Jesus war hier! (Oßling)

Jesus war hier! (Oßling)

Joh 2, 1-11                                                        2. Sonntag nach Epiphanias – Oßling, am 17.01.2021

„Am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht´s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt´s dem Speisemeister! Und sie brachten´s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten´s, die das Wasser geschöpft hatten – ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.“

Liebe Gemeinde! „Jesus war hier!“ Diesen Satz las ich auf einer Karte. Dahinter war das Lager einer Weingroßhandlung zu sehen. Wasser in Wein. Das Weinwunder. Es ist sprichwörtlich geworden auch bei denen, die vielleicht die Quelle gar nicht mehr kennen. „Kann ich Wasser in Wein verwandeln?“, sagen Menschen dann, wenn sie eigentlich sagen wollen, dass sie nicht zaubern können. – Jesus hilft einem Ehepaar in einer ziemlich großen Verlegenheit. Ein solches Wunder, Zeichen, hat Jesus sonst nicht mehr getan. Sonst heilt er Menschen oder nimmt ihnen die Furcht – aber Wasser in Wein zu verwandeln, um einem Ehepaar eine Freude zu machen, das ist die große Ausnahme im Neuen Testament. – Die Kriminalautorin Patricia Highsmith, gestorben 1995, hat auch Alltagserzählungen geschrieben. Eine davon trägt den Titel „Die stille Mitte der Welt“. Darin begegnen wir einer alleinerziehenden Mutter, die im Angesicht von Paaren fühlt, wie einsam sie sein kann und wie groß ihre Sehnsucht ist nach Liebe, der „stillen Mitte der Welt“. So ein schöner Ausdruck, den diese Erzählung uns hier anbietet: Liebe als stille Mitte der Welt – als das also, was Welt und Leben tatsächlich zusammenhält. Vielleicht ist dies ja auch die stille Mitte des wunderbaren Wunders von der Verwandlung des Wassers in Wein. Jesus will einfach nicht, dass die Liebe aus der Feier auszieht und der Beschämung und Verlegenheit Platz macht. Jesus gönnt dem Paar ihre Gäste und deren Liebe. Das wäre ein Wunder wert. Liebe im rechten Augenblick. Wir schauen mal bei den Hochzeitsgästen vorbei: Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Fest. Man hat ihn eingeladen. Er ist zunächst nur Gast. Was ereignet sich, wenn Jesus eingeladen, willkommen geheißen und so „dabei“ ist? Jesus ist da, dabei. Wir ziehen diese Linie zu uns: Unser Haus – und er hat Zutritt. Unser gemeinsames Leben – und er unsichtbar mit drin. Unsere Mahlzeiten: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast“ – in allem ER. Wie gesagt, wir schauen bei dieser Hochzeit vorbei. Und erleben drei Szenen: Maria und Jesus. Jesus und die Diener. Der Tafelmeister und der Bräutigam. Da Frauen nach jüdischer Sitte nicht mit Männern feiern und trinken durften ist es offensichtlich, dass Maria, die hier nur „Mutter Jesu“ genannt wird, die Gäste mit bediente oder in der Küche half. Deshalb weiß sie als eine der ersten von der Verlegenheit, die sich hier anbahnt. Sie flüstert ihrem Sohn zu: „Sie haben keinen Wein mehr.“ – Jesus und unsere Verlegenheiten, sie ihm hinhalten, bringen. Wir sagen dazu „Fürbitte“. Wenn man eben nicht weiter weiß. Jesus antwortet fast unwirsch mit einem Rätsel: „Was geht´s dich an, Frau, was ich tue. Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Soweit die erste Szene. Aber welche Stunde (Joh 7,30: 8,20: 12,27.31; 31,1; 17,1)? In dieser Stunde wird Jesus in höchster Bedrängnis beten: „Vater, hilf mir aus dieser Stunde!“ Es ist die Stunde seiner Heimkehr zum Vater, seine Verherrlichung, das Gericht über Satan und die Welt, die Auferstehung der Toten. Diese Stunde ist beim Fest jetzt nicht. Aber ein Zeichen auf diese Stunde hin gibt Jesus. Es bahnt sich in der zweiten Szene an: Jesus und die Diener. Waren fünf Minuten oder der Vormittag vergangen, wir hören Jesus sagen: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser.“ Sechs Wasserkrüge zu je 100 Litern stehen im Schatten des Innenhofes. Hier wird fast nebenbei erwähnt, warum: „… zur Reinigung nach jüdischer Sitte.“ Wir fragen nach. Nein, diese Erwähnung lesen wir nicht, weil die Neugier wissen will, wie man bei einem so großen Weinwunder, also 600-700 Liter Wein, das nötige Wasser im staubigen Orient vorhalten kann. Die Frage der Reinigung zieht sich durch das ganze Johannesevangelium: die Jünger Johannes des Täufers und die Pharisäer diskutieren darüber (3,25); Jesus selbst reinigt die Seinen durch Fußwaschung (13,10) und durch sein Wort (15,3). Die jüdischen Riten beruhen auf einem richtigen Wissen: Unreinheit versperrt den Weg zu Gott. Hier soll das „Gesetz“ Abhilfe schaffen. Mose verordnet das Wasser. Aber Jesus gibt den Wein, das Festgetränk. Ein paar Zeilen vorher lesen wir vom Wasser und Wein, vom Gesetz und Evangelium, davon: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (1,17) Da stehen sie nun, die sechs Krüge, je 100 Liter zur Reinigung nach jüdischer Sitte. Und es folgt die 2. Szene: Jesus und die Diener, hören Jesu Anweisung: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser.“ Man tut, was man kann, die Diener auch: „Und sie füllten sie bis obenan.“ Wie bildhaft. Wasser bildet hier jetzt die menschlichen Möglichkeiten ab. Wir haben „Wasser“. Völlig unzureichend für den Anlass, eine große Hochzeitsfeier. Für das himmlische Hochzeitsfest, Leben in Gottes Herrlichkeit sind wir nicht gerüstet. Was wir haben ist menschlich. Aber es auf Jesu Anweisung ihm zur Verfügung stellen. Er verwandelt es. Gnade, sagen wir. Geschenkte Gerechtigkeit, Vergebung, aus Menschenkind wird Gotteskind, aus Sündern Heilige. Gnade. Diese Verwandlung wird sich in Jesu „Stunde“ auf Golgatha vollziehen. – Nun die Echtheitsprüfung, Szene 3: Der Bräutigam und der Speisemeister: „Als der Speisemeister den Wein kostete … ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein  und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.“ Der Chefkoch und Weinkenner schnalzt mit den  Lippen, schmeckt die Weinblume, schmatzt mit den Lippen, aber lässt die Frage, woher denn dieser außergewöhnliche, exzellente Wein denn komme, auf sich beruhen. Man kann Kenner sein und doch nichts erkennen. Fast unmerklich ist mit dem Geschenk des Weines aus dem Gast Jesus der Gastgeber geworden. Ende gut alles gut? Äußerlich gesehen ja. Aber seht genau hin. Da ist ein Bruch: Alle sind dabei, aber wenige nehmen es wahr. Der Speisemeister hat nur Kopfschütteln, die Diener wissen es, aber zu Erkenntnis oder Glauben führt es weder bei ihnen noch den vielen Hochzeitsgästen. Das wird sich in der Geschichte der Kirche Jesu noch oft wiederholen. Da geschehen Wunder und Zeichen, aber keine Veränderung in den Herzen. Aber einige lassen sich doch im Inneren anrühren: „Und seine Jünger glaubten an ihn.“ – Jetzt hätte ich fast „Amen“ gesagt. Ich muss uns aber noch das so leicht zu Übersehende zeigen, was große Bedeutung hat. Warum wohl beginnt unser Predigtwort so merkwürdig? „Am dritten Tage …“ Weil der Herr eine Vorliebe für sein Tun an eben diesem dritten Tag hat. Am jeweils dritten Tag geschieht Bedeutsamen für die Zukunft Israels und der Welt. Zur Erinnerung: Am dritten Tag sieht Abraham in seiner schwersten Versuchung den Berg Morija, wo sich alles zum Heil wendet. Am dritten Tag offenbart sich der „Engel des Herrn“ im brennenden Dornbusch. Am dritten Tag bittet Mose Gott um Vergebung für das bereits verworfene Volk Israel nach deren Abfall unterm goldenen Kalb. Am dritten Tag geht Esther zu ihrem Mann, König Xerxes und hebt so den Vernichtungsbefehl für das gesamte jüdische Volk auf. Maria und Joseph merken am dritten Tag, dass ihr Sohn nicht mehr bei ihnen ist. Und am dritten Tag wird sein: seine Auferstehung! Gott hätte wohl auch den zweiten oder vierten Tag aussuchen können. Hat ER aber nicht. Es bleibt das Besondere: am dritten Tag – also auch diese Hochzeit. Dadurch wissen wir: es muss etwas, das Außergewöhnliche geschehen und sich ereignen. Was denn? Jesus ist auf dem Fest. Das. Jesus ist unter uns. Das. Er füllt allen Mangel. Das. Unsere irdischen Verlegenheiten wandelt er in Himmlisches. Jesus ist unter uns. Mach dich auf, öffne dich, und tritt in den Kreis derer, von den es heißt: „Und seine Jünger glaubten an ihn.“ Amen.

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