Sich rühmen

Sich rühmen

Jer 9, 22-23                                     Septuagesimae – Oßling/Großgrabe, am 13.02.2022

So spricht der Herr: ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“

Liebe Gemeinde! Man muss sich gut verkaufen, gut darstellen können. So lautet eine Erfolgsregel unserer Gesellschaft. Eine Lebensregel ist das nicht. Ich spreche zuerst von unserer Gesellschaft, weil Jeremia in unserm Predigtwort zuerst das öffentliche Miteinander anspricht: König, Bauern, Soldaten, Handwerker, Priester, Kaufleute, Alte, Junge … Jeremia sieht das soziale Miteinander zerbröseln. Weil es um Erfolg, und viel zu selten um das Miteinander geht. Er redet in eine angespannte Situation hinein, geprägt von Angst um das eigne Wohlergehen, Angst vor Verlust des Wohlstandes. Auch heute hören wir, viele haben es verinnerlicht, und halten es für die Wahrheit: man muss sich behaupten mit Wissen, Macht und Geld. Wissen ist Macht. Macht ist Freiheit. Geld verschafft Geltung. Diese Denkstruktur ist weitgehend zur Lebensstruktur der westlichen Zivilisation geworden. Deshalb erleben wir im gesellschaftlichen Leben mehr Kälte als Wärme. Täglich berichten die Medien davon. Da hören wir von Gewalt und Korruption, Streit, Missgunst, kurz, Vertrauensverlust im Alltag. – Jeremia vor 2.600 Jahren musste, trotz 30 Jahre Predigen, den Untergang seines Volkes, das Auseinanderbrechen der Gesellschaft erleben. Er war der Prophet, der die Wahrheit verkündete, auf den aber niemand hören wollte. Der Rufer erlebte die Katastrophe selbst. Aber seine Mahnungen wandern als Ruf durch die Zeiten. Auch heute erklingen seine Worte, nicht sehr laut, aber vernehmlich. Sie werden von ca. 600.000 Christen in Deutschland, in den Gottesdiensten gehört. Ob es ein Aufhorchen, eine Neubesinnung gibt? Was meint ihr? Ob ein Ruck durch Deutschland oder durch die Christenheit in Deutschland geht, wenn Jeremia ruft: „So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.“ Ein Politiker, den ich sehr schätze, hat sich, für mich vorbildhaft, im höchsten Amt des Staates von diesem Jeremiawort leiten lassen. Nach seinem Amtsverständnis gefragt, antwortete er: „Mein Amt ist ein Dienst, meinen Mitbürgern bin ich ein Christ und was meine Befugnisse betrifft, bin ich nicht der, der die Macht hat, sondern dem sie gegeben ist.“ „Ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke … er rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin.“ Macht, Intelligenz Reichtum – Jeremia setzt diesen drei angeblich tragenden Säulen des Lebens drei wirklich tragende entgegen. Es geht eben nicht darum: der Stärkere gewinnt. Gott geht es darum, dass alle gewinnen, das Leben gewinnen. „Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ Gott will gerühmt werden. Wer rühmen will, soll Gott rühmen. Damit kein Missverständnis entsteht. Gott ist nicht eitel. Gott will nicht gerühmt werden, um sich im Glanz unserer Lobeshymnen zu sonnen. Ein Christ soll nicht als Bückling durchs Leben gehen. Gott will, dass es seinen Menschenkindern gut geht. Aber solange der Mensch auf sich schaut, so lange gilt das Wolfsgesetz: dann sind die einen oben und die anderen unter den Rädern. Der Mensch muss von sich wegschauen. Sein Geist muss aus dem Gefängnis des eignen ICH, aus der Angst ums Eigne, sei es Geld, Gesundheit, Arbeit, Zukunft, Tod oder Liebe – er muss von seiner kleinen Welt hinschauen auf Schönheit, Größe, Tiefe, Weite, Wahrheit, Liebe. Er muss auf Gott schauen. Dann tritt er aus dem Kerker seines Größenwahns in die Freiheit wahren Lebens. Im Lobpreis Gottes, im Rühmen seiner großen Taten und Verheißungen, im Singen, Hören und Bedenken seines Wortes, im Empfang der Sakramente, im Ausschau halten nach dem ewigen Leben in Gottes neuer Welt, im Gehorsam ggü. seinen Geboten, in der Liebe zu Jesus, in der Anbetung seines Kreuzes – schaut der Mensch auf Gott, weg von sich. In der Liebe zum Mitmenschen, im Verzeihen und Versöhnen, im Barmherzigsein, im Eintreten für Recht und Gerechtigkeit ahmt der Mensch Gott nach, der ja barmherzig und gerecht ist: „Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ – Wenn wir in die Stille eines Sternenhimmels schauen, am Rande des Meeres auf der Dünung sitzen, dann fühlt unsere Seele, dass wir der Wahrheit über uns und dem Leben näher sind als in allen Sorgen und Ängsten. Der Blick auf das Große bringt mich zu mir und zu meinem Schöpfer. Jeremia beschreibt Gottes Handeln an seinen Menschen so: „Ich bin der Herr, und schenke Liebe, gestehe jedem Lebensrecht zu und werde jedem gerecht.“ Das – so mahnt der Prophet – das sind die drei lebenstragenden Säulen: Liebe, die sich in der Barmherzigkeit zeigt; Recht, das jedem Menschen seine unverlierbare Würde bewahrt; Gerechtigkeit, wo einer dem andern gerecht wird. Sein Leben, das Miteinander auf diese drei Säulen bauen ist kein gedanklicher Vorgang. Da wäre es Philosophie. Es ist Arbeit des Herzens, Herzenssache. Der Verstand wird immer protestieren und sagen: halt, Intelligenz, Stärke und Geld, vergiss das nicht, es geht um dich. Unser Herz aber wird mahnen: immer und unter allen Umständen haben Liebe, Recht und Gerechtigkeit Vorrang. Denn es geht um alle, auch um dich. Beim Glauben, besser, wenn wir Gott nachahmen, geht es nicht ums Begreifen, sondern ums Ergriffensein. Sein Leben auf die Säulen Gottes bauen funktioniert nicht durch gute Vorsätze, sondern durch das Rühmen Gottes. Das Schauen auf seine Liebe und Güte. Der Dank für seine Treue. Gott rühmen – da blicke ich auf den Sternenhimmel – so weit, so unendlich ist seine Liebe. Da stehe ich am Gestade des Meeres – so kraftvoll und tief ist seine Gerechtigkeit in Jesus. Da schweift mein Blick vom Gipfel eines Bergmassivs – und ich erahne: Gottes Recht steht wie die Berge. Wer Gott rühmt, schaut auf Gottes Größe und sieht seine Kleinheit. Er muss sich wundern, warum der große Gott sich um ihn bemüht. Und erkennt im Rühmen und im Lobpreis: es ist Liebe. Aus Liebe spricht Gott mich an, trägt, hält, schützt mich. Wer sich als geliebt erkennt, kommt los von der Sorge um sich. Von diesem törichten, sinnlosen „Um-sich-selber-drehen“. Wer nun nicht mehr seinen Willen, sondern, aus Glauben, Gottes Willen an erste Stelle setzt – das ist ein Mensch, der durch den Glauben endlich zur Vernunft gekommen ist. Amen.

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