Silvester (Oßling)

Silvester (Oßling)

Matth 13, 24-30                                           Silvester/Altjahresabend – Oßling, am 31.12.2021

Liebe Gemeinde am Altjahresabend! „Es gibt einen Gott. Und ich bin es nicht.“ Zunächst bringt mich dieses Zitat zum Schmunzeln. Ich fühle mich ertappt, weil ich manchmal meine, es besser als Gott zu wissen. Besser zu wissen, was für mich gut ist, was für diese Welt gut ist. Doch es reizt mich, den Gedanken einmal weiterzudenken. Wenn ich Gott wäre, sähe die Welt anders aus. Auf jeden Fall gäbe es keinen Krieg. Und kein Corona natürlich. Und auch keine Klimakatastrophe. Auch keinen Hunger, der nicht gestillt wird. Da kann man sich reinsteigern, auf einen Schlag eine bessere Welt, ein angenehmeres Leben zu erschaffen. Keine Sorgen und keine Angst. Und keine falschen Entscheidungen. Auch keine Kränkungen. Und keine Bosheiten und Gemeinheiten. Rückenschmerzen auch nicht. Besser überhaupt keine Schmerzen. Eine schöne, neue Welt! Doch je mehr ich mir das ausmale, desto stärker beschleicht mich Unbehagen. Ich erschrecke über mich. Ich maße mir da etwas an, was mir nicht zusteht. Würde ich es wirklich besser machen? „Es gibt einen Gott. Und ich bin es nicht.“ Ein Scherz von Jim Henson, dem Erfinder der Muppetshow, der uns humorvoll zeigt, das wir Menschen sind. Ich bin nicht Gott, selbstverständlich. Jesus hatte auch immer wieder damit zu tun, dass Menschen sich mit Gott verwechselten. Oder meinten, genau zu wissen, was Gott von ihnen wollte. In einem Gleichnis hält Jesus seinen Zuhörerinnen und Zuhörern den Spiegel vor. Wir finden es im Evangelium des Matthäus. Ich lese Kapitel 13, die Verse 24-30: „Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt in meine Scheune.“ Ich sehe die Knechte vor mir. Soeben haben sie das Unkraut entdeckt. Zwischen dem Weizen, den sie auf Geheiß des Hausherrn gesät haben. Da hilft nur eins: Ausreißen. Die Knechte sind voller Tatendrang. Schließlich soll die Ernte gut werden. Aber woher kommt das Unkraut? Die Knechte begeben sich zu ihrem Herrn. Dem Hausherrn melden sie ihre Beobachtung. Der Hausherr bleibt gelassen. Ja, ein Feind hat das Unkraut gesät. Nein, ihr sollt nicht hingehen und es ausjäten. Ich sehe die Knechte vor mir. Was? Wir sollen das Unkraut nicht ausjäten? Nein, damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Wie? Der Hausherr hat noch nicht zu Ende geredet. Bis zur Ernte soll alles wachsen – das Unkraut mit dem Weizen. Erst dann ist es an der Zeit, das Unkraut zu sammeln und zu verbrennen. Hier endet das Gleichnis. Wir erfahren nicht, wie die Knechte damit umgegangen sind, dass sie so ausgebremst wurden. Jesus erzählt das Gleichnis so, dass auffällt, wie unterschiedlich der Hausherr und seine Knechte mit der Situation umgehen. Die Knechte haben nur eins im Sinn: das Unkraut ausreißen. Sie sorgen sich um den Weizen, haben Angst, dass er dem Unkraut nicht gewachsen ist. Natürlich können sie Weizen vom Unkraut unterscheiden. Da sind sie sich sicher. Der Hausherr ist gelassen. Er weiß um die Tatsache, dass Unkraut zwischen dem Weizen wächst. Kein Grund, sich zu beunruhigen. Vertrauen und wachsen lassen ist seine Devise. Der Weizen wächst von selbst. So weist er seine Knechte in die Schranken: Ihr könntet eine Bedrohung für den Weizen sein. Weil ihr in eurem Tatendrang und Übereifer nicht mehr genau hinseht. Gott Gott sein lassen mit allen Konsequenzen, darum geht es Jesus in diesem Gleichnis vom Himmelreich. Gott Gott sein lassen, der zuversichtlich auf seine Welt schaut, in die er den Samen seines Wortes und seiner Liebe gesät hat. Gott weiß um das Nebeneinander von Kräften, die das Leben und die Liebe fördern, und Kräften, die sich gewaltsam dagegenstemmen. Er vertraut auf den Samen, den er gesät hat, dass er aufgeht, selbst wenn Menschen und Mächte dagegen arbeiten. Wir wissen durch Gottes wort, dass der Satan versucht, dass Werk Gottes zu beschädigen. Ich wundere mich über Gottes Geduld und Vertrauen. Es fällt mir schwer, solches Vertrauen und solche Geduld aufzubringen. Wenn ich mit den Fernsehnachrichten in die Welt schaue, wünsche ich mir manchmal, dass ich die Macht habe, das Leid von Menschen zu lindern oder zu beenden. Gott Gott sein lassen und gelassen und vertrauensvoll zu sein, ist schwer. Jesus hält uns mit dem Gleichnis den Spiegel vor. Wir werden ausgebremst, wenn wir in unserem Einsatz für eine bessere Welt vor lauter Unkraut den Weizen nicht mehr wahrnehmen. Wir werden ausgebremst, wenn wir anfangen, Menschen in Gute und Böse einzuteilen. In die, die zu uns gehören, und in andere, fremde, für die wir nicht verantwortlich sind. Dann werden wir eine Bedrohung für das Himmelreich. Jesus stellt uns die Knechte vor Augen: Ihr traut euch etwas zu, was ihr nicht könnt. Ihr seid nicht in der Lage, zu unterscheiden zwischen dem, was dem Himmelreich nützt, und dem, was ihm schadet. Außerdem maßt ihr euch etwas an, was Gott zusteht. Zur Erntezeit ist es an ihm, seine Schnitter zu rufen, um das Unkraut zu sammeln und zu verbrennen und den Weizen in der Scheune zu sammeln. Bis dahin heißt es, Gott Gott sein zu lassen und sich in Geduld und Vertrauen zu üben. Jesus hat sein Heilswerk vollbracht am Kreuz. Er ist auferstanden. Er ist der Herr über alle Menschen, Mächte und Zeiten. Und Jesus wird wiederkommen. Bis dahin warten wir und sind seine Zeugen. – Jesu Gleichnis vom Himmelreich ist für den letzten Abend des Jahres ausgesucht. Es stellt uns Gott vor Augen, der an sich und sein Werk glaubt. Dass die Saat seiner Liebe aufgeht und Frucht bringt. Es tut gut, Gott heute Abend so wahrzunehmen. Im vergangenen Jahr schien die Welt manchmal aus den Fugen zu geraten. Jesus sagt: Gott ist da. Und wenn ihr mitwirken wollt an seinem Werk, dann kann ich euch sagen, wie sich das ereignen kann. Nehmt den Samen des Wortes Gottes und der Liebe wahr. Und vertraut darauf, dass der Same wachsen und die Liebe Gottes sich in und durch euch ausbreiten kann. Gott hat Geduld mit euch und vertraut darauf, dass die Saat aufgeht. Selbst wenn ihr feststellt, dass zwischen den Halmen auch Unkraut sprießt, sorgt euch nicht. Die Liebe ist stärker als alles, was sich gegen sie auflehnt und sie bedroht. Gott ist da – in der Welt, in mir und in dir. Er hat seine Welt und dich und mich nicht aufgegeben, auch wenn wir ihm manchmal gute Ratschläge geben möchten und voller Sorgen sind. Wie der Hausherr seinen Knechten, so begegnet er uns mit seiner Ruhe, seiner Gelassenheit und seiner Geduld. Es tut gut, sich das heute Abend gesagt sein zu lassen. Es geht nicht um gute Vorsätze und persönliche Ziele für das Jahr, das um Mitternacht anbricht. Nicht unser Tatendrang ist gefragt, sondern Behutsamkeit und Spüren. Vertrauen auf Jesus. Seine Gegenwart. Dass wir uns vertraut machen mit dem Raum in unserem Inneren, in dem Gott gegenwärtig ist, mit unserem Herzen. Dass wir den Heiligen Geist bitten, uns miteinander zu führen und beieinander und in Gottes Willen zu halten. Darauf kommt es an. Dazu braucht es Gebet, Stille und geduldiges Hinspüren. Das Alte legen wir in Jesu Hände, das Neue beginnen wir in Jesu Namen. Amen.

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