Lichtblick

Lichtblick

Markus 10, 17-27                                          18. Sonntag nach Trinitatis – Oßling/Großgrabe, am 15.10.2017

„Als Jesus sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter. Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf. Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib´s den Armen; so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter. Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist´s ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist´s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“

Liebe Gemeinde! Darum geht es. Um die Furcht. Furcht ist zeitlos. Die Menschen damals hatten sie; wir haben sie. Die Furcht, zu kurz zu kommen im Leben, nicht genug beachtet zu werden, beschämt zu werden, am Rande zu stehen und zu fallen, wohin auch immer. Jesus weiß um die Furcht. Und versucht sie zu nehmen, so gut es geht. Jetzt: Ein Mann kommt zu Jesus. Man sieht ihm an, er ist reich. Schöne Kleidung, gepflegtes Äußeres. Er fällt vor ihm auf die Knie: „Guter Meister!“ Klingt hochachtungsvoll. „Guter Meister“, sagt er, „was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?“ Ist das unsere Frage? Ewiges Leben heißt nicht banal: „immer leben“. Ewiges Leben heißt: immer in Liebe leben, himmlisch leben, geachtet leben, niemals verlieren, den Tod nicht fürchten. Wer will das nicht? Wer will nicht heraus aus Furcht und Lieblosigkeit, aus dem Berechnen und Verkrampfen und dem Immer-mehr-haben-Müssen? Dass dann wieder nichts hilft, sondern nach noch mehr verlangt und niemals ein Ende nimmt? Der Mann auf den Knien vor Jesus weiß, was er will: ein glückseliges Leben, und das immer, hier und dann bei Gott. Mit seiner Suche nach ewiger Liebe und Güte berührt er das Herz Jesu. Er fragt sozusagen mitten hinein ins Herz Jesu. Weil genau das Jesus auch will. Für alle. Darum antwortet ihm Jesus auch sofort und sagt: „Du kennst doch die Gebote: nicht ehebrechen, nicht stehlen, den Feiertag heiligen, niemanden betrügen, Vater und Mutter ehren. Das sollst du tun!“ Und der Mann antwortet Jesus auch sofort: Aber „Meister“, das tue ich alles, seit ich ein Kind bin.“ Wir sind jetzt dem Herzen der besten Botschaft der Welt schon recht nahe. Denn nun steht hier ein Satz, ein überraschendes Gefühl mitten aus dem Herzen Jesu. Jesus sieht den Mann, kniend im Staub, an. Jesus hört die Sehnsucht des Mannes nach glückseligem Leben – und: Jesus gewinnt ihn lieb. Er gewinnt den lieb, der fragt und sucht, obwohl er Geld hat und Kleider und alle Gebote einhält – also fromm ist. Er gewinnt den lieb, dem es vor lauter Besitz an etwas mangelt. Ihm fehlen nicht Dinge, sondern das Herz der Dinge. Das, was mehr ist als alle Gebote und feines Essen und alles Glück der Welt. Weil Jesus den Mann lieb hat, öffnet er ihm und uns einen himmlischen Augenblick lang sein ganzes Herz und sagt ihm: „Eins fehlt dir. Geh hin; verkaufe alles, was du hast und gib das Geld den Armen. Dann bist du reich im Himmel.“ Das ist das Herz Jesu: Reich sein im Himmel. Schöneres kann es nicht geben. Schwereres auch nicht. Schwer für die, die gerne festhalten, sammeln, horten. Aus Furcht vor Niederlagen; aus Sorge vor Verlusten, welchen auch immer. Verständlich ist diese Furcht. Sie lastet schwer auf Seelen. Gerade wir werden hier direkt vor die Wahrheit geführt. Ganz behutsam, damit wir nicht ins Straucheln geraten. Die Wahrheit, Jesu Wahrheit leuchtet – und erschreckt. Nicht nur uns. Auch der Mann erschrickt, der eben noch ewige Glückseligkeit suchte. Nach dieser Bitte Jesu geht er traurig davon; er hat viel Besitz, wie wir lesen. Auch viele von uns werden vermutlich traurig heimgehen, wenn Jesus uns so etwas sagt, mitten aus seinem Herzen, mitten in unser Herz. Nein, Herr, werden wir sagen, Junge und Alte, Fromme und Zweifler – nein, Herr, das geht nicht, das schaffe ich nicht. – Halten wir fest: Wir sitzen oder knien hier vor der Wahrheit des Evangeliums. Vor dem Herzen Jesu, der sagt: Halte nichts fest! Verliebe dich nicht in deinen Besitz! Mach dir keine Sorgen um dich! Und wir antworten vermutlich: Nein, Herr, das geht nicht, das kann ich nicht. Wir hören die Wahrheit, sehen mitten in Jesu Herz – und selbst die Frömmsten und Besten und Pfarrer gehen nachher traurig nach Hause, weil sie dieser Bitte Jesu nicht folgen können. Oder wollen. Ein bisschen geben, das ja; auch mal ein bisschen mehr geben, wenn die Not einem ins Auge springt, das auch. Aber nichts festhalten – das geht gar nicht. Dazu ist mein Vertrauen nicht groß genug. – Vertrauen – in diesem Wort schlägt das Herz der besten Nachricht der Welt. Ich höre die Wahrheit und tue sie nicht. Weil ich ihr nicht vertraue. Weil ich lieber selber für mich sorge. Weil ich bei mir auf der sicheren Seite bin. Weil ich mich sonst fürchte. Weil ich nicht einsehe, dass andere das kriegen, was ich mir erarbeitet habe. Weil die anderen selbst schuld sind, wenn sie nichts haben. Weil Opfer nichts bringen. Weil mir meine Furcht immer noch lieber ist als das Vertrauen auf Gott. Merkt ihr? Es gibt hundert Gründe für Misstrauen. Und alle klingen plausibel. Jesus überzeugen sie nicht. Zu jedem meiner Gründe sagt er geduldig: Gott ist mächtiger. Gott ist wichtiger. Gott kümmert sich um deine Furcht. Beim kleinsten Misstrauen sagt Jesus aus vollem Herzen zu dir und mir: Gott sorgt doch für dich wie für den Vogel, der da fliegt, schau: Da oben am Himmel! Hab nicht so viel Angst um dich. Aber es hilft nicht. Ich gehe traurig davon wie der reiche Mann, der Jesus ans Herz wächst. Der Mann hört die Wahrheit: Halte nichts fest, und du wirst reich. Oder: Vertrau Gott in allem, und du hast weniger Furcht und wirst selig. Aber der Mann vertraut nicht, er behält und sichert sich ab. Du weißt und kennst die Wahrheit und tust sie nicht. Ich weiß, dass ich Gott allein „über alle Dinge“ vertrauen soll, und ich vertraue ihm nicht. Im Zweifel halte ich fest an dem, was mir gehört, was ich hart erarbeitet habe. Angeblich mit eigenen Kräften. Im Zweifel? Für mich. Und was geschieht jetzt? Jetzt wartet Gott. Und hofft, dass ich mich besinne, vielleicht umkehre. Mein Herz jeden Tag neu frage: Warum hänge ich so an mir? An meinem Besitz, an meiner Meinung, an meiner Rechthaberei? Warum verteidige ich meine Fehler auch noch? Und: Warum ist mein Vertrauen zu ihm so klein? So viel Erdenschwere, so wenig Vogelleichtigkeit? Warum hänge ich so an mir? Wa­rum gebe ich nicht ab? Gott wartet auf meine Antwort wie der Vater, der auf sein weggelaufenes Kind wartet. Hängt mein Herz am Rechthaben, dann gib dies weg. Hängt mein Herz daran, dass ich immer und überall unschuldig bin, dann gib dies weg. Hängt mein Herz am falschen Lebensstil, dann ändere ihn. Hängt mein Herz an mehr Geld, als ich nötig habe, dann gib dies weg. Und wenn ich es nicht kann? – Seht, da geht der Reiche. Wird wohl lebenslang traurig sein. Sein vieles Geld kommt uns so billig vor. Auch sein letztes Hemd hat keine Taschen. – Weiter im Text steht: „Und Jesus sah um sich.“ Ein suchender Blick. Ein kurzer Satz von ihm an die, die bleiben: Wer an seinem Gelumpe festhält kommt keinesfalls in den Himmel. Die Jünger sind entsetzt. Wieder Furcht. Ein Beleg dafür, dass sie selbst sich getroffen fühlen. Jesus legt noch eine Schippe drauf: „Es ist unglaublich schwer, in Gottes Reich zu kommen! Es ist leichter, dass ein „kamelion“, ein Kamel, oder meinte er das ähnliche Wort „kamilion“, dickes Tau,… „Es ist leichter dass ein dickes Tau durch ein Nadelöhr passt, als dass einer mit seinem beladenem Leben, seien es Geldbeutel oder Sündensäcke, in den Himmel kommt.“ Das trifft die Jünger ins Herz. Denn so steht´s: Sie entsetzten sich noch viel mehr!“ Wieder Furcht. Sie erkennen damit die nackte Wahrheit: Keiner ist so heilig und rein wie Gott. Auch wir nicht. Und sie stammeln: „Wer kann dann gerettet werden?“ Jesus bestätigt ihr Erkennen. Gerettet? Kein Mensch. Niemand hat sein Leben lang alle Gebote immer gehalten. Nicht einer kommt in Gottes neue Welt: „Bei Menschen ist´s unmöglich.“ Wenn du nach deinem Sterben nicht hinab in die gottlose Finsternis und Verdammnis willst, sondern ins Licht Gottes, schaffst du es nicht aus eigner Kraft. Dann brauchst du Gott, musst dich an ihn wenden. Sich zu Gott wenden geht nur, indem du dich abwendest, von dem, was dich binden will. Himmel, da wende dich an Gott: „Bei Menschen ist´s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“  Vor diesem Satz Jesus, steht Jesu dritter Blick. Das drittemal redet unser Text vom Sehen Jesu. „Wer kann dann gerettet werden?“ So fragen die Jünger entsetzt. Auf diese Frage hin steht hier: „Jesus aber sah sie an.“ Was war das für ein Blick? Er sah sein Kreuz, dort auf Golgatha. Er sah sein Leiden und Sterben für die Sünden der Menschenkinder. Sah sein Blut fließen, sah seinen Tod, sein Opfer. Sah, dass er alles würde lassen müssen. Sah, wie sich durch seine Hingabe der verschlossene Himmel öffnete, sah, dass Gott es durch ihn ermöglichte, was sonst unmöglich war. Er sieht seine Jünger an, und durch sie hindurch, und an ihnen vorbei, zu allen Menschen.  Und als es lange still ist, hören sie, hören wir, seine leise, feste Antwort: „Bei Menschen ist´s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“ Darum geht es. Um dein Leben. Deshalb brauchst du vor allem Jesus. Amen.

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