Stellt euch nicht der Welt gleich

Stellt euch nicht der Welt gleich

Röm 12, 1-3                                    1. Sonntag nach Epiphanias – Großgrabe/Oßling, am 10.01.2021

„Ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht der Welt gleich, sondern ändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage euch durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich´s gebührt zu halten, sondern maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“

Liebe Gemeinde! „Ich ermahne euch, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer.“ Was geht euch wohl bei diesen Worten des Apostel Paulus durch den Kopf? Man muss Gott alles geben? Oder – das kann, will ich auch nicht? Was bedeutet es, den Körper als lebendiges Opfer hingeben? Ich musste unwillkürlich an islamische Selbstmordattentäter denken. Sie binden sich Dynamit um den Körper und sprengen sich und oft viele Unschuldige in die Luft. „Gebt eure Leiber als Opfer.“ Dieses Wort könnte auch von einem radikalen islamischen Geistlichen stammen, der zum „Heiligen Krieg“ ruft. Dort, wo sich Religion mit politischer Macht verbindet, wird dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet. In unserm Predigtwort, so hören wir, wird Hingabe gefordert. Aber es kann nicht Sprengstoff oder Schwert gemeint sein. Wir versuchen dieses Wort zu verstehen, betrachten es. Ich predige ja nicht über einen Zeitungsartikel von letzter Woche. Da könnte ich leicht sagen: geht mich nichts an. Die Bibel aber ist das Buch unseres Glaubens. Unsere Hoffnung speist sich aus ihren Zusagen, unsere innere Kraft aus ihrem Wort. Unsere Vorväter haben aus ihr gelebt. Sie verbindet uns. Wir glauben, dass wir Gottes Willen und Wege für uns darin entdecken. Die Bibel ist unsere Autorität. Deshalb ist es so wichtig, eben weil viele dem biblischen Wort Vertrauen schenken, zu verstehen, was mit Hingabe gemeint ist. Damit wir mit unserm Vertrauen nicht auf falsche Wege geraten, verführt werden, ist es von großer Bedeutung, den Unterschied zwischen Liebe und Fanatismus zu sehen. Bei einem Selbstmordattentäter erkennen wir vollkommene Hingabe und verabscheuen sie, weil wir die Folgen des Fanatismus sehen: Zerstörung, Blut, Rache, Leid, Angst … Wenn wir das Leben einer Mutter Theresa betrachten, würde niemand auf die Idee kommen, von Fanatismus zu reden. Wir sehen dort auch vollkommene Hingabe und bewundern und achten sie, weil wir sehen, was daraus erwächst: Hilfe, Heilung, Sättigung, Freundlichkeit, Güte, Verzeihen, Wertschätzung … Die Selbstmordattentäter im Nahen Osten und auch die Hungerhilfe durch die Schwesternschaft  der Mutter Theresa sind Beispiele aus der weiten Welt. Sie lassen uns über Hingabe nachdenken. Ja, Hingabe, für etwas brennen, sich engagieren, ringen, einsetzen – darin verwirklicht sich ein Stück Lebenssinn. Das gehört zum Menschsein. Das bestätigt uns das heutige Predigtwort. Deshalb ist es so bedeutsam zu erkennen, was ist falsche Hingabe, wo darf ich nicht vertrauen, nicht mitmachen. Und was ist wahre Hingabe die Gott will und gefällt. Die Beispiele aus der weiten Welt zeigen es ein Stück für unsere kleine Welt. Niemand würde auf die Idee kommen, bei Eltern, die sich um ihr Baby kümmern, Nächte durchwachen, alles andere stehen und liegen lassen, von Fanatismus zu reden. Das ist Liebe. Das ist Hingabe, die Leben fördert. Aber da ist um uns und in uns eine Hingabe, die das Leben und Gottvertrauen ausbremst. Wie würdet ihr denn das Lebensgefühl in unserem Land beschreiben? Was hören wir für Töne? Jubel, Lachen, Glück Singen, fröhliche, freundliche Worte? Wenn das so wäre, würde ich sagen: Die Menschen in unserer Gesellschaft gehen den richtigen Weg der Hingabe. Ihre Zeit, Kraft, Energie und Liebe investieren sie ins Leben, Lebendige, Lebensfördernde. Dem scheint aber nicht so zu sein. Die Gesichter schauen angespannt, spiegeln Herzensanspannung. Ängste und Sorgen um Gesundheit und Wirtschaft, Böse und Gute nehmen einen breiten Raum in den Medien und Gesprächen auf der Straße ein, sofern es die noch gibt. Auch ein Blick in die Statistiken zeigt, dass Millionen Deutsche süchtig bzw. suchtgefährdet sind. Psychiater und Psychologen berichten von der steigenden Tendenz, dass Menschen zunehmend unter Ängsten, Phobien und Depressionen leiden. Unser Lebensstil hat Maßlosigkeit zur Gewohnheit gemacht. Über 100.000 ungeborene Kinder in jedem Jahr dürfen, laut Statistik, nicht ins Leben und werden im Mutterleib getötet. Das sind seit der Wende 3,5 Millionen. Die Zukunft unserer Enkel ist mit vielen Fragezeichen umgeben. Das passiert jeden Tag. Was seht ihr? Die Frage aus meinen Beobachtungen im Zusammenschau mit unserem Biblischen Wort lautet: Welcher Art ist die Hingabe der Menschen unseres Volkes, wenn es so aussieht? Sind wir fanatische Geldbeschaffer? Sind wir fanatische Lebensstandartabsicherer? Sind wir in voller Hingabe auf unser Wohl bedacht? Ist dieses Kämpfen, Sorgen und Ringen eine Hingabe an tote Dinge, weil so viel Leben-Zerstörendes als Resultat erkennbar ist? Mit diesen Gedanken über das Lebensgefühl und den Lebensvollzug unseres Volkes möchte ich uns hier ansprechen: Prüfe doch bitte, an was und wen hast du dich hingegeben? Sprich mit Freunden oder unter vier Augen mit jemandem darüber, damit du aus dem Selbstgespräch deiner Gedanken trittst. Was ist in der Spur deines Lebens erkennbar: Lebendiges oder Zerstörung? Welche Töne hörst du in dir und um dich: Jubel oder Angst? Dank oder Habenwollen? Lieder oder Schreie? Licht oder Leere? – Paulus schreibt hier an Christen, die in der Zerreißprobe zwischen Angst und Mut, Zweifel und Glaube stehen. Er rät ihnen: Da ihr in großen Herausforderungen und Lebenskämpfen steht, haltet an. Geht erst weiter, wenn ihr wisst, was euer Gott will, den ihr glaubt. Er schreibt ihnen: „Stellt euch nicht der Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Wisst ihr, wie man die Anfänge von Fanatismus erkennt: er schließt sich ein und andere aus, er kommt von oben herab, weiß es besser, ist besser. Der Satz des Paulus würde sich auch bestens dafür eignen: „Stellt euch nicht der Welt gleich.“ Doch ganz sicher meint Paulus nicht: die böse Welt ist ja voller Sünde, wir grenzen uns total ab und predigen ihr: nur, wenn ihr werdet wie wir kommt ihr in den Himmel. Wie ist das also zu verstehen: „Stellt euch nicht der Welt gleich.“? Dazu schauen wir auf Jesus. Er kam als Sohn Gottes in den Dreck, die Armut und Dunkelheit der Welt und hat die Liebe und Vergebung des Vaters in den Himmeln zu uns gebracht. Er ist zu den Menschen gegangen. Aber er hat sich ihnen weder angepasst oder nach dem Mund geredet noch alles mitgemacht. Er hat zu einem hingebungsvollen Vertrauen zu Gott eingeladen. „Stellt euch nicht der Welt gleich.“Das heißt dann für uns: Betrachtet eure Welt und euch, aber betrachtet sie im Glauben, mit den Augen Gottes. „Stellt euch nicht der Welt gleich.“ Das ist die Einladung zum Leben, der Ruf: Tritt heraus aus der dunklen Hütte deines begrenzten Denkens und erklimme die Berge der großen biblischen Hoffnungen. Dann werden die Mühsale des Lebens nicht weniger, aber sie erscheinen in der realen Größe, nämlich klein. Und du siehst – dein Leben hat einen weiten Raum, auch über den Tod hinaus. Umgeben bist du von der Liebe Gottes, eingebettet in einen Lebensplan, umhüllt von Engeln und überall erwarten dich Weisung und Vergebung … Der Skeptiker erwidert: Tja, woher soll ich das wissen? Schön wär´s ja, aber wie soll das in meinem Leben wahr werden, wie kann ich es denn ergreifen? Da schließt sich der Kreis zum Anfang der Predigt, beim Opfer des Leibes. Du sollst dich Gott zur Verfügung stellen. Er will dich mit Hoffnung füllen, mit Vergebung sättigen, mit Liebe tränken und Zuversicht stärken. Stell ihm dein Ohr zur Verfügung, dass sein Wort in dich hineinkommt. Deine Augen lass die Bibel lesen, deine Lippen gute Worte reden und dein Inneres beten. Lass das Zentrum deiner Person, dein Herz, ein Kämmerlein für Christus sein. Wohnt Christus in dir? Lad in doch jetzt ein, in dir zu wohnen. (Joh 10) Schenk ihm deine Hände und tue Gutes, deine Füße und bring einen Brief an Einsame zur Post. Stell ihm deine Zunge zur Verfügung – und schweige. Schweige. Und lass es in dir still, endlich mal still werden. Lerne schweigen, damit du reden lernst: „Ich ermahne euch, dass ihr eure Leiber hingebt als Opfer … das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“ Amen.

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