Wer wagt, gewinnt!

Wer wagt, gewinnt!

Lk 18, 1 – 8                                Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres – Großgrabe/Oßling, am 10.11.2019

Jesus sagte seinen Jüngern ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meine Widersacher! Und er wollte lange nicht.  Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon nicht vor Gott fürchte noch vor keinem Menschen scheue, so will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er´s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“       

Liebe Gemeinde! Wer wagt, gewinnt! Die rechtlose Witwe hatte es gewagt, den harten Mann immer wieder zu bedrängen – und hat ihr Recht endlich doch bekommen. Wer die Worte Jesu ernst nimmt, den muss dieses Gleichnis bewegen – vor allem, warum es Jesus erzählt. Zuerst ist da Betroffenheit, weil Jesus einen Mangel an Gebet benennt: „Jesus sagte seinen Jüngern ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten.“ Habt ihr noch nie ein schlechtes Gewissen gehabt, was euer Gebet betrifft? Ich habe nicht selten damit zu ringen. Mich haben Sätze geprägt, wie: nur den Betern wird’s gelingen; bete so, als ob alle Arbeit nichts nützt; erst ora und dann labora; bittet, so wird euch gegeben … und heute diese dringliche Mahnung unsres Herrn: allezeit beten und nicht nachlassen. Es lässt sich nicht von der Hand weisen. Das Gebet benennt Jesus als unaufgebbar. Man muss beten, damit Gottes Wille geschieht. Etwa, wie man arbeiten muss, um seinen Unterhalt zu verdienen; seine Wohnung renovieren muss, damit man ein freundliches Zuhause hat. Ich rede, und dabei betrachten wir die Gesetzlichkeit des Gebets – es muss gebetet werden. Was hindert uns am Beten? Sind es die Widerstände innen oder außen, in mir oder um mich? Jetzt liegt vor uns Jesu Aufruf zum Gebet. Sein Gleichnis ist eingeklammert. Es beginnt mit einer Forderung: Gebet ist eine Bringeschuld, eben so: betet und lasst nicht nach. Es endet mit der Feststellung: die Gemeinde betet, hier so: „Sollte Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen!“ Jesus beginnt: es muss gebetet werden. Er schließt mit: es wird gebetet Tag und Nacht. Ich lese: Er sagt nicht – wenn sie Tag und Nacht zu ihm rufen -, er stellt fest: sie tun´s, sie rufen Tag und Nacht zu ihm. Viele beten. Der Leib Christi, die Gemeinde, die Kirche betet. Wenn hier die Sonne sinkt, wir müde die Augen schließen, beten Menschen auf Hawaii, in Mexiko und auf den Philippinen. Ich bin eine Stimme im Leib Christi. Bin ich schwach, wird meine Schwachheit mitgetragen; bin ich stark, trage ich andere. Immer wird gebetet, sagt Jesus. Das entbindet mich zwar nicht von meinem Gebet, lässt mich aber zuversichtlich bleiben in Zeiten der Müdigkeit. Immer wird gebetet – das meint aber noch Tieferes. Jesus erinnert nicht allein an unsere Gebetstat, an unser Loben, Preisen, Rufen, Ringen. Jesus weist auf das Wirken des Heiligen Geistes. Der heilige Geist, unser Tröster und Fürsprecher, macht unser ganzes Leben zu einem einzigen Gebet. Paulus erinnert daran: „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, und wie sich`s gebührt, sondern der Geist selbst vertritt uns aufs Beste mit unaussprechlichem Seufzen.“ (Röm. 8, 26) Wo ein Mensch den heiligen Geist empfangen hat – sie nennt Jesus „Auserwählte“ – da betet Gottes Geist nicht nur ab und zu, sondern allezeit. Da wird alles vor Gott in Gebet verwandelt. Durch die Kraft des Heiligen Geistes wird mein ganzes Leben zum Gebet. Jeder Traum, jeder Schrei aus der Tiefe, jeder Seufzer der keine Worte hat, jede Angst des Herzens, alles Unhörbare und Unbegreifliche, alles, was mich freut und betrübt, alle Sorge und Sünde. Alles breitet Gottes Geist aus vor dem Vater im Himmel. Von daher ist es einsichtig, dass wir beten müssen. Klar, denn Gottes Geist will mich mitnehmen, hineinziehen in seine Liebesarbeit, beteiligen an seinen Plänen und Vorhaben. Er sagt – sorge nicht, ich bete für dich, aber – komm und bete mit mir, lerne, vor deinen Schöpfer zu treten, lass dir meine Freude aufs Herz legen, nimm Anteil an meinem Schmerz, lass dich beflügeln von dem wunderbaren Plan Gottes mit seinen Kindern. Ja, unser ganzes Leben ist Gebet. So zuversichtlich sollte unser Glaube zumindest sein. Verstehen wir Jesu Worte nur als Mutmachen zum geduldigen Beten, dann ist das zwar richtig, aber nicht erschöpfend. Das Beste bliebe außen vor: die unergründliche Liebe Gottes. Jesus hätte es doch sonst bei der Mahnung zum Gebet belassen können. Aber er muss von der unbegreiflichen Menschenliebe seines Vaters erzählen. Deshalb dieses Gleichnis. Gott wird mit einem Richter verglichen. Sollte Gott so hart und willkürlich sein? Dieser Mann wird als zynisch beschrieben, mit allen Wassern gewaschen. Der bemüht sich nicht mal um den äußeren Augenschein von Gerechtigkeit. Und Rechtsbeugung ist für ihn ein Klacks – ein Machtmensch. Der arbeitet mit Angst. Warum sollten solche Gedanken nicht kommen, es liegt sogar nahe. Vor mir sehe ich Geschichten aus dem Alten Testament: da straft Gott sein Volk, viele sterben in der Wüste, weil sie ungehorsam sind, da ist die Erzählung der Sintflut, die Zerstörung des Tempels, Gefangenschaft der Israeliten; da steht vor mir der Weg dieses kleinen, geplagten Volkes, durch Leid und Finsternis, Progrome und Verfolgungen. Ich höre, wie Menschen heute über Gott urteilen, dass ihm ja doch alles egal ist, sonst wäre Frieden und Brot, und Kinder würden nicht als Soldaten schießen müssen oder an Krebs sterben. Jesus beschreibt den Richter und sagt: „Seht, so denken Menschen von ihrem Schöpfer: er wäre ein Machthaber, der nur an sich denkt.“ Dieses Urteil über sich lässt Gott zu.  Dieses Missverständnis ist möglich. Jesus greift es auf und sagt: „Gut, dann nehmen wir mal an, Gott ist wie dieser eiserne Richter.“ Jetzt kommt der zweite provozierende Vergleich. Da ist eine bittstellerische alte Witwe. Und es ist schon ein bisschen irre, wie sie dem Herrn Oberrichter in den Ohren liegt, in einer Art krankhaftem Wiederholungszwang. Ist Gott der harte Mann, sagt Jesus,  ist die Gemeinde, ihm ggü., wie eine rechtlose arme Frau. Wieder geschieht etwas Verrücktes. Richter Gnadenlos bekommt Angst. Den nervt das nicht nur, er schlottert und denkt bei sich: diese Furie wird mir nachschreien oder ins Gesicht schlagen, die wird nicht aufhören zu keifen und zu zetern. Die Macht geht vor der Ohnmacht in die Knie. Und so kann das Recht seinen Lauf nehmen. Ist das nicht komisch, ja lächerlich, dass dieser sonst Unerbittliche vor einer alten, rechtlosen Frau einknickt? Und wir – sagt Jesus – sollen von dieser fürchterlichen und jetzt lächerlichen Richterfigur auf Gott schließen. Ist dieser Vergleich nicht entwürdigend für Gott? Gott ist doch nicht hart, gleichgültig und ungerecht. Oder? Doch, sagt Jesus, da Gott sich in die Konflikte der Menschen begibt. Er lässt sich in die Härte, Ungerechtigkeit, den Zynismus und die Gleichgültigkeit der Menschen verwickeln, verheddert sich darin. Am Ende nimmt er all` das auf sich, die Härte und Ungerechtigkeit. Am Ende wird Gott zum Sünder, weil er unsere Sünde nimmt und trägt, uns so richtet, d. h. zurechtbringt. Dass sich einer so einsetzt, hingibt, sogar sein Leben – dazu ist nur Liebe fähig. Davon redet Jesus, wenn er sagt: Wird Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten? Und im Blick auf seinen Tod am Kreuz, der kurz bevorsteht, bekräftigt er: „Ich sage euch, er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.“ Ob wir genauso wenig verstehen, wie die Jünger damals, die es nicht begreifen wollten, dass Jesus durch sein Leiden und Sterben alles zurechtbringt, dass seine Hingabe den Himmel öffnet. Aus Liebe kam Gott in Jesus zur Welt. Aus Liebe stellte er sich zu den Verachteten. Aus Liebe aß er mit den Sündern. Aus Liebe zu uns Menschen nahm er unser Kreuz auf sich. Aus Liebe ließ er sich vergleichen mit einem harten und doch lächerlich wirkenden Richter. Alles Zeichen der Liebe, die um des Geliebten willen vor keiner noch so tiefen Erniedrigung zurückscheut. In seinem Liebeswerben hat sich Gott in die heillose Geschichte seiner Menschenkinder verfangen. – Unser göttlicher Liebhaber schickt noch eine Frage nach, eine seltsame. Nur wer taub ist, hört sie als Drohung: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf Erden Glauben finden?“ So werden wir gefragt, wir, seine Auserwählten, durch die Gottes Geist betet, Tag und Nacht. Der Ton der Frage macht betroffen. Das ist keine Drohung, da ist nur Beklommenheit. Dem göttlichen Liebhaber ist bange zumute. Ob seine Liebe wohl erwidert wird? Er hat sich verstricken lassen in allem, was Mensch heißt. Aber ob diese, seine Tollkühnheit, an unser Herz rührt, das steht dahin: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf Erden Glauben finden?“ Der Zeitpunkt, dem er so beklommen entgegenblickt, ist nun da. Der Menschensohn ist gekommen, heute und hier, in unseren Gottesdienst. Er hat die Liebeserklärung seines Vaters ausgerichtet. Gott fragt und hält  den Atem an: Darf ich dich wirklich liebhaben? Für Zeit und Ewigkeit? Lässt du dir das gefallen? Was lässt sich darauf anderes antworten als: „Nimm mein Herz, zieh du drin ein, du allein sollst Herrscher sein. Nimm mein Wollen und mein Tun – zu deinem Ruhm. Mein Verlangen geb ich dir, es gehört nicht länger mir. Nimm mein Wollen und mein Tun – zu deinem Ruhm.“ Amen.

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