Rinderwahnsinn

Rinderwahnsinn

Hallo zusammen,

auch wenn Corona seit gut zwei Wochen in Deutschland das nahezu alles dominierende Thema ist, haben wir uns für den Input entschlossen, jetzt keine spezielle Corona-Themenreihe zu machen. Gerade in der letzten Woche ist mir bewusst geworden, dass die Situation aktuell von einzelnen auch ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Für manche bedeutet die aktuelle Situation super viel Stress, weil neben dem Job jetzt auch noch Kinder betreut werden müssen oder weil die Schulen oder Universitäten der Meinung sind, jetzt mal ordentlich Stoff vermitteln zu müssen. Andere wissen gerade nichts mit ihrer Zeit anzufangen. Und für wieder andere hat sich eigentlich gar nichts geändert. Deswegen ist es auch schwierig, das eine für alle wichtige Thema in dieser Situation rauszufiltern und zu adressieren.

Und darum haben wir uns überlegt: Wir machen einfach bei dem Thema weiter, das wir im letzten Monat angefangen hatten, nämlich bei der Geschichte vom Propheten Daniel aus der Bibel. Und ich glaube, dass wenn wir uns mit der Bibel beschäftigen, von der wir glauben, dass Gott durch sie zu uns spricht, dann finden wir immer etwas, das auch in unserer aktuellen persönlichen Situation relevant ist. Und ich bin mir sicher, dass das auch mit unserer Geschichte heute der Fall sein wird.

Heute geht es um das vierte Kapitel aus dem Buch Daniel. Und wenn du die vorherigen Themen verpasst hast, ist das nicht weiter schlimm. Die letzten Themen gibt’s zum Nachhören auf unserer Homepage. Aber damit du auch jetzt schon weißt, worum es eigentlich geht, fass ich die bisherige Geschichte mal kurz zusammen.

Daniel war als junger Mann, vielleicht gerade mal ein Teenager, als Gefangener aus Israel in das babylonische Großreich verschleppt worden. Für die Historiker unter uns: Das war so ca. 605 Jahre vor Christi Geburt. Der König von Babylonien war zu der Zeit ein Mann mit dem klangvollen Namen Nebukadnezar. Nebukadnezar war jetzt nicht unbedingt jemand, den man als Menschenfreund bezeichnen würde. Aber er war ein ausgesprochen erfolgreicher Feldherr. Und er war kein Idiot, was den Umgang mit den besiegten Völkern angeht. Er hat nämlich ausschließlich die Oberschicht der besiegten Völker nach Babylon bringen lassen. So konnte das einfache Volk vor Ort das Land weiter bewirtschaften. Und den besten der jungen Leute, die dann nach Babel, der Hauptstadt Babylons, als Gefangene kamen, hat er eine aussichtsreiche Karriere am Hofe des Königs in Aussicht gestellt. Und auf diesem Weg sind sich dann auch Daniel und Nebukadnezar begegnet.

Letzte Woche haben wir dann davon gehört, wie Nebukadnezar zu seinen Ehren ein großes Standbild hatte anfertigen lassen, das alle Leute in seinem Reich anbeten sollten. Und Daniel, bzw. in diesem Fall seine Freunde, hatten da nicht mitgemacht, weil sie ihren Gott allein verehren wollten. Nebukadnezar konnte das als ehrgeiziger König natürlich nicht auf sich sitzen lassen und wollte sie umbringen lassen. Er wollte sie in einem überdimensionierten Hochofen verbrennen. Aber dann hat Gott diese Männer auf wunderbare Weise gerettet. Und Nebukadnezar musste einsehen, dass dieser Gott von Daniel und seinen Freunden mächtiger ist als er.

Eigentlich geht es in unserer Themenreihe ja um Daniel. Aber heute steht mal König Nebukadnezar im Fokus. Wir haben schon gemerkt: Dieser König ist ziemlich von sich überzeugt. Wer kann’s ihm verdenken? Er hat als großer Eroberer unglaubliche Erfolge zu verzeichnen. Aber er ist auch mit diesem Gott der Israeliten konfrontiert worden. Und ich hab mich gefragt: Was macht das mit einem König, dessen Schwert recht locker am Gürtel hängt? Stell dir mal vor: Die ganze Welt zittert vor deiner Macht und du bekommst es nicht hin drei unbewaffnete Typen, die dir die Stirn bieten, zu beseitigen? Das kann einen schon beunruhigen.

Ich glaube, dass Menschen, die in ihrem Leben was erreicht haben, sehr leicht von einer Angst verfolgt werden: Nämlich der Angst davor, das Erreichte wieder zu verlieren. Und das ist auch ein Stück weit normal: Wenn man sich um etwas bemüht hat, möchte man auch die Verantwortung wahrnehmen, das Erlangte zu bewahren.

Wenn du eine herausfordernde Ausbildung für deinen Traumjob absolviert hast, wirst du dich in dem Job nicht auf die faule Haut legen. Wenn du dich in jemanden verliebt hast, Zeit, Kreativität, Geld und Leidenschaft in den Aufbau einer Beziehung investiert hast, tust du gut daran, dieses Engagement beizubehalten, um diese Beziehung zu festigen. Auch wenn die rosarote Brille eine überschaubare Halbwertszeit hat.

Und ich glaube, dieses „Verantwortung übernehmen“, ist etwas, das Gott von Anfang an für die Menschen vorgesehen hat. Gleich am Anfang der Bibel sagt Gott zum Menschen, dass er die Erde in Besitz nehmen soll und dass er Autorität und Fürsorgepflicht für sie hat (1.Mose1,28).

Nun war es bei Nebukadnezar aber so, dass er sich mit Macht und Gewalt zu dieser Verantwortungsposition gekämpft hat. Und natürlich hat er jetzt Angst vor einer größeren Macht, die ihm diese Position wieder nehmen kann. Vielleicht gibt es bei dir ja auch etwas, wo du Angst hast, es zu verlieren. Und vielleicht hast du in diesen Tagen sogar ganz besonders Angst davor. Ganz egal, ob das etwas ist, wofür du hart gekämpft hast, oder etwas, das dir einfach zugefallen ist.

Ich weiß nicht, wie sehr Nebukadnezar die Begegnungen, die er bisher mit Gott hatte, beschäftigt haben. Auf jeden Fall lesen wir im vierten Kapitel davon, dass Nebukadnezar einen Traum hatte, der ihm große Angst gemacht hat. Wer beim vorletzten Mal dabei war, erinnert sich vielleicht daran, dass Nebukadnezar schon mal so einen Traum hatte. Und dass dieser Typ echt krasses Zeug zusammenträumt. Das letzte Mal ging es um die Zukunft seines Reiches. Da war es letztlich Daniel, der ihm sagen konnte, was der König geträumt hatte und auch was dieser Traum bedeuten würde. An diese Begebenheit muss sich Nebukadnezar wohl jetzt erinnert haben, denn er fragt wieder seine Berater und eben auch Daniel, was sein Traum dieses Mal bedeuten würde.

In seinem Traum hat er einen gewaltigen Baum gesehen, der von der Mitte der Erde aus alle Länder überschattet und alle Menschen mit Nahrung versorgt. Dann kommt ein Engel, der befiehlt den Baum zu fällen und den Baumstumpf in Ketten zu legen. Warum auch immer man einen Baumstumpf in Ketten legen sollte. Außerdem wird ihm im Traum noch gesagt, dass der Mensch, der diesen Baum darstellt, seinen Verstand verlieren würde und so leben würde wie ein Tier. Zuletzt sei die Moral von der Geschichte:

[…] Der höchste Gott ist Herr über alle Königreiche der Welt. Er vertraut die Herrschaft an, wem er will, selbst dem unbedeutendsten Menschen kann er sie geben.
(Dan.4,14; Hfa)

Als Daniel von diesem Traum hört, wird er kreidebleich, weil er erkennt, dass Nebukadnezar selbst dieser Baum, bzw. dieser Baumstumpf ist. Dass er selbst seinen Verstand verlieren und wie ein Tier leben würde. Und genau so kommt es auch. Nach einem Jahr, als Nebukadnezar sich gerade stolz seine Hauptstadt betrachtet, verliert er seinen Verstand. Er wird aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Er ist kein König mehr. Er lebt wie ein Tier und verwahrlost total.

Schon interessant, wie diese Geschichte ausgerechnet in dieser Woche so perfekt in unsere Situation passt. Auch Nebukadnezar bekommt hier quasi seine eigene Kontaktsperre auferlegt, wird von seiner Außenwelt isoliert. Im Gegensatz zu uns hat er nicht mal die Möglichkeit sich über Youtube oder Discord zu vernetzen. Selbst wenn er die technischen Möglichkeiten gehabt hätte, sein Verstand gehorcht ihm nicht mehr. Seine ganze Macht, sein ganzer Einfluss, alles, wofür er so hart gekämpft hat, kann er nicht halten. Ja, er hat nicht mal Klopapier. Er hat vollkommen die Kontrolle verloren.

Wie gesagt, ich habe in der letzten Woche mit vielen verschiedenen Leuten gesprochen. Und auch wenn einige aktuell ganz gut mit der Situation klar kommen, habe ich doch viele erlebt, die psychisch gerade sehr stark belastet sind. Dinge, die vor zwei Wochen noch vollkommen selbstverständlich waren, sind nicht mehr möglich. Die Isolation ist für manche die reinste Folter. Wir alle sind damit konfrontiert, dass die Welt, die wir kannten, völlig aus den Fugen geraten ist. Und die Nachrichten verstärken diesen Eindruck nur noch, dass auch wir vollkommen die Kontrolle verloren haben. Bei Nebukadnezar wie auch bei uns. Von einem Moment auf den nächsten.

Warum lässt Gott das zu? Warum hat Gott das bei Nebukadnezar sogar in diesem Traum schon vorhergesagt? Warum lässt Gott auch in unserem Leben solche Situationen zu, in denen wir überhaupt keine Kontrolle mehr zu haben scheinen?

Wenn ich mir Nebukadnezar so betrachte, dann war er, wie gesagt, wirklich kein Unschuldslamm. Wie viele Menschen sind in den Kriegen, die er geführt hat, gefallen? Wie viele Familien hat er zerrissen, indem er sie verschleppt hat? Wie viele Widersacher hat er einfach aus dem Weg räumen lassen, wenn sie nicht gerade an einen feuerfesten Gott geglaubt haben? Wie viele andere Menschen haben wegen seiner Tyrannei ihren Glauben an Gott aufgegeben? Wie viele Menschenleben hat der Stolz dieses Mannes schon auf dem Gewissen? Da ist es doch nur verständlich, dass Gott jetzt mal hart durchgreift und dem Typen zeigt, wo der Frosch die Locken hat.

Natürlich können wir Nebukadnezar einfach an den Pranger stellen. Ist erstmal geklärt, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur. Und sein Wahnsinn ist halt Gottes Strafe für seinen Hochmut. Steht ja auch in der Bibel:

18 Stolz führt zum Sturz, und Hochmut kommt vor dem Fall.
(Spr.16,18; Hfa)

Ich glaube aber, dass wir mit dieser Perspektive zu kurz springen. Ich weiß, dass gerade unter Christen sehr schnell, wenn irgendwas Schlimmes in der Welt passiert, die Gottes-Gerichts-Keule ausgepackt wird. Dann wird lang und breit erklärt, warum das jetzt die gerechte Strafe Gottes für die Menschen ist. Dabei ist egal, ob ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt, Lebensgrundlagen zerstört werden oder eben Zehntausende Menschen an einer Virusinfektion sterben. Ist Gott wirklich so? Einer der einfach draufhaut, wenn’s ihm zu bunt wird? Ich glaube das nicht.

Es ist interessant, wer uns diese Geschichte von Nebukadnezars Traum und seinem Wahnsinn erzählt. Es ist Nebukadnezar selbst. Und er bringt sie folgendermaßen zu Ende:

31 Als die lange Zeit schließlich zu Ende ging, schaute ich hilfesuchend zum Himmel empor, und da erlangte ich meinen Verstand wieder. Ich pries den höchsten Gott, ich lobte den, der ewig lebt. Seine Herrschaft hört niemals auf, sein Reich bleibt für alle Zeiten bestehen. 
32 Die Bewohner dieser Erde sind nichts im Vergleich zu ihm. Alle Menschen, ja sogar die Mächte des Himmels müssen sich seinem Willen beugen! Niemand kann sich ihm widersetzen und ihn fragen: »Was tust du da?« 
33 Als ich wieder bei Verstand war, erhielt ich meine königliche Würde, Ehre und Anerkennung zurück. Meine obersten Beamten und die führenden Männer meines Reiches kamen zu mir und setzten mich wieder als König ein. Ich wurde noch berühmter und angesehener als zuvor.
(Dan.4,31-33; Hfa)

Es ist eine lange Zeit, die Nebukadnezar in seinem Wahnsinn gefangen ist. Die Bibel spricht von sieben Zeiträumen. Ob es sich dabei um Jahre handelt, ist nicht ganz klar. Aber auf jeden Fall lange. Doch in dem Moment, in dem er seine Augen zum Himmel richtet, wird sein Verstand wieder hergestellt und er wird sogar wieder als König eingesetzt.

Alles wieder wie vorher? Nein. Wenn Gott jemanden durch so einen sprichwörtlichen Wahnsinns-Trip gehen lässt, dann nicht dafür, dass danach alles wieder wie vorher ist. Der Grund für Nebukadnezars Wahnsinn war sein Stolz. Er hatte sich seine ganzen Erfolge, seinen Einfluss, seinen Ruhm sich selbst zugeschrieben: „Ich hab das erreicht.“ „Ich bin der König.“ „Ich hab die Macht.“ Und jetzt beendet er seine Geschichte mit einer völlig anderen Herzenshaltung. Das, was wir als Einleitung für dieses Kapitel lesen und auch das, was quasi als Epilog dieses Kapitel abschließt, ist purer Lobpreis von Gottes Macht:

33 Groß und gewaltig sind seine Taten! Sein Reich bleibt für immer bestehen, seine Herrschaft hört niemals auf.
34 Nun lobe und preise ich, Nebukadnezar, den König, der im Himmel regiert. Ihm gebe ich die Ehre! Er ist zuverlässig und gerecht in allem, was er tut. Wer aber stolz und überheblich ist, den kann er stürzen.
(Dan.3,33.4,34; Hfa)

Man muss sich das mal vor Augen halten. Dieser heidnische König, der uns in den letzten Kapiteln als ein brutaler, überheblicher und jähzorniger Tyrann vor Augen gestellt wird, darf hier ein ganzes Kapitel der Bibel schreiben. Gott hat diesem König mit dieser Krise eine Chance gegeben, seine Perspektive auf sich selbst und auf Gott zu korrigieren. Und Nebukadnezar hat diese Chance ergriffen. Die Angst, die er vorher hatte, weil er gemerkt hat, dass Gott ihm seine Macht nehmen könnte, darf er aufgeben, weil er erkennt, Gott hat die Macht sowieso.

Gott lässt die Krisen in unserem Leben nicht zu, um uns zu strafen. Er lässt die Krisen in unserem Leben zu, um uns in ihnen zu begegnen. Und manchmal braucht es diese Krise, damit wir das aufgeben können, was wir glauben, festhalten zu müssen, damit Gott uns mit der Wahrheit über sich und uns begegnen kann. In Nebukadnezars Fall hat Gott den Wahnsinn seines Stolzes zugelassen, um ihn von diesem Stolz zu befreien. Stolz ist ebenso wie Selbstverachtung nicht nur ein Zerrbild von uns selbst. Sondern auch von Gott. Und von diesem Wahnsinn will Gott uns befreien.

Ich musste daran denken, wie Jesus viele Jahre später einen anderen Menschen von seinem Wahnsinn heilt und ihm die Möglichkeit für einen Neuanfang gibt (Mk.5). Und ich glaube, dass Jesus auch uns aus dem Wahnsinn unserer Zeit gerade herausholen will.

Diese Woche habe ich mit einem Mädchen gesprochen, das mir gesagt hat, dass sie in der vergangenen Woche bewusst ihr Leben Gott anvertraut hat. Und sie hat mir gesagt, dass sie sich dabei gerade irgendwie noch nicht so richtig wohl fühlt. Als ich sie gefragt habe, warum, hat sie gesagt: Naja, dieses Gefühl jetzt nicht mehr die Kontrolle in meinem Leben zu haben, fühlt sich irgendwie doof an. Und ich wollte erst sagen: Hey, du hast doch immer noch die Kontrolle. Gott schenkt dir doch Freiheit. Du kannst noch immer tun, was du willst. Aber ich hab gemerkt: Ja, das ist nicht komplett falsch, aber es ist eigentlich irgendwie nicht der richtige Ansatz. Ich kann dieses Gefühl, dass man die Kontrolle behalten möchte, sehr gut verstehen. Aber was, wenn dieser Gedanke von Kontrolle in unserem Leben eigentlich in sich schon eine Illusion ist? Was, wenn das die Definition von Stolz ist, zu glauben, man hätte sein Leben unter Kontrolle? Und gerade die gegenwärtige Krise zeigt uns das doch ziemlich unmissverständlich, dass wir es nicht unter Kontrolle haben.

Wie gut, wenn Gott uns dann einlädt diesen Zustand des Kontrollverlustes anzunehmen und ihm zuzugestehen, dass er die Kontrolle hat. Und dass wir sie ihm auch überlassen. Jesus lädt uns ein:

29 Vertraut euch meiner Leitung an und lernt von mir, denn ich gehe behutsam mit euch um und sehe auf niemanden herab. Wenn ihr das tut, dann findet ihr Ruhe für euer Leben.
(Mt.11,29; Hfa)

Amen.

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