Heiligabend: Anders als erwartet

Heiligabend: Anders als erwartet

Hier sehen Sie den Mitschnitt unseres Spätgottesdienstes am Heiligen Abend 2019. Auch ein Download der HD-Version ist möglich.

Hallo,

letztendlich ist es also doch wieder der Stall geworden. Dabei war es dieses Jahr wirklich sooo knapp. Da waren sie dieses Jahr sogar schon in der Herberge. Und dann… doch wieder nur dieser schmuddelige Stall. Diese abgeramschte Krippe. Dieser allerletzte Ort, an dem man einen Gast empfangen, geschweige denn einquartieren würde.

Auch von meiner Seite: Herzlich Willkommen hier im Gottesdienst zu Heilig Abend. Schön, dass sie hier sind. Schön, dass du da bist. Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich sie duze. Irgendwie finde ich, das förmliche Rede nicht so richtig hier in den Stall passen.

Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich denke die allermeisten von uns werden Heilig Abend doch vorwiegend in einem Wohnzimmer feiern. Da hat man den meisten Platz für den Baum, die Geschenke und die ganze Dekoration. Und gerade wenn man Besuch bekommt, ist das Wohnzimmer ja sowieso normalerweise der Raum, in den man seine Gäste einlädt.

Und doch hat das Ereignis, das wir heute feiern, ausdrücklich nicht in solchen Vorzeige-Räumlichkeiten stattgefunden. Sondern eben in einem Stall. Ich hab mich gefragt, wie unsere ganzen Weihnachtstraditionen aussehen würden, wenn man diese Idee beibehalten hätte: Heilig Abend wird nicht im Wohnzimmer gefeiert, sondern im Stall. Bei mir würde die Idee schon daran scheitern, dass ich gar keinen Stall habe. Das, was noch am nächsten an einen Stall rankommt, wäre unser kleiner Keller. Der hat ca. 10qm. Da ist keine Heizung drin, nur ne trübe Funzel, ein mickriges Fenster mit Einfachverglasung. Und irgendwie riecht’s da immer ein bisschen modrig. Und das ist der Raum, in den ich immer allen Kram stelle, wo ich nicht weiß, wohin damit. Weiß nicht, welcher Raum das bei dir wäre. Aber jetzt stell dir mal vor, du würdest Heilig Abend dort feiern. Einfach um das Stall-Feeling von damals nachzuempfinden.

Also wenn ich Weihnachten in meinem Keller feiern würde, fände ich das nicht nur absolut ungemütlich. Mir wäre das auch ziemlich unangenehm vor meinen Gästen. Das ganze alte Gerümpel aus meinem Leben. Dinge, die eigentlich entsorgt gehören. Irgendwelche Geräte, die ich mal reparieren wollte. Und sämtlicher andere Kram, der ausgemistet und aufgeräumt werden müsste.

Irgendwie ist mein Keller für mich so ein Bild für die Bereiche in meinem Leben, in die ich andere Menschen eher nicht so gerne reinschauen lasse. Da gibt es Punkte in meinem Leben, da weiß ich ganz genau: Da müsste ich mal unbedingt aufräumen. Da müssten mal ein paar Dinge entsorgt werden. Da müssten mal ein paar Dinge repariert werden. Aber irgendwie passiert’s nie. Ich könnte diese Dinge zu meinen Vorsätzen für’s nächste Jahr machen. Nur standen die ja schon für dieses Jahr drauf.

Kennst du solche Bereiche aus deinem Leben? So einen Keller oder so einen Stall in deinem Leben? Vielleicht die Sorge um das liebe Geld, über das man ja nicht spricht. Oder eine Beziehung, die dir gerade zu schaffen macht. Unzufriedenheit auf Arbeit. Der Alltag an sich, in dem man eigentlich ständig am Limit ist. Vielleicht sogar etwas, was du gesagt oder getan hast, was du gerne ungeschehen machen würdest. Ich denke, wenn wir ehrlich zu uns sind, haben wir alle so unsere Keller- oder Stallgeschichten.

Und jetzt spricht diese altbekannte Weihnachtsgeschichte davon, dass Gott selbst in Form von einem kleinen Baby genau dort hinein geboren wird. In diesen Stall. Warum eigentlich? Was will Gott denn in einem Stall? Das habe ich mich gefragt. Und mir ist etwas aufgefallen. Ich glaube, dass diese Geschichte eigentlich nur die erste in einer ganzen Reihe von Geschichten ist, in denen Jesus in den Ställen von Menschen auftaucht und auf wundervolle Weise zeigt, wer er ist: Nämlich Gottes Sohn, der König aller Könige. Jesus macht aus Stallgeschichten Thronsaalgeschichten.

Eine Geschichte dieser Reihe findet auf einer Hochzeit statt, nachzulesen im zweiten Kapitel des Johannes-Evangeliums. Dort ist Jesus mit seinen Freunden eingeladen. Und auf dieser Hochzeit passiert etwas sehr peinliches: Der Wein ist plötzlich alle. Bier und Schnaps wohl auch. Lange Gesichter bei den Gastgebern. Was tun? Die Läden haben zu, die nächste Tanke ist viel zu weit weg oder vielleicht reicht auch einfach das Geld des Brautpaars nicht aus um neuen Wein zu kaufen. Auf jeden Fall ist das so eine Stallsituation, von der man sich wünscht, dass sie nicht passiert wäre. Oder zumindest, dass sie keiner mitbekommt.

Jesus bekommt sie mit. Und er tut sein erstes Wunder. Er macht aus dem Wasser, das zum Waschen der Füße gedacht war – ca. 600 Liter – , allerfeinsten Wein. Er hält keine Moralpredigt gegen den übermäßigen Alkohol-Konsum. Er weist nicht die Gastgeber zurecht, dass man so ein Fest halt besser kalkulieren muss. Er nutzt die peinliche Situation auch nicht dazu, das Brautpaar zu maßregeln, dass sie gefälligst nicht über ihre Verhältnisse leben sollen. Er begegnet einfach dem Mangel. Anders als erwartet macht er aus dem Stall seinen Thronsaal.

Vielleicht hast du auch so eine Stallsituation, wo die Ressourcen, die dir zur Verfügung stehen nicht ausreichen. Vielleicht hast du dich in letzter Zeit mit deinem Geld, deiner Zeit oder deiner Kraft verkalkuliert. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis dir der ganze Stall um die Ohren fliegt. Und vielleicht hast du Angst, dass wenn Gott jetzt auch noch in diese Szene platzt, dass dann alles nur noch umso schlimmer wird. Dass Gott für dich nichts anderes als Regeln oder gute Ratschläge parat hat. Aber, was wäre wenn er vielleicht einfach eingreift, hilft und das Problem löst. Jesus sagt:

28 »Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen.
(Mt.11,28; NGÜ)

Eine zweite Geschichte steht im Lukas-Evangelium, im 19. Kapitel. Da istein Mann mit Namen Zachäus. Er ist Zöllner. Sein Job besteht also darin, anderen Geld abzuknöpfen. Kein Job, mit dem man sich Freunde macht. Und darüber hinaus lässt er sich auch noch seine eigene „Aufwandsentschädigung“ großzügig auszahlen. Und damit scheffelt er richtig Kohle. Kein Wunder, dass er deshalb bei seinen Mitbürgern ziemlich unten durch ist. Unten durch ist ein gutes Stichwort. Denn zu allem Überfluss ist er auch noch klein, was die Körpergröße angeht. Zachäus ist also das perfekte Mobbing-Opfer.

Als Jesus jetzt in die Stadt kommt, möchte Zachäus ihn gerne sehen. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht war er einfach nur neugierig. Vielleicht aber hat sich ein Teil von ihm auch danach gesehnt, dass sich was ändert in seinem Leben. Dass er ausbrechen kann aus diesem gesellschaftlichen Abseits. Denn ich glaube, das war Zachäus’ persönlicher Stall.

Aber die Leute lassen ihn nicht durch. Deshalb klettert er auf einen Baum, an dem Jesus vorbei kommen muss. Und tatsächlich, Jesus kommt vorbei. Und er schaut nach oben. Direkt zu Zachäus. Und zur Verwunderung von Zachäus und zur Empörung der umstehenden Leute, sagt Jesus zu ihm: Zachäus, ich muss heute bei dir zu Abend essen. Jesus lädt sich bei dem zum Abendessen ein, den keiner leiden kann. Jesus sagt nicht: Zachäus, wir müssen mal Tacheles reden. So geht das mit dir nicht weiter, du alter Halsabschneider. Ich bin noch keine 30 Minuten in der Stadt und schon haben sich ein Dutzend Leute bei mir über dich beschwert. Nein. Er kommt einfach nur zu ihm und sagt: Ich muss heute bei dir zu Abend essen.

Und Zachäus ist davon völlig überrumpelt. Aber er ist auch begeistert. Und er verspricht Jesus, dass ab jetzt alles anders wird. Er will nicht mehr so sein, wie er war. Er will zurückgeben, was er zu unrecht an sich gerissen hat. Er will nicht mehr nur an seinen eigenen Vorteil denken. Und er krempelt sein Leben komplett um. Wie war das möglich? Weil Jesus den Stall von Zachäus betreten hat, als er sich in dessen Wohnzimmer gesetzt hat. Und wo Jesus Ställe betritt, werden sie zu seinem Thronsaal.

Zachäus ist vielleicht nicht unbedingt jemand, mit dem du dich identifizieren würdest. Aber vielleicht liegen auch zwischen dir und einer oder sogar mehren Person gerade tiefe Gräben. Warum auch immer. Vielleicht fühlst du dich sogar wie Zachäus gerade völlig isoliert. Dann darf ich dir zusprechen, was Jesus damals auch Zachäus zugesprochen hat.

[…] Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.«
(Lk.19,10; NGÜ)

Und so gibt es noch viele solcher Stallgeschichten. Geschichten, in denen es um Krankheit geht, um Einsamkeit, um Resignation und vieles mehr.

Aber eine letzte möchte ich mit euch noch teilen. Nachzulesen in eigentlich jedem der vier Evangelien. Die Geschichte von Jesus, die mit Weihnachten begonnen hat, scheint an einem Punkt ein jähes Ende genommen zu haben. Menschen haben sich an dem, was Jesus gesagt hat, und an seinem Einfluss, den er im Volk gewonnen hat, angefangen zu stören. Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass Jesus sie immer wieder mit ihren eigenen schmutzigen Ställen und dunklen Kellern konfrontiert hat. Und so haben sie ihn aus dem Weg räumen lassen. Wie einen Verbrecher haben sie ihn gekreuzigt. Und Jesus stirbt. Als wäre es selbst ihm nicht möglich, diesen Stall aus Hass, Dunkelheit und Tod zu betreten, zu überwinden und zu verwandeln.

Und seine Freunde, die angefangen haben, ihre Hoffnung auf ihn zu setzen, sind völlig verzweifelt. Ihre ganze Welt scheint in sich zusammengefallen zu sein. Aus Angst, es könnte ihnen genauso ergehen, wie Jesus, haben sie sich zu Hause eingeschlossen. Dieser Stall ist einfach zu grausam, zu dunkel, zu unüberwindbar. Und drei Tage scheint dieser letzte, endgültige Stall auch tatsächlich alle Hoffnung ausgelöscht zu haben.

Ich weiß nicht, ob du dich in dieser Haltung der Freunde von Jesus irgendwie wiederfindest. Und ob du solche endgültigen Ställe kennst. Wo sämtliche Hoffnungen, Wünsche und Träume zerplatzen.

Drei Tage dauert es damals. Drei Tage scheint der Stall gewonnen zu haben. Doch nach drei Tagen wird selbst dieser Stall überwunden und der König aller Könige richtet in ihm seinen Thronsaal ein.

[…] Mit einem Mal kam Jesus, trat in ihre Mitte und grüßte sie mit den Worten: »Friede sei mit euch!«
(Joh.20,19b; NGÜ)

Bei der Geburt haben die Engel für die Hirten gesungen: „Frieden auf Erden!“ Und so grüßt auch Jesus seine Freunde nach seiner Auferstehung mit diesem Frieden. Denn das ist es, was in den Ställen bleibt, wenn Jesus in ihnen seinen Thronsaal eingerichtet hat: Sein Frieden.

Weihnachten ist eine Einladung an dich, Jesus auch in deinen Stall einzuladen. Und wenn Jesus auch in deinem Stall Raum einnehmen darf, ihn allein durch seine Präsens in einen Thronsaal verwandelt, dann hast du allen Grund ihn auch in deinem Wohnzimmern zu feiern. In diesem Sinne wünsche ich euch allen: Gesegnete Weihnachten!

Amen.

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