Kleider machen Leute (Kirche Oßling)

Kleider machen Leute (Kirche Oßling)

Eph 4, 22-32                                           19. Sonntag nach Trinitatis – Oßling, am 02.10 2016

„Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet. Erneuert euch aber in euerm Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen, und gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. Und betrübt nicht den heiligen Geist, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer den andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“

Liebe Gemeinde! Wenn Papa Geburtstag hat – also, da gibt´s am Abend eine schöne Runde mit der Familie und Freunden, Essen und Wein. Dann ist es Abend, alle sind da, das Essen fertig, nur Herr Sohnemann fehlt. Noch beim Fußbaltraining, müsste eigentlich da sein. Wir warten noch ein paar Minuten. Dann kommt er, verschwitzt, verdreckt, bei Nieselwetter draußen gespielt, Schlammspritzer im Haar, an Hosen und T-Shirt. Was erwartet man, dass die Mutter sagt: Los, dusch dich, zieh saubre Sachen an, dann komm. Was erwartet man nicht, dass die Mutter sagt und niemals sagen würde: Du bist dreckig, du gehörst nicht zu uns, verschwinde aus unsrer Wohnung. Nein, das würden Vater und Mutter nie sagen. Das ist die erste und wohl grundlegende Lektion unseres Predigttextes: Paulus spricht den Gemeindegliedern in Ephesus ihr Christsein nicht ab. Egal, wie sie sich auch in der Gemeinschaft verhalten. Wir lesen: er muss Leute auffordern, nicht mehr zu lügen; die einen, nicht mehr zu stehlen; andere, nicht auf Kosten anderer durchs Leben zu leben. Wieder andern muss er sagen, nicht ständig über andere zu tratschen. Aber niemals würde er sagen: weil ihr das tut, seid ihr keine Christen. Ob einer Christ ist – ich sage es mit wärmeren Worten – ob einer Kind Gottes ist, entscheidet sich keinesfalls an einem gelungenen oder misslungenen Lebensvollzug. Genauer gesagt, bei Menschen schon. In meinen vielen Jahren Pfarrerdasein sind mir schon viele begegnet, die ziemlich genau wussten, was Christen sind und was nicht. Sie beurteilten ihre Mitchristen nach ihren Worten und Taten und verglichen das mit den 10 Geboten. Ich würde es gern ungeschehen machen, aber leider habe ich es schon selbst getan. Solches Urteilen ist Unrecht und Anmaßung. Wenn es nach gutem oder schlechtem Leben ginge, wüssten wir überhaupt nicht und nie genau und sicher, wer Christ, wer Gottes Kind ist. Wir hätten auch über unsere Beziehung zu Gott keine letzte Klarheit, keinen Frieden. Das aber ist undenkbar. Wenn ein Menschenkind weiß, wer seine Eltern sind, muss ein Christ, ein Gotteskind es doch auch wissen. Die Gewissheit, dass ich das Kind meiner Mutter bin, diese Gewissheit, die ich für mein Werden und Wachsen brauche, von der ich heute noch lebe, diese Gewissheit – das ist meine Mama – liegt außerhalb von, ist festgelegt, unveränderbar, egal wie und wo ich lebe. Ich wurde Kind durch Zeugung und Geburt. Nichts, auch ich nicht, kann daran rütteln. Wenn Jesus sagt, Gott ist unser Vater, kann es nicht anders sein. Bevor ich auf der Welt war, war ich in Gottes Liebe schon da, schon erwählt, gleichsam gezeugt, Gott hat mich erdacht. In meiner Taufe am 01.01.1959 wurde ich neugeboren, als Gottes Kind adoptiert. Wer getauft ist, ist Christ, Gottes Kind. Daran gibt´s nichts zu rütteln, egal wie nah oder fern ich mich Gott wähne. Deshalb wagt Paulus nicht, ja er würde nie auf die Idee kommen, Getauften ihr Christsein abzusprechen. Auch nicht solchen, die große Probleme haben und Rückschläge erleiden, ihr Leben mit den 10 Geboten in Einklang zu bringen. Das soll das erste sein: sprich keinem Getauften seine Gotteskindschaft ab. Und – jeder Getaufte darf sich von Herzen freuen: ich bin Gottes Kind. Weil ich nur einmal gezeugt und geboren werde, ist es zwischen Gott und mir genauso: die geistliche Geburt geschieht nur einmal. Deshalb wird ein Mensch nur einmal getauft, ob er ein, zehn oder achtzig Jahre ist. Damit ist beantwortet, wer ich vor Gott durch die Taufe bin: Kind. In unserm Predigttext geht es aber nicht so sehr um meine Identität als Christ, sondern um meine Erkennbarkeit als Christ. Da musste Paulus ein paar harte Worte sagen. Er schreibt an die Christen in Ephesus: wascht eure Klamotten, ihr seid zu einer Hochzeitsfeier eingeladen, reinigt euch, hier so: „Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem  früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierde zugrunde richtet. Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Hier ist kein einmaliger Vorgang gemeint. „Den neuen Menschen anziehen“ heißt Sachen wechseln. Täglich brauchen wir Vergebung von Gott. Paulus nennt es Gerechtigkeit. Ich gebe Jesus meine Sünde und er schenkt mir seine Unschuld. Die Unschuld Jesu ist die einzige, die Gott anerkennt, sie wird „Heiligkeit“ genannt. Etwas, was ich weder habe, noch durch Perfektion erreichen kann. Ich bekomme Vergebung, Heiligkeit geschenkt. Paulus will den Ephesern klar machen. Gott wird mit der Sünde fertig, sie trennt euch nicht von ihm, aber – ihr müsst euch von ihr trennen. Wenn ihr als Sünde gelten lasst, was Gottes Wort Sünde nennt und um Vergebung bittet, ist alles klar. Setzt ihr aber eure eignen Maßstäbe und verharmlost oder übertüncht Sünde, dann steht die Vergebung noch aus. Wenn ihr euch vor Gott selbst rechtfertigt, lehnt ihr die Rechtfertigung durch Jesus ab. Paulus hätte nicht so konkret schreiben müssen, hätte es diese Verwischung – was ist Sünde vor Gott – nicht gegeben. Dreck ist und bleibt Dreck, sagt Paulus, und nennt es bei Namen: „Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten …“ Wichtig seine Begründung aus der Taufe, der Kindschaft: „ …weil wir untereinander Mitglieder (der Familie Gottes) sind.“ Wenn wir unsere Lüge bereuen, uns von ihr distanzieren, um Vergebung bitten, ob wir dann nie mehr bis an unser Lebensende lügen? Wir können uns mühen, werden es aber nicht schaffen. Gottes Kinder bleiben wir, aber Vergebung, Reinigung, Kleiderwechsel brauchen wir immer wieder. Und weil wir von Gottes Vergebung leben, sollen wir lernen, darum ringen, auch einander zu vergeben, möglichst vor Sonnenuntergang. Manchmal gelingt das, manchmal gelingt das nicht, dieses Wort im Alltag umzusetzen: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne über eurem Zorn nicht untergehen.“ Und dazu: „Gebt nicht Raum dem Teufel.“ Der Teufel bekommt nicht durch die Sünde Raum in unserm Leben, sondern dort, wo für die Sünde keine Vergebung erbeten wird. Wo Vergebung ist, da kann der Teufel nicht sein. Denn wo Vergebung ist, dort ist auch Jesus. Kurz – Paulus sagt: öffnet alle Bereiche eures Lebens für Jesus, seine Gnade und Vergebung. – Ich weiß nicht, ob wir heutigen Christen konsequenter nach Gottes Geboten leben als die damaligen. Damals musste gesagt werden: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eignen Händen das nötige Gut, damit er den Bedürftigen abgeben kann. Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Munde gehen.“ Paulus stellt ihr Christsein nicht in Frage, sondern die Richtung, in die sie gehen. Ob sie sich korrigieren ließen? Die Richtung jedenfalls hat er ihnen gewiesen mit den Worten: „Redet, was gut ist, was erbaut und notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. Betrübt nicht den heiligen Geist, mit dem ihr in der Taufe versiegelt seid für den Tag der Erlösung.“ Und so werden wir, auch für Außenstehende, erkennbar als Christen: „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“  Kleider machen Leute. So sind wir erkennbar. Amen.