Was ist dir heilig?

Was ist dir heilig?

2Chr5, 2-5(6-9)10(11)12-14                                            Kantate – Oßling/Großgrabe, am 10.05.2020

Liebe Schwester, lieber Bruder! >Was ist dir heilig< Was ist dir heilig? Diese fromm klingende Frage ins Deutsche übersetzt heißt: Was ist dir ganz besonders wichtig? Heiligen heißt im Hebräischen: aussondern, ganz besonders halten. Wir stellen uns vor – das Heilige ist ein besonderer Lebensraum, wie Familie etwa. >Lebensräume< Sie steht in Umfragen stets ganz oben, ist vielen am wichtigsten. Familie, ein ganz besonderer, somit heiliger Lebensraum. Für die Freitagsdemonstranten ist die Schöpfung heilig. Dafür gehen sie auf die Straße. Mit ihrem Protest wollen sie sagen: Ihr achtet nicht, was heilig ist. Schon an dieser Stelle, in Gedanken um heilige Räume, wie Familie oder Planet Erde, wird deutlich: Heilige Räume brauchen Schutz. Dafür muss man eintreten, einstehn, kämpfen. Davon wird noch die Rede sein. Also, was ist dir heilig? >Heilige Räume brauchen Schutz< Wofür stehst du ein? In unserem „Dorf Erde“, im Nebeneinander der Völker gibt es unterschiedliche Ansichten darüber. In unserer westlichen Zivilisation ist durch Recht und Gesetz ein gemeinsamer Konsens festgeschrieben, was zu schützen, was uns heilig ist. Ich denke an: die Würde des Menschen ist unantastbar, freie Religionsausübung, das Recht auf Arbeit u.a. m. Auch wir als Gemeinde haben heilige Räume, Maßstäbe für unser Miteinander, unsern Glauben. Christen treten ein für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung. >Lebensräume für den Glauben< Unser Glaube findet Lebensraum im Wort Gottes, in Jesus, seiner Hingabe und Herrschaft. Jesus und sein Wort sind uns heilig. Auch besondere Worte, wie das Vaterunser. Wenn darüber gespottet wird, tut es uns weh oder wir werden wütend. Wir wollen unsere heiligen Lebensräume eben nicht besudeln lassen. Das betrifft auch Gegenstände, denen wir Bedeutung beimessen: Taufstein, Kelch, Kreuz, Osterleuchter. Auch unsere Kirche. Da geben wir gern was. Sie bedeutet uns viel. Was uns heilig ist – dazu berichtet unser Predigtwort aus dem AT, dem 2. Buch der Chronik: „Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des Herrn hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat gefeiert wird. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten. Aber der König Salomo und die ganze Gemeinde Israel, die bei ihm vor der Lade versammelt war, opferten Schafe und Rinder, so viel, dass es niemand zählen noch berechnen konnte. So brachten die Priester die Lade des Bundes des Herrn an ihre Stätte, in den Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste … und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: „Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig“, da wurde das Haus des Herrn erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.“ >Heiliges und Opfer< Wir hören hier, was den Israeliten vor 3.000 Jahren heilig war. Tempel. 20 Jahre hatten sie gebaut, nur das Beste für das Haus Gottes. Heilige Gegenstände: Stiftshütte, Bundeslade. Verantwortliche: Priester und Leviten. Und was ihnen heilig ist, das lassen sie sich etwas kosten: „Sie opferten so viel, dass es niemand zählen noch berechnen konnte.“ Das halten wir fest: Kein Glaube ohne Opfer. Kein Heiliges ohne Opfer. Das vollzieht sich in allen heiligen Räumen. Bis heute. Man bringt für seine Familie doch Opfer. >Deine heiligen Räume< Du hast deine heiligen Räume – was sind deine Opfer an Herzblut, Kraft, Geld und dem teuersten Gut: Zeit? Dazu wird hier erzählt von gemeinsamer Zeit: Es versammelten sich alle. Und wir erfahren von den heiligen Geräten: Stiftshütte und die tragbare Lade. Sie sollten den Israeliten im Gedächtnis halten, dass „Gottvertrauen“ kein Wohnen, sondern eine Wanderung ist. Jetzt werden Lade und Zelt mit festlichem Aufwand, einer perfekt inszinierten Choreographie, in den Tempel gebracht. >Heiliges spiegelt, was Menschen glauben< Auch der Grundriss des neuen Tempels, spiegelt, was die Israeliten von Gott glauben: Da ist der große Vorhof. Dorthin dürfen alle. Damit wird gesagt: Alle Menschen dürfen sich Gott nahen. Dann kommt man in den kleineren heiligen Bezirk. Den dürfen nur betreten, die zum Bund gehören. Das bedeutet: Gott wählt aus. Im Innersten des Tempels dann ein mit schweren Tüchern verhangener Raum – das Allerheiligste. Diesen innersten Raum darf niemand betreten. Außer einmal im Jahr der Hohepriester, am großen Versöhnungstag. Die Israeliten glauben an einen personenhaften, lebendigen Gott. Und dass dieser Gott, wie auch wir Menschen, Bereiche hat, die der Mensch weder berühren noch benutzen darf. Wir denken an die Paradiesgeschichte. Und was geschah, als der Mensch sich anmaßte, die ihm gesetzte Grenze zu überschreiten. Alles im Bericht der Tempelweihe erzählt vom Glauben und bedeutet: Ehrfurcht. Ehrfurcht vor Gott haben und leben: „Da brachten die Priester die Lade des Bundes des Herrn an ihre Stätte, in das Allerheiligste.“ – Ehrfurcht-Herzschlag des Heiligen< Der prachtvolle Tempel, die große Versammlung, die Opfer des Glaubens und die heiligen Symbole – alles atmet Ehrfurcht. Und jetzt findet die Ehrfurcht vor Gott einen besonderen Klang: Lobpreis. Die Sänger tragen kostbare Gewänder. Wir sehen einen großen Chor von 120 Priestern und Musikern mit Harfen, Zimbeln und Trompeten. Und sie beginnen an einem heiligen Ort in heiliger Ehrfurcht den heiligen Gott zu preisen. Da entsteht ein unvergessliches Klangerlebnis: „Und es war, als wäre es einer, der trompete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn.“ – >Einheit in Vielfalt< Im Einklang sein. Mit mir, meinem Leben, mit der kleinen Welt um mich und mit der großen Welt. Im Einklang sein mit Gott. Hier geschieht es im Lobpreis, in der Anbetung unter Musik und Gesang. Einklang. Dieses Wort rührt an eine tiefe Sehnsucht. Wenn wir von Glück, Lebensqualität, Zufriedenheit, Toleranz, versöhnter Vielfalt, Gesundheit, Hoffnung und Lebensfreude sprechen – dann meinen wir Einklang. Mit mir und allem. Unser Alltag sieht eher anders aus. Ich finde es spannend, dass hier diese geheimnisvolle Stunde des Einklanges im Zusammenhang mit dem Heiligen steht. Deshalb, wegen des Einklangs, fragte ich anfangs: Was ist dir heilig? >Sehnsucht Einklang und das Heilige< Der Einklang mit mir, Gott und der Welt ist unmöglich, wenn das Heilige nicht heilig gehalten, verschmäht, vernachlässigt oder gar beschädigt wird. Blickt mit mir einfach auf die zehn Gebote. In ihnen legt uns Gott vor, was ihm heilig ist. Und wir erfahren, dass das Heilige verletzbar ist und behütet werden muss. Wir erfahren: Ich bin der Herr, dein Gott. Mein Name ist heilig. Der Feiertag ist heilig. Die Familie, das geborene und ungeborene Leben ist heilig. Die Ehe, das Eigentum des andern und die Wahrheit ist heilig. Neid, Lüge, Diebstahl, Ehebruch, Abtreibung beschädigen das Heilige, machen Einklang unmöglich. Einklang – das heißt schlicht: versöhnt leben. Dazu ist der Mensch aber nicht in der Lage. Das macht uns sehr zu schaffen. Und es macht Gott zu schaffen. Deshalb sandte er Christus. Aber nicht als mächtigen Terminator, sondern als Versöhner. Einen, der die heiligen Lebensräume säubert, der unheilige Menschen heiligt, damit sie einmal die allerheiligsten Himmelsräume betreten dürfen. >Jesus und der vollendete Einklang< Wegen der Versöhnung, wegen des Einklangs ist Jesus herniedergestiegen in die Missklänge. Deshalb brauchst du ihn gewiss. Er verschafft dir Einklang mit deinem himmlischen Vater. – Damit könnte ich getrost „Amen“ sagen. Wenn es bei dem Erlebnis des Einklangs im Tempel geblieben wäre. Aber zu dem akustischen Klangerlebnis tritt jetzt ein visuelles: „Als man den Herrn lobte und sang: ‚Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währet ewig‘, da wurde das Haus des Herrn erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolk, denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.“ >Gott ist gegenwärtig< Wolke, Gott ist gegenwärtig. Nun – was wäre, wenn auf einmal geschähe, wovon wir immer reden? Wir sagen, dass es im Gottesdienst um Gottes Nähe gehe, dass sie erfahrbar sein solle, er uns begegne, sein Geist uns spürbar berühren solle. Das bitten wir doch. Was aber wäre dann? Nach dem heutigen biblischen Bericht wäre der Gottesdienst dann zu Ende. Denn eine Wolke würde den Gottesdienstraum füllen. So dicht wäre die Gottespräsenz, dass weder Pfarrer, Organist noch Lobpreisleiter hinzutreten könnten. Es gäbe eine göttliche Unterbrechung, wie hier steht: „so dass die Priester nicht hinzutreten konnten wegen der Wolke.“ Das ist eine humorvolle Pointe: Wo Gott präsent ist, müssen die Priester Pause machen. Was wir aber so oder so brauchen, ist die Gegenwart Gottes. >Wetterbericht: Dichte Bewölkung< Gottes Gegenwart, die Einklang schafft. Und es wäre nicht der schlechteste Wetterbericht für uns, die Kirchen und unsere Welt, wenn von dichter Bewölkung für die nächsten Tage auszugehen wäre. Amen.

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.