Gefunden

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Lk 15, 1-10                                         3. Sonntag nach Trinitatis – Oßling/Großgrabe, am 20.06.2021

„Es nahten sich Jesus allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem Verlorenen nach, bis er´s findet? Und wenn er´s gefunden hat, so legt er sich´s auf die Schultern voll Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“

Liebe Gemeinde! Wir sammeln uns gemeinsam um die Frage: Welche Bedeutung messe ich den Worten der Bibel bei? Auch diesen heute. Unschwer können wir erkennen, dass wir verschieden sind und unterschiedliche Maßstäbe haben, was uns im Leben wichtig ist. Für manchen mag diese Erzählung Jesus ein Ruf von Gott sein. Ein anderer sagt: So fromm bin ich nicht, es ist aber eine schöne Geschichte von Freude und Menschlichkeit. Vielleicht ist dem einen diese Geschichte ganz neu, ein anderer sagt: Was hier berichtet wird, das habe ich in meiner Beziehung zu Gott schon erlebt. So sind wir in unserer Verschiedenheit um diese Geschichte versammelt. Betrachten sie gemeinsam. Auch ich. In meinem Herzen glaube ich, dass Gott durch diese Worte hindurch zu uns reden will. Direkt hinein in unser Leben. Genauer: nicht einfach sprechen, eine Ansage machen. Ich glaube, dass Gott zu jedem eine Beziehung knüpfen, sie vertiefen will. Zu allen. Ohne Ausnahme. Zu den Rechtschaffenen – hier die Pharisäer und Schriftgelehrten. Und zu denen, die aus dem gesellschaftlichen Werterahmen fallen – hier die Zöllner und Sünder. Das heißt wohl zuerst: Gott ist kein Moralist, sondern ein Menschenfreund. Der Moralist bewertet, der Menschenfreund versteht. Deshalb kommen sie zu Jesus, weil sie sich sicher sind, der hält uns keine Vorträge, was wir zu tun und zu lassen haben und wie tief wir gesunken sind. Die ein anständiges Leben führen sind – nach ihrer Meinung – zu Recht empört. Jesus, dieser Gottesmann, gibt sich mit diesen Leuten ab. Die haben ihr Leben verdaddelt und Jesus akzeptiert das auch noch. Außerdem sind diese Leute ein extrem schlechtes Vorbild und haben einen schlechten Einfluss auf die ganze Gesellschaft. Wir überlegen. Da ist was dran. Es ist eben nicht egal, wie man lebt. Es kann nicht gut sein, alles, was die Liebe und das Leben fördert sich egal sein zu lassen und allein sein  Ego zu füttern: „Die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.“ Wir sehen also Jesus beim Essen mit „denen da“. Und an den offenen Fenstern, die auch mit Jesus gegangen sind, aber nicht so weit. Das machen sie nicht mit. Und es ihnen ein Rätsel, was, warum Jesus das tut. So weit gehen wir nicht, ist ihre Entscheidung. Und wir sehen ihren Ärger, mehr noch. Sie sagen: Das kann doch Gott nicht wollen, dass die 10 Gebote nicht mehr gelten. Was sehen wir? Einen Konflikt, einen offenen, einen im Zusammenleben eines Städtchens. Das kennen wir. In unserm Leben tauchen immer wieder Konflikte auf. Wir können sie Herausforderungen nennen, oder Ängste. Hier geht es um Maßstäbe im Zusammenleben. Wo steht Jesus? Genau dazwischen. Mit den einen isst er gerade, zu den andern redet er. An Jesus versuchen wir zu entdecken, was unser Weg in öffentlichen Konflikten ist. Wie ist es dann mit den Konflikten in unserer Gesellschaft? Ich sehe folgendes in unserm Land: Sehr viele Verurteilungen anderer  Sichtweisen. Einteilung in Farben: Schwarz, rot, grün, blau, gelb und die Feststellung: mit dem kann ich nicht, das geht gar nicht. Der Ton in der Öffentlichkeit ist äußerst rau. Es scheint nur noch Richter und Täter zu geben. Das Vertrauen in die Politik und ihre Glaubwürdigkeit ist schwer erschüttert. Kurz: es geht fast nur noch um Positionen. Und die Risse in unserem Volk werden breiter. Was sehen wir an Jesus, unserm Vorbild? Er steht dazwischen. Er sucht die Gemeinschaft. Er wirkt integrierend. Jesus – eine Integrationsfigur, ein Vermittler. Daraus schließe ich: Die Aufgabe der Kirche in unserer Gesellschaft ist nicht Position, sondern Mediation. Warum wohl? Weil es im Moment wohl nicht um Rechthaben, sondern um Heilung geht. Es geht nicht um klare Kante, sondern um das Finden von versöhnlichen Wegen. Es geht um unsere Gemeinschaft. Darum ringt Jesus hier. Mit ganzem Ernst, auch wenn er sich dadurch ins Zwielicht rückt. Es geht Jesus um die Gemeinschaft mit Gott, die Beziehung. Deshalb nennt er Gott, und auch wir: Vater. Aber es ist nicht ganz leicht, das in Worte zu fassen. Weil Gott eben der große Unbekannte, der Schöpfer der Galaxien und Protonen und noch viel mehr ist. Er wohnt in vielen, uns unvorstellbaren Dimensionen. Das ist aber kein Hindernis, ihm zu vertrauen. Dieses Vertrauen will Jesus wecken. Und erzählt in Bildern und Gleichnissen von Gott und seinen Menschen. Es ist etwas verloren gegangen, sagt Jesus. Er meint uns Menschen, dieses verlorene Vertrauen, die beschädigte Beziehung. Jesus verzichtet auf die Position des Staatsanwaltes. Um Schuld und Anklage geht es hier nicht. Er ermutigt: Kommt, wir blicken auf den himmlischen Vater. Schaut, was ihm wertvoll ist. Wir sehen einen Hirten mit hundert Schafen. Erblicken eine Frau mit Silbergeld. Beide suchen Verlorenes. Und Jesus sagt: So ist Gott. Der Hirte lässt 99 bei seinen Hütehunden in der Wildnis. Er weiß, das Schaf kann in der Wildnis höchsten zwei, drei Tage überleben. Eile ist geboten. Das Schaf gehört zu einer Herde, ist auch Eigentum des Hirten. Ich gehöre zur Christenheit, ich bin Eigentum Gottes. Deshalb sucht er mich, deshalb bringt er mich heim. Heim-suchung. Gott sucht den Menschen heim. Was für eine Hoffnung. Du, ich, wir – nach uns hält Gott Ausschau. Für IHN sind wir eben gerade nicht das Stäubchen im Weltall. Mein Wert, meine Würde und Bedeutsamkeit liegen in Gott. Er misst sie mir bei und gibt mir den Ehrentitel: Kind. Das ist der höchste und bedeutsamste Stand, den ein geschaffenes Wesen im Himmel haben kann. Welche Hoffnung, Trost und Lebenskraft im Vertrauen zu Gott liegt und sich entfalten kann. Ich bin vollkommen geliebt. Dem soll ich vertrauen. Warum nicht? Finde Gründe. Ich sage dir aber: Glaube! Und du wirst zu Selbstliebe und zu deiner wahren Bestimmung finden. Wie bedeutsam du dem Vater bist, unterstreicht Jesus mit dem Gleichnis der zehn Silbergroschen. Das mag uns banal vorkommen. Dazu muss man aber wissen, dass hier vom Brautschmuck einer Frau die Rede ist. Wenn ein Silberstück abgerissen ist, ist der Brautschmuck futsch, ja entehrt. Wenn wir 350€ verlieren ist das wirklich viel Geld. Aber wenn ich meinen Ehering im Wert von 350€ ist das noch was ganz anderes. Der Brautschmuck spricht vom Bund mit Gott und dass er zerrissen ist. Der Brautschmuck ist einmalig. Die Frau setzt alles daran, dass Wertstück zu finden. Sucht und sucht. Heimsuchung. Das Finden löst beim Hirten und der Frau etwas aus, wonach wir uns alle von Herzen zutiefst sehnen, was wir suchen, worum wir ringen: Freude: „So wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut.“ Das Schaf kann nicht von allein zurückfinden, der Silbergroschen kann sich nicht von selbst finden lassen. Hier ist die Grenze des Gleichnisses. Denn der Mensch kann. Buße tun bedeutet: Umdenken. Seine Position verändern, sich auf Gott einlassen. Ein Sünder ist vor Gott einer, der das Ziel verfehlt. Wenn einer auf seiner Lebensreise nicht ans Ziel kommt, war alles vergebens. Ziel verfehlt. Das ewige Leben, unser wahres Zuhause. Dorthin finden ist unsere Bestimmung. Ohne Vertrauen und Beziehung zu Gott finden wir nicht. Wie findest du? Zuerst: Du bist gefunden. Denn Jesus, Gottes Sohn, ist auf diese Erde gekommen. Er hat mit seinem Leben alle Schuld bezahlt. Wenn du an ihn glaubst, dich und dein Leben ihm anvertraust, wird dir der Weg gewiesen. Zu Jesus kommen, Ihm das eigene Leben überantworten – das ist Buße. Zu Jesus umkehren haben alle nötig: Die sich für rechtschaffen halten und die, die wissen, dass sie es vor Gott nicht sind. Also Menschen, wie du und ich. Wer umkehrt, bekommt Teil an der großen Freude. So verspricht es uns Jesus: „So sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Amen.

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