Festhalten, Bewährungsprobe!

Festhalten, Bewährungsprobe!

Hallo,

eigentlich hätte Pfarrer Nicolaus heute hier stehen sollen. Aber der hat mich am Donnerstag angerufen und gesagt, dass er krank sei und mich gefragt, ob ich nicht heute die Predigt halten könnte. Als ich dann gesehen habe, dass planmäßig ein Text aus der Offenbarung dran ist, hab ich erst gedacht: „Auf gar keinen Fall predige ich spontan über einen Text aus der Offenbarung.“ Für mich ist das Buch der Offenbarung das unverständlichste Buch im Neuen Testament. Und ich gebe zu, ich hab da wirklich etwas Respekt vor, diese Texte zu deuten. Aber dann hab ich mir den Abschnitt einfach mal durchgelesen und irgendwie hat er mich dann so angesprochen, dass ich gedacht habe: „Warum eigentlich nicht?“ Na klar, ich werde in der kurzen Zeit sicher nicht alle historischen und geistlichen Zusammenhänge dieses Abschnitts erfassen. Aber vielleicht ist es auch gar nicht verkehrt, diesen Text einfach mal für sich stehen zu lassen und so weit zu betrachten, wie es mir eben möglich ist. Und deswegen steigen wir auch direkt ein:

7 »Schreibe an den Engel der Gemeinde in Philadelphia: Der, der heilig ist, dessen Wort wahr ist und der den Schlüssel Davids hat – wenn er aufschließt, kann niemand zuschließen, und wenn er zuschließt, kann niemand aufschließen –, der lässt der Gemeinde sagen: 8 Ich weiß, wie du lebst und was du tust: Du hast nur wenig Kraft, aber du hast dich nach meinem Wort gerichtet und dich unerschrocken zu meinem Namen bekannt.Darum habe ich eine Tür vor dir geöffnet, die niemand zuschließen kann. 9 Ich werde sogar dafür sorgen, dass Leute aus der Synagoge des Satans zu dir kommen und sich vor dir niederwerfen – Leute, die lügen, indem sie sich Juden nennen, obwohl sie gar keine wahren Juden sind. Sie sollen erkennen, wie sehr ich dich liebe. 10 Weil du dich an meine Aufforderung gehalten hast, standhaft zu bleiben,werde auch ich zu dir halten und dich bewahren, wenn die große Versuchung über die Welt hereinbricht, jene Zeit, in der die ganze Menschheit den Mächten der Verführung ausgesetzt sein wird. 11 Ich komme bald.Halte fest, was du hast! Lass dich von niemand um deinen Siegeskranz bringen! 12 Den, der siegreich aus dem Kampf hervorgeht, werde ich zu einem Pfeiler im Tempel meines Gottes machen, und er wird seinen Platz für immer behalten. Und auf seine Stirn werde ich den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalems, das von ihm aus dem Himmel herabkommen wird, und meinen eigenen neuen Namen. 13 Wer bereit ist zu hören, achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!«(Offb.3,7-13; NGÜ)

Zugegeben, da ist jede Menge Stoff dabei, der einen erst mal überfordern kann. Lassen wir das erst mal so stehen und kommen später darauf zurück.

Was mich beim ersten Lesen sehr angesprochen hat, war der Abschnitt: „Ich weiß, wie du lebst und was du tust. Du hast nur wenig Kraft, aber du hast dich nach meinem Wort gerichtet und dich unerschrocken zu meinem Namen bekannt.“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich immer nach Gottes Wort gerichtet und mich unerschrocken zu seinem Namen bekannt habe. Nein, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass ich das nicht immer getan habe. Aber zumindest haben diese Worte in mir nachgeklungen, weil das eigentlich mein Wunsch ist: Ich wünsche mir, dass das über meinem Leben stehen kann.

Wo ich mich aber auf jeden Fall wieder gefunden habe, war die Aussage mit der kleinen Kraft. Gerade in der letzten Woche konnte ich mich damit sehr identifizieren. Am Dienstag hab ich die Nachricht bekommen, dass die Person, die am Freitag eigentlich im Input, also bei uns in der Jugend, das Thema halten sollte, krank geworden ist. Und natürlich hatte ich keinen Ersatz. Am Tag drauf schreibt mir der Techniker, der die Technik für denselben Abend gemacht hätte, dass auch er krank ist und nicht kommen kann. Dann sagt mit am Donnerstag Pfarrer Nicolaus für diesen Gottesdienst ab. Da hab ich mich wirklich sehr klein mit meiner Kraft gefühlt.

Keine Ahnung, wie es dir gerade mit deiner Kraft geht. Ich glaube, dass viele von uns sich in der letzten Zeit mit ihrer Kraft ziemlich klein fühlen. Fragen, wie: „Was kann ich in dem ganzen Chaos um mich herum denn eigentlich bewirken?“ Wir sind in den letzten 21 Monaten ja kontinuierlich auf eine gewisse Ohnmacht konditioniert worden.

Doch dann steht da diese Aussage: „Ich weiß, wie du lebst und was du tust.“ Das heißt, da ist ein Gott, der weiß darum, wie es mir geht, wie und warum ich so lebe, wie ich lebe und der das sieht, was ich tue. Er sieht nicht nur das Wie, sondern auch das Warum. Nicht nur das Ob, sondern auch das Wozu. Und das hat mich berührt. Und vielleicht ist das ja auch tröstlich für dich.

Jetzt aber mal zurück zum Text: Geht es hier überhaupt darum? Geht es hier um mich? Ganz klar: Nein. Dieser Text ist nicht an mich geschrieben. Er ist nicht mal an eine einzelne Person geschrieben, sondern an den Engel, bzw. die Gemeinde in Philadelphia. Womit nicht das Philadelphia in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern das Philadelphia im Westen der heutigen Türkei gemeint ist. Heute befindet sich an dieser Stelle die Stadt Aleşehir. Darf man dann diesen einen Gedanken aus diesem Text überhaupt so isoliert von den anderen auf sich beziehen? Ich denke: Ja. Das darf man. Und mir tut es gut, immer wieder die Bibel zu lesen und irgendwie zu spüren: Hier spricht Gott gerade ganz persönlich zu mir, auch wenn ich nicht der ursprüngliche Adressat bin.

Im Übrigen, wer der Adressat in diesem Abschnitt ist, ist trotz der geografischen Angabe gar nicht unbedingt klar. Ja, es gab diese Stadt im Westen Kleinasiens. Aber im Buch der Offenbarung wird so viel mit Symboliken und Bildern gearbeitet, dass ich mir zumindest nie ganz sicher bin, was jetzt eigentlich gerade gemeint ist. Und viele Theologen scheinen das ganz ähnlich zu sehen.

Vielleicht ein bisschen zum Kontext: Das Buch der Offenbarung beginnt damit, dass Johannes, der Autor dieses Buches, eine Erscheinung hat. Und er sieht Jesus. Nicht den Mensch Jesus, sondern den Jesus in seiner Herrlichkeit im Himmel. Und dieser Jesus gibt den Auftrag, an sieben Gemeinden Briefe zu schreiben.

In diesen Briefen sagt Jesus jeder Gemeinde, wie er sie sieht. Er sagt, was er an ihnen lobt und was er kritisiert. Und immer geht es um Herausforderungen, also Bewährungsproben, durch die die Gemeinden zu gehen haben. Und erstaunlicher Weise bekommen die Gemeinden, die gerade durch vermeintlich schwere Zeiten gehen, die verfolgt werden, die arm oder schwach sind, ein positives Zeugnis ausgestellt, während die Gemeinden, denen es scheinbar gut zu gehen scheint, die ihren Laden gewuppt kriegen, neben manchem Lob doch so einiges an Kritik einzustecken haben.

Einige Kommentatoren der Bibel deuten diese Briefe aus der Offenbarung als Botschaften an die gesamte christliche Gemeinde durch die Kirchengeschichte hindurch. Jede Gemeinde repräsentiere demnach eine Epoche der Kirchengeschichte. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Zumindest sind diese Ausleger der Meinung, dass wir die Zeit der Philadelphia-Gemeinde schon hinter uns gelassen haben.

Aber selbst wenn das stimmt, dann wäre dieser Text eben so zu lesen, wie wir auch prophetische Texte aus dem Alten Testament lesen. Dann sind wir eben nicht die direkten Adressaten. Aber wir können darin trotzdem erkennen, wie Jesus ist und was er tut, was ihm gefällt, was ihm nicht gefällt, was er den Menschen zu sagen hat und welche Zusagen er ihnen macht.

Wir können erstmal festhalten: Jesus weiß genau, was gerade abgeht. Nicht nur der Gemeinde in Philadelphia sagt er nämlich, dass er genau sieht, wie es ihnen geht, wie sie leben und was sie tun. Und ich bin mir sicher, das gilt auch für Großgrabe.

Der Gemeinde in Philadelphia sagt er darüber hinaus explizit, dass er ihnen eine Türe geöffnet hat, die niemand zuschließen kann außer er selbst. Eine geöffnete Tür ist im Neuen Testament ein Bild für Möglichkeiten, die Botschaft von Jesus weiterzugeben. Das ist der zentrale Auftrag der Gemeinde überhaupt. Jesus hat diesen Auftrag erteilt. Die Gemeinde führt ihn aus. Aber Jesus selbst öffnet die Tür dafür. Niemand sonst. Und noch krasser: Es kann auch niemand anders als er diese Tür wieder schließen.

Das heißt: Wir können unseren Auftrag als Gemeinde nur erfüllen, wenn Jesus uns dazu Möglichkeiten eröffnet. Und wenn er Möglichkeiten dafür auftut, kann nichts diese Botschaft aufhalten.

Das ist das, was Jesus tut.

Was lobt Jesus an dieser Gemeinde? Ich hab drei Dinge gefunden: Erstens, sie hat sich nach seinem Wort gerichtet. Zweitens, sie hat sich unerschrocken zu seinem Namen bekannt und drittens, sie hat sich an die Aufforderung von Jesus gehalten, standhaft zu bleiben. Das klingt toll. Aber was bedeutet das?

Ich bin an diesem zweiten Punkt hängen geblieben: Was heißt es sich unerschrocken zu dem Namen von Jesus zu bekennen? Was heißt das für uns in dieser Zeit? Und weil heute der zweite Advent ist, und wir ohnehin auf Jesus sehen, möchte ich uns heute mal den Namen von Jesus neu vor Augen malen:

Zunächste mal „Jesus“, das ist eigentlich hebräisch: Jeshua, und bedeutet „Retter“. Retter von was? Ich glaube je mehr ich ihn kenne: Retter ganz egal in welchem Zusammenhang. Retter von unserer eigenen gedanklichen Abwärtsspirale. Retter von der Person, die wir nicht mehr sein möchten. Retter von Angst, Tod und unserer Trennung von Gott. Und ja, auch Retter von Corona und seinen Begleiterscheinungen. Wenn wir uns auch hier zum Namen von Jesus bekennen, dann setzen wir unsere Hoffnung zu allererst auf Jesus, nicht auf Ärzte, Virologen, Politiker, Impfungen oder sonst irgendwas. Nicht dass Jesus nicht auch durch all das wirken kann. Aber der Retter, der über all dem steht, ist und bleibt Jesus.

Und wozu fordert Jesus die Gemeinde in Philadelphia auf? Er sagt: „Halte fest, was du hast! Lass dich von niemand um deinen Siegeskranz bringen!“ Das, was Jesus an der Gemeinde lobt, ist gleichzeitig das, was stark umkämpft ist: Und das Bild von dem Siegeskranz, was hier gebraucht wird, ist schon fast witzig. Denn den Siegeskranz hat ein Sportler ja erst nach seinem Wettkampf bekommen, wenn er siegreich war. So wie man heute Medaillen oder Pokale gewinnt. So etwas kannst du nach dem Wettkampf eigentlich nicht mehr verlieren, denn die Leistung ist bereits erbracht.

Aber sind wir mal ehrlich: Der Wettkampf ist noch nicht vorbei. Gerade ist es sogar richtig anstrengend. Wie kann Jesus da sagen, dass die Gemeinde den Siegeskranz festhalten soll? Häufig fühlen wir uns auch überhaupt nicht wie die Gewinner. Genauso wenig wie die Gemeinde in Philadelphia mit ihrer kleinen Kraft. Und trotzdem sagt Jesus: Hey, du bist dabei, das Rennen zu gewinnen, weil du dich auf mich verlässt. Und auch wenn es gerade nicht so aussieht: Ich und ich allein bin der Retter! Und deshalb ist der Siegeskranz denen sicher, die sich auf mich verlassen. Also, halt dich daran fest!

Und dann stellt er der Gemeinde in Aussicht, was sie erwarten wird.

Als erstes sagt er, dass Jünger aus der Synagoge des Satans kommen werden, sich vor der Gemeinde niederwerfen und anerkennen müssen, dass Jesus diese Gemeinde liebt. Das klingt erst mal ziemlich obskur. Ich weiß nicht, ob es sich hier um Satanisten handelt, die in dieser Gemeinde zum Glauben kommen werden. Aber der Begriff „Satan“ hat zunächst mal die Bedeutung „Ankläger“. Das ist also der, der alles und jeden madig und schlecht macht. Ich spreche nicht von sachlicher Kritik und prophetischem Reden, sondern von den Stimmen um uns, die keine Substanz haben und doch verachtend und urteilend auf die Gemeinde einprasseln. Und Jesus sagt hier: Diese Stimmen werden verstummen und anerkennen müssen, dass Jesus sich zu dieser Gemeinde stellt. 

Das zweite, was geschehen wird: Gott wird diese Gemeinde bewahren vor einer Zeit großer Versuchungen. Es steht nicht da, dass diese Gemeinde von dieser Zeit vollkommen verschont bleibt. Aber die Zusage ist da: Jesus wird sie bewahren. Auch hier wird sich das bewahrheiten, was diese Gemeinde mit aller Kraft festhält: Jesus ist der Retter.

Und das dritte, was angekündigt wird und was diesen Text zu einem adventlichen Text macht, ist die Zusage: Jesus kommt bald. Diese spannungsgeladene Zeit, die diese Gemeinde mit ihrer kleinen Kraft aufzehrt, ist nicht das Ende. Jesus kommt.

Oh, das wünsche ich mir in letzter Zeit sehr. Wir stecken mitten drin in einer Zeit großer Versuchungen, in einer richtigen Bewährungsprobe. Und das Festhalten an unserer Hoffnung fällt manchmal sehr schwer.

Aber das Wunderbare ist: Viertens, Wenn Jesus kommt, dann ist nicht einfach alles vorbei. Sondern er wird all denen, die den Siegeskranz festgehalten haben, die sich in ihrer kleinen Kraft ganz auf Jesus verlassen haben, zu Pfeilern in seinem Tempel machen. Auch das ist wieder ein Bild. Denn in Gottes Ewigkeit wird es keinen physischen Tempel geben. Aber das Bild von dem Pfeiler bedeutet: Die, die am Anfang der Bewährungsprobe mit einer kleinen Kraft gestartet sind. Die, die in dieser Zeit keine großen Kräfte ausgehalten haben, aber dennoch nicht von Jesus und dem was er gesagt hat, abgewichen sind. Die werden am Ende tragende Säulen geworden sind. Menschen, die deshalb zurecht den Namen dessen tragen, zu dem sie sich bekannt haben.

Das sagt Jesus zu der Gemeinde in Philadelphia. Eine Gemeinde, von der wir sicher viel lernen können. Und uns gilt auf jeden Fall der letzte Satz des Abschnitts: Dass wir gut zuhören sollen, was Jesus den Gemeinden zu sagen hat. Denn, dass er kommt, steht außer Frage. Das sollen wir auch in unserer Bewährungsprobe festhalten:

Jesus, der Retter ist da.

Amen.

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