. Lukas zeigt uns Maria, Joseph und das Neugeborene von außen, wie ein Bild, eben die Geschichte. Johannes beschreibt das Geheimnis dieses Kindes, sein warum, woher und wohin. Dazu zeichnet er Räume und Gegensätze: Oben ist – Himmel, Sohn, Vater, Wahrheit, Liebe, Leben. Unten ist Erde – Unglaube, Ungehorsam, Lebensverlust, Zorn. Beide Räume stehen zueinander wie Feuer und Wasser. Der Sohn, beginnt Johannes, ist „der andere“, der Fremdling, nicht von der Erde, sondern vom Himmel. Deshalb kann nur ergeben, was sonst kein Mensch geben kann: ewiges Leben. An dieser Stelle wird deutlich – Johannes predigt zu Christen, die Jesus nicht als einzigen, sondern als einen unter anderen glaubten. Nur Jesus gibt Ewigkeit, sagt er kompromisslos, sonst niemand. Spüren wir schon ein wenig die Vibration, die Erschütterung. Unsere tolerante Gesellschaft ist überhaupt nicht tolerant gegenüber diesem Anspruch: nur Jesus, der Sohn des Vaters gibt wahres Leben, Ewigkeit. Keine andere Religion, kein Wissen, keine Kunst, kein menschliches Gutsein. Wer Jesus glaubt, legt sein bisschen Leben in dieses göttliche Tongefäß, dass es in Jesus geborgen ist. Wer dieses Rettungsangebot ausschlägt, bleibt unter der Macht des Todes, dem Zorn Gottes: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“(V. 36) – Das Fest der Ruhe – sagt Johannes – ist in Wahrheit voller Bewegung. Da ist Bewegung im Himmel zwischen Vater und Sohn: der Vater übergibt alles dem Sohn, alle seine Liebe. Gibt ihm den Geist ohne Maß und sendet ihn. Da ist Bewegung zwischen Himmel und Erde: der Sohn kommt zu den Menschen, bringt Gottes Liebe, sein Wort. Der Himmel küsst die Erde. Und da ist auch Bewegung auf der Erde selbst: Tod und Sünde werden entmachtet. Gott kommt den Menschen nah wie nie. – Damit stellt sich uns eine fröhliche und sehr ernste Frage: Wie nah lasse ich Gott an mich heran? Wie weit geht mein Glaube? Was riskiert er? Sich ganz dem Sohn anvertrauen, mit Haut und Haaren hingeben, bezeichnet Paulus mit Sterben und sagt, was Glauben heißt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich. Christus lebt in mir.“(Gal. 2, 20) So, wie der Sohn dem Vater geglaubt hat und seine Herrlichkeit und sich selbst aufgab – so ruft uns dieses Wort zu solcher intimen Glaubenssuche. Sich aufgeben, um Nähe zu gewinnen, Nähe zu Jesus. – Wenn Menschen Freunde werden, also Nähe gewinnen, ist das Bewegung, Bewegung der Herzen. Nähe wagen – da sagt einer: komm her, ich will Leben teilen, Freuden, Ängste, Fragen. Da sagt einer: komm mit, wir bleiben Seit` an Seit`, teilen und tragen, was auf uns wartet. Wer Nähe sucht, kommt in Bewegung. Und Johannes spricht von Bewegung, Begegnung: Im Himmel, dazwischen und auf der Erde ist alles in Bewegung. Wie Feuer und Wasser begegnen sich Himmel und Erde, Gott und Mensch. Wenn Johannes zum Glauben an Jesus ruft, meint er Bewegung. Lass dich bewegen, dein Herz. Lass dich hineinnehmen in diese Bewegung. Die Bewegung oben, im Himmel, zwischen Vater und Sohn – was trägt diese Beziehung? Eine Dreifachbindung: Liebe, Wahrheit, Leben. Johannes schaut zuerst mit uns nach oben, bevor er zum Glauben ruft und sagt: Schaut auf diese bewegende Beziehung zwischen Vater und Sohn. Da ist Liebe -V. 35: „der Vater hat den Sohn lieb.“Da ist Wahrheit – V. 33: „Gott ist wahrhaftig.“Da ist wahres Leben – V. 36: „der Sohn hat das ewige Leben.“ – Das klingt alles so trocken. Woran mag das liegen? Ganz einfach: Stell dir vor, einer würde dir einen Packen Papier in die Hand drücken und begeistert sagen: das ist die wundervollste Musik aller Zeiten. Dann könntest du sagen: ich sehe nur Papier mit massenhaft Fliegendreck und höre keinen Ton. Da sagst du etwas Richtiges, aber nicht die Wahrheit. Bei Richtigkeiten bleibt man stehen, bewegt sich nicht, sondern beurteilt und ist fertig. Wer der Wahrheit begegnen will, muss sich bewegen. Hier, sagt der Notenträger, sind zwei Konzertkarten. Morgen wirst du die Wahrheit hören. Beweg dich! Und wir? Wenn uns gesagt wird, im Himmel findet das wundervollste Konzert statt? Ein Jubel voller Wahrheit, Liebe und Leben. Nehmen wir unsere Richtigkeiten, die wir Erfahrungen oder anders nennen, und verkünden mit steifem, stolzem Nacken: „seh nix, hör nix – also gibt`s da nix.“ Oder verstehen wir Johannes` Ruf zum Glauben als Einladung zum Konzert der Liebe mit dem Jubel des Lebens und den mitreißenden Klängen der Wahrheit? Diese Musik bringt Himmel und Erde in Bewegung. Jesus brachte die Noten auf die Erde: Kommt, rief er, singt und spielt mit im Orchester. Davon redet Johannes, wenn er schreibt: „Der vom Himmel kommt, der ist über allen, und bezeugt, was er gesehen und gehört hat.“ Ernüchtert stellt er dann aber fest: „Und sein Zeugnis nimmt niemand an.“ Seh nix, hör nix – also ist da nix. Glaube an den eignen Ameisenhorizont. Erstarrter Glaube. Diese Ablehnung Jesu geht durch alle Zeiten und klingt in Varianten so: Guter Mann, du mußt uns nicht belehren. Wir wissen selber, was Liebe, Wahrheit und Leben ist. –Wenn Glauben bedeutet, nicht das Notenpapier kopfschüttelnd anstarren, sondern die Eintrittskarte dankend annehmen und sich in Schale werfen, dann heißt das: ich lege meineVorstellungen von Liebe, Wahrheit und Leben ab, und nehme an, was Jesus mir bezeugt.Das Zeugnis Jesu (V. 32) lautet: Was Liebe heißt, ist ablesbar aus der Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn. Aus dieser Beziehung entspringt wahres Leben. Und Wahrheit – das ist die Rede, das Zeugnis von dieser Liebe und diesem Leben. Nichts anderes. Schlichter gesagt: nur Jesus gibt dir wahre Liebe, bleibendes, ewiges Leben und lenkt dein Herz, deinen Sinn und deine Zunge zur lebendigen Wahrheit.Mit Jesus bist du im Konzert des Lebens. Mit ihm kommt dein Leben zur Erfüllung, erreicht es seine Bestimmung: du sollst Musik sein im Jubel aller Geschöpfe.Im Lob Gottes kommt die Wahrheit zum Klingen. Im Jubel erwacht das Geschöpf zum Leben. In dieser Musik, vom Vater und vom Sohn geschrieben, findet die Vielfalt zur Einheit; darf jeder er selbst sein und doch vollkommen gemeinsam.Liebe – heißt dieses Konzert.Leben – heißt dieses Fest und die Wahrheit ist: du bist willkommen. Amen.