Von Herrlichkeit überrascht

Von Herrlichkeit überrascht

Lk 2, 8-16                                                                        3. Advent – Oßling/Großgrabe, am 13.12.2020

„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn umleuchtete sie und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilends und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen.“

Liebe Gemeinde! Welches Jahresfest der Deutschen hat die meisten Rituale und Traditionen? Es ist eine rhetorische Frage, weil die Antwort auf der Hand liegt: Weihnachten. Die Liste ist ggü. Ostern u.a. Festen ungleich länger. Traditionen – d.h. alle Jahre wieder. Und dieses Jahr? Glaubt man den Berichterstattern, Umfragen, sagt die Mehrheit: Corona hin, Corona her. Wir feiern Weihnachten wie immer. Doch dieses Jahr ist vieles anders. Staatlich verordnet, werden Traditionen verboten, eingeschränkt. Kein Weihnachtsmarkt, Glühwein, Gedränge, Geschenke schnell noch kaufen, keine Christvespern wie immer, Kirche mit Anmeldung, Krippenspiel nur als Kino u.v.m. Alles ist nicht wie immer. Kommen Traditionen nicht mehr zum Tragen, macht sich Verunsicherung breit. Wie feiern wir denn nun Weihnachten? Was bleibt uns vom Fest ohne Tradition? Wir betrachten diese Frage mit Blick auf Familie: Was bleibt denn von Familie, wenn alles plötzlich anders? Wir nehmen mal an: Ein Ehepartner ist schwer erkrankt, Operation, Wochen im Krankenhaus, lange Reha. Dann hat sich der Alltag komplett verändert. Nichts ist mehr wie es war. Was bleibt ist die Liebe, die Beziehung. Die bleibt unberührt, auch wenn sich der Alltag komplett ändert. Ja, sie tritt sogar deutlicher hervor. Jetzt erst merkt man an den Sorgen und Ängsten, wie man sich braucht, was man sich bedeutet. Ich will damit sagen: Alltag und Traditionen sind schön. Sie erzeugen Wohlbefinden und Sicherheit. Aber sie tragen nicht. Wenn sie wegfallen wird die Frage geöffnet: Was jetzt? Was trägt jetzt? Was trägt uns – Tradition, also wiederkehrende Gewohnheiten oder Beziehung? Wir sind ja beim Thema „Weihnachten“. Deshalb: Ist Weihnachten für dich ein Fest der Traditionen oder der Beziehung? Wir Deutsche nennen es ja „Fest der Familie“, „Fest des Friedens“, „Fest der Liebe“. Ob es das dann im Kreis unserer Lieben auch wirklich ist, oder ob wir einfach diese Tage mit zu hohen Erwartungen überfrachtet haben, das muss sich erweisen. Zumindest wird in diesen Bezeichnungen für das Fest eine tiefer liegende Sehnsucht deutlich: Sehnsucht nach tragenden Beziehungen. Familie, Frieden, Liebe sind Beziehungsworte. Hätten wir Sehnsucht nach Tradition, d.h. würden wir uns davon Erfüllung erhoffen, hieße Weihnachten „Fest der Fichte“, „Pyramidenparty“, Glühwein-Bratwurst-Session“. Machen wir aber nicht. Sagen: „Fest der Familie“. Deshalb geht es uns zur Weihnacht im Herzen um Sehnsucht und Beziehung. – Nun gibt es, alle Jahre wieder, an Weihnachten auch eine Erzähltradition. Darin geht es allerdings weniger um die äußerliche Gestalt, sondern um den inneren Gehalt von Weihnachten. Es ist die traumhafte Geschichte von Engeln und Hirten, Nacht und Stall, Armut, Krippe, Kind Jungfrau und Joseph. Wir haben diesen Bericht zu einer Tradition gemacht, weil er seit Jahrhunderten jedes Jahr verlesen, gehört, erwartet und in Krippenspielen geschauspielert wird. Nun? Spiegelt sich für dich in dieser Geschichte nur eine Tradition oder eine Beziehung? Das ist eine sehr entscheidende, ja existenzielle Frage. Dass Jesus, der Höchste, Schöpfer aller Welten, der Herr, der Ewige – dass ER sich erniedrigt, alle Rechte, alle Macht aufgibt, loslässt und ein Mensch wird und nur noch kann, was ein Mensch kann – das bedeutet Beziehung bzw. Gott will eine Beziehung mit dir, hat Sehnsucht. Beziehung ist alles. Er will mit uns auf Du-und-Du sein. Deshalb, aus Liebe und Sehnsucht, deshalb ist er auf unsere Ebene gekommen. Begegnet uns auf Augenhöhe. Stell dir jetzt diese sehr persönliche Frage: Zeigt sich mein Glaube nur in Tradition oder habe ich eine persönliche Beziehung zu Gott? Deine Antwort hat entscheidende Konsequenzen, so oder so. Wir bleiben an dieser Frage: Ist Kirche, Glaube für mich allenfalls Tradition oder lebendige Beziehung zu Jesus? Wir bleiben damit innerlich stehen, lauschen auf unseren Herzschlag und schauen ruhig auf die Menschen der Weihnacht. Da ist Maria. Und Joseph. Die lassen wir im Stall. Im Weggehen hören wir Maria, ein sehr intimer Moment. Die Wehen haben eingesetzt. Joseph ist ja da. Wir verlassen vorerst diesen Ort, nennen wir ihn Wendepunkt der Weltgeschichte. Und gehen in die Nacht. Jetzt ist es um uns dunkel. Bedenken wir bei unseren Schritten im Finstern, dass „Nacht“ viele Gesichter und Orte hat: Im Herzen, in einer Beziehung, im Glauben. Nacht zwischen Gott und mir. Jedenfalls liegt Bethlehem hinter uns. Draußen, weit draußen die Hirten. Auch sie sind in ihrer Nacht. Aber es ist die Heilige Nacht. Das wissen diese rauen Gesellen nur noch nicht. Die Hirten – ich muss behutsam sein in meiner Betrachtung, weil: sie sind mir und meinem Lebensumfeld sehr fern und fremd. Ich bin nicht ausgeschlossen wie sie vom dörflichen Leben und der Gemeinde. Das waren sie aber. Sie mussten draußen sein, Tag und Nacht. Dazu bin ich nicht bettelarm wie sie, auch nicht verachtet, sozusagen am Rand der Gesellschaft. Damals hieß es: wer nichts wird wird Hirt. Zu dieser kurzen Analyse tritt nun das Unglaubliche. Genau mit Menschen dieser Art sucht Gott Kontakt, Beziehung. Das ist für unsere menschliche Denke äußerst unerwartet. Nun stell dir vor, du hättest im verborgensten Winkel deines Herzen diese Sehnsucht bewahrt: Liebe und Leben für immer; Frieden über allem, dem was war und wird. Keine Angst vor Krankheit und Tod. Himmel auf Erden. Diese Sehnsucht. Doch in deinem Herzen ist es Nacht, weil du das nicht glauben kannst. Kannst nicht glauben, dass „Der da oben“ – naja, vielleicht ist er da, man weiß ja nie – eine Beziehung zu dir sucht, will. Nee, unmöglich. Kann ich nicht glauben. Nacht kann sich in Licht verwandeln. So wird es uns glaubhaft berichtet. Die Hirten, Menschen ohne Glauben, A-theisten, werden vom Himmel berührt. Der Vorhang zwischen den Dimensionen wird für ein paar Minuten zurückgezogen. Sie dürfen Himmel sehen und hören, einen Engel, der in ihrer Sprache ihre Sehnsucht berührt:„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude. Euch ist heute der Retter geboren. Ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Ihr werdet finden!“ Tausende Engel jetzt, Gesang, Jubel, Licht. Dann der Vorhang wieder zu. Nur der seltsam große Stern am Himmel. Ob sie dieser Botschaft glauben? Dass ist die Frage auch für dich: Glaubst du deiner Nacht oder der Botschaft? Das ist deine Glaubensentscheidung. „Lasst uns nun gehen gen Bethlehem.“ So entschieden sich die Hirten. „Und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.“  Glaube! Vertraue der Botschaft. Beginne, erneuere deine Beziehung zu Gott. Fange an. Suchen und Finden. Erlebe, was die Hirten verwandelte: „Und sie kamen eilends und fanden beide: Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen.“ Aufbrechen, suchen, finden. Darum geht es an Weihnachten: um deine Beziehung zu Gott. Er will dich tragen, führen, leiten, vergeben, heilen. Vertraue. Als das Krippenkind erwachsen war, Jesus in die Öffentlichkeit trat, ging es ihm in seinen Worten und Taten allein um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Durch Jesus, seine Worte, findest und gestaltest du eine erfüllte Beziehung. Doch du brauchst Jesus dazu. Schau, hör auf ihn. Er spricht: „Ich bin das Licht der Welt.“ Beziehung zu Gott macht das Leben hell. Er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Beziehung zu Gott stillt den Lebenshunger. Jesus verspricht: „Ich bin der Weg.“ Er führt dich in Beziehung mit Gott. Jesus sagt zu dir: „Ich bin der gute Hirte.“ Beziehung zu Gott schenkt Schutz und Orientierung. Jesus versichert: „Ich bin die Tür.“ Jesus öffnet den himmlischen Beziehungsraum. Tritt ein, du bist ersehnt, erwartet. Jesus schwört: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Bei Jesus gibt es keinen Tod, sondern ewiges, erfülltes Leben. – Zum „Fest der Liebe“ geht es um Gottes Liebe zu dir. Zum „Fest des Friedens“ geht es um Frieden zwischen Gott und dir. Zum „Fest der Familie“ geht es um dich, dass du ein Kind Gottes wirst durch Glauben an Jesus. Zur Familie gehörst – für immer und ewig. Amen.

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