Für mich beten lassen – für andere beten.

Für mich beten lassen – für andere beten.

Lk 22, 31-34                                              Invokavit – Großgrabe/Oßling, am 10.03.2019

„Jesus sprach zu Petrus: Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dich dereinst bekehrst, so stärke deine Brüder. Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“ 

Liebe Gemeinde! Das Gespräch mit diesem Mann ist mir noch einige Zeit nachgegangen. Er war mir gleich sympathisch. Bei der Verabschiedung sagte er: „Beten Sie für mich!“ Es war ein trüber Nachmittag, als ich mich auf den Weg ins Krankenhaus gemacht habe. Das Gespräch mit ihm ergab sich zufällig unten im Foyer. Der Mann freute sich über den Kontakt mit mir. Ich war ihm willkommen. Er erzählte, obwohl wir uns noch nie begegnet waren. Von seinem Leben, vor allem von dem, was ihn belastet, ihm im Magen liegt. Sein Sohn starb bei einem Verkehrsunfall. Die Ehe hat diesem Unglück nicht standgehalten. Noch immer macht sich der Mann schwere Vorwürfe, obwohl der Unfall Jahre zurückliegt. „Ich hoffe“, meint er, „dass ich irgendwann drüber wegkomme. Ich möchte endlich unbelastet leben können.“ Schließlich kommt unser Gespräch an sein Ende, und der Mann legt mir seine Bitte ans Herz: „Beten Sie für mich. Es hilft mir, wenn es ein anderer für mich tut.“ -Beten Sie für mich! Das ist eine Aufforderung und Erwartung zugleich. Sie wird ausgesprochen in der Hoffnung, dass ich, durch die Fürbitte des anderen, zu neuem Leben finde. Der Mann ringt schon seit längerem mit sich, seinem schmerzhaften Weg. Deswegen weiß er immer deutlicher, dass er es allein nicht schaffen wird. Er braucht das Gebet eines anderen für sich. – „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Das ist eine Fürbitte Jesu. Er spricht dieses Wort zu Petrus, kurz vor dem Passahfest. Sie haben gerade das Abendmahl gehalten. Jetzt diskutieren sie lebhaft: Wer ist der Wichtigste unter ihnen. Sie geraten aneinander und sind mitten im Streit. Gerade haben sie miteinander gegessen und getrunken und einander vergewissert. Nun dieser Zank. Sie sind aufgebracht. Jesus greift ein. Er hat seinen nahen Tod vor Augen. Nicht mehr lange, dann wird die Jünger Angst und Verzweiflung überwältigen. Was bald auf sie einstürmen wird, braucht einen belastbaren Glauben. In besonderer Weise gilt das für Petrus. Wie schnell lässt er sich begeistern, ist Feuer und Flamme. Aber genauso schwer fällt es ihm, bei der Sache zu bleiben; standhalten, wenn ein langer Atem gebraucht wird. Deshalb spricht Jesusihnan:„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“  Petrus ist gekränkt. Er weiß noch zu wenig von sich selber. Er kennt sich mit sich selber noch nicht so gut aus. Er kann Jesu Fürbitte nicht annehmen. Empört baut er sich vor Jesus und den andern auf: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Doch Jesus weist ihn in die Schranken: Vorsicht, nimm den Mund nicht zu voll. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es schwer, im Glauben an den barmherzigen Gott zu bleiben und ihm zu vertrauen. Jesu kampflose Ergebung in sein Leiden wird Petrus den Teppich unter den Füßen wegziehen. Das Kreuz Jesu wird ihn bis ins Innerste anfechten. Die Erfahrung des Mannes, von dem ich anfangs erzählte, die steht für ihn noch aus. Bisher glaubt er, ohne Fürbitte auszukommen. Die Einsicht, nicht alles allein zu können, die muss er noch machen. Stunden später muss Petrus seine Schwachheit durchleben. Seine großen Worte zerschellen an den Fragen einer Magd. Jesus sagt ihm voraus, dass sein Bekenntnis nicht halten wird: „Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“ Was wäre geworden, wenn Petrus nicht sich selbst, sondern den Worten Jesu geglaubt hätte? Aber er will seinen Schatten nicht sehen. Seine Schwachheit. Und wird so von ihr hinterrücks überrascht. Deshalb fehlt ihm der Mut. – Ich höre in Jesu Worten eine tröstliche Zusage: Ich für dich!„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Petrus wird weder zur Treue ermahnt, noch zum Glauben aufgefordert. Jesus sagt nur schlicht: Ich bin der Garant deines Glaubens. Wenn dein Glaube versagt, bin ich dein Lückenbüßer. Ich für dich. Ich bete für dich. Manchmal müssen andere für uns glauben. Stellvertretender Glaube zeigt sich in der Fürbitte. Jeder braucht Fürbitte. Braucht Menschen, die unseren bewusstlosen Glauben tragen und aus dem Koma beten. Und wenn keiner für mich betet? Einer wird´s immer tun: Jesus. Unser Herr betet allezeit für uns. Er ist nicht nur der, an den wir glauben. Sondern er trägt auch unseren Glauben. Jesus richtet diese frohe Botschaft hier zwar an Petrus, aber seine Zusage gilt für die ganze Kirche: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Wie Petrus für die ganze Kirche steht und sie prophetisch abbildet, so ist auch Jesu Wort an diesen einen – ein Wort an alle. Petrus glaubte, ohne Fürbitte auszukommen. Deshalb muss er unvorbereitet durch Trauer und Entsetzen. Als der Hahn den Morgen weckt, hat er einen Blick in den Abgrund seiner Seele getan. Tränen der Reue und Ratlosigkeit springen ihm aus den Augen. Jetzt erst weiß er wirklich nicht mehr, wie es weitergeht. In seiner  Beschämung meint er, Gott sei ihm fern. Aber gerade in seinen Tränen, seiner Reue ist ihm Gott näher als zuvor. – In unserer Schwachheit ist uns Gott nahe. Damit Gott uns nahe kommen kann, erleben wir nicht nur Stunden großer Schwachheit. Nein, Gott belässt uns auch in unserer Schwachheit. Sie ist Gottes Schlupfloch zu unserem Herzen. Schwäche schafft Nähe. Schwäche im Glauben schafft Nähe zu Gott. Wo wir unsere Schwachheit auch im Glauben erkennen, nehmen wir Fürbitte  an, lassen uns tragen. Durch Schwachheit ist Gemeinschaft lebendig, nicht nur durch Stärke. Jesu schwächste Stunde war seine stärkste. Auf Golgatha, in dieser Stunde, wurde der Sieg errungen. – Petrus verarbeitet sein Scheitern. Er fängt neu an mit sich und seinem Leben. Er lernt, Hilfen anzunehmen. Jesu Bitte stärkt seinen Glauben. Von dieser Stärke gibt er fortan weiter. Schwach sein und stark sein gehört zusammen. Das Neue entsteht aus dem, was im Alten nicht gelungen ist. Ich lerne, mich tragen zu lassen, andere zu tragen. Für mich beten lassen – für andere beten. Amen.

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