Was machst du hier?

Was machst du hier?

1Kön. 19, 1 – 18                                                                    Okuli-Oßling/Großgrabe, am 15.03.2020

„Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast. Da fürchtete er sich, und machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? Er sprach: Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen. Der Herr sprach: Geh hinaus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; aber der Herr war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle … der Herr sprach zu ihm: Geh wieder deines Weges … und salbe Elisa … zum Propheten an deiner statt.“

Liebe Gemeinde>Was machst du hier?< Ich habe das Passwort gefunden, den Schlüssel für unsern Predigtwort. Es ist die Frage an Elia am Ende seines Weges: „Was machst du hier?“ Erst zuletzt dringt Elia diese Frage ans Ohr und doch war sie in jeder Stunde seines Lebens da. Er hat sie einfach nicht gehört. Aber, beginnen wir von vorn. >Elia – Gottes Haudegen< Elia, ein Streiter für den einen Gott – in Auseinandersetzung mit den vielen Göttern. Oder sagen wir, den Heilsansprüchen seiner Zeit, damals Baal. Kommt uns irgendwie bekannt vor: Jede Religion erhebt ihren Anspruch, nicht nur der Islam, auch die Gesundheitsreligion, auch Geld versprechen Glück, Erfüllung. Ein Kapitel vor unserm Predigttext wird von einem durchschlagenden Erfolg des Propheten Elia berichtet. Auf dem Berg Karmel tritt er, vor den Stammesführern und dem König, allein gegen 450 Baalspriester an. Elia fragt das Volk: Wie lange wollt ihr hinken zwischen Treue und Beliebigkeit. Alles schweigt. Beide Parteien bauen ihren Altar, je mit einem Opfertier. Welcher Gott das Opfer entzündet, der ist der wahre Gott. Die Baalspriester tanzen sich stundenlang in Ekstase, nichts geschieht. Elia lässt seinen Altar dreimal mit Wasser übergießen. Dann betet er: Herr, lass Feuer fallen, dass sie umkehren und dir dienen. Da entzündet sich Elias Opfer und alle rufen: Der Herr ist Gott! >Glaube und Gewalt< In den Jubel hinein ertönt Elias Stimme: Ergreift die Propheten Baals! Keiner von ihnen darf entrinnen. Und Elia ließ sie – so heißt es wörtlich – abschlachten (Kap. 18, 39.40). Der König, die Stammesfürsten, alle sind beeindruckt. Und schon hier, während das Blut in Strömen fließt, wird Elia die Frage gestellt: „Was machst du hier?“ Aber wie will er sie hören im Rauschen des Erfolgs, in 450 Todesschreien, dem vielen Blut und den zerschlachteten Leibern? Wie fremd und fern uns doch dieser Mann mit seiner Treue zu Gott ist? Glaube und Gewalt, da sind wir sprachlos. Solches Glaubensfeuer lässt zurückschrecken. >Wo endet bei uns die Toleranz?< Aber statt selbstgerecht den Kopf zu schütteln, sollten wir die Frage zulassen: Was passiert mit uns, wenn wir unsere Interessen bedroht sehen? Irgendwo hört doch bei jedem der Spaß auf. Vielleicht schon beim Geldbeutel? >Kampf der Religionen< König Ahab erzählt Isebel, seiner Frau, beeindruckt von Elias Feuerwunder und der Abschlachtung ihrer 450 Baalspriester. Sie schäumt. Wie kann sie das Volk für ihre Baalsreligion zurückgewinnen? Elia muss weg. Aber ein Märtyrer darf er nicht werden. Sie will seine Angst. Durch Angst werden Große klein. Also schickt sie keine Meuchelmörder, sondern lässt, vor Elias Ohren, öffentlich ausrufen:  „Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!“ >Der Landeplatz der Angst< Warum geschieht nun, was geschieht: „Da fürchtete er sich.“ Wie kann sich Furcht Gottes in Menschenfurcht wandeln? Morgen bist du tot – sagt diese Frau. Warum antwortet sein Glaube nicht: Das Morgen und mein Leben liegen in Gottes Hand! Es ist, als würde die Königin Isebel einen blinden Fleck im Herzen Elias antippen. Eine dunkle und damit ungeschützte Stelle: Gewalt, heißt der blinde Fleck, verübte Gewalt. Du hast Blut vergossen, jetzt wird deins fließen. Elia wird an seine verübte Gewalt erinnert. Da bekommt er Angst. >Der Gewalt folgt Angst< Gewalt an Menschen und Angst vor Menschen bilden ein unheilvolles Zusammenspiel. Wer andern Gewalt antut, wird bald von der Angst und den Folgen seiner Taten eingeholt. Darauf ist Elia nicht vorbereitet. >Auf der Flucht, wie du und ich< Er tut aus Furcht das, was Isebel bezweckt. Vor aller Augen, durch das ganze Land, vom Norden nach Süden, läuft er, jeder kennt ihn. Wohin läuft der Mann Gottes? fragen sie.  Der alte Haudegen des Glaubens keucht um sein Leben. Und Isebel, mit der Krone auf ihrem Haupt, tritt vor das Volk und spöttelt: Seht – ein Wort von mir, und euer Löwe rennt wie ein Hase. Und während Elia schwitzt, vorbeirennt an Menschen am Weg, keine Zeit für Fragen, keine Zeit für seine Angst, ist ihm diese Frage dicht auf den Fersen: „Was machst du hier, Elia?“>Wir wissen nicht wohin, darum beeilen wir uns so< Hier sei die Frage an uns, unsern Glauben, unser Miteinander, auch in der Gesellschaft, gestattet: Geschieht das viele Rennen und Hasten aus Angst vor Menschen und dem Morgen? Sollte, wer das Ziel aus den Augen verliert, darum seine Geschwindigkeit verdoppeln? Was unseren Glauben und unsere Kirche betrifft, steht immer die Frage: Nachfolgen oder sich verrennen. >In der Lebenswüste< Einen Tag lang läuft Elia hinein in die Wüste. Was bewegt einen, in die Wüste zu gehen? Zu seiner seelischen Erschöpfung kommt nun auch die körperliche. Er ist lebensmüde. Zu Tode erschöpft. Inzwischen hat sich etwas verändert: Während Elia fortrennt, ist er uns näher gekommen. Der Mann mit Feuer und Schwert war uns fremd. Aber, als er Angst bekam, rückte er uns näher. Wir verstehen, warum man durchs Leben rennt, sinnlos. Nicht wenige, die erschöpft sind, erkennen sich sogar in diesem Zerbrochenen im Schatten eines Ginsterbusches wieder. Was tun, wenn nichts mehr geht? Dann ist eben auch nichts mehr zu tun. Wirklich nichts mehr. Wir hören ihn ein müdes, verzweifeltes Gebet stammeln: „Es ist genug, so nimm, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ >Der feurige Prophet – ausgebrannt< Er hält sich selbst nicht mehr wert, am Leben zu bleiben. Seine verübte Gewalt, sein Hass haben ihn innerlich verwüstet. An seinen Händen klebt Blut. Und dieser eigenartig, traurige Satz: „Ich bin nicht besser als meine Väter.“ Ja, Kampf und Totschlag wie gehabt. Ich wollte alles besser machen. In ihm zerbricht eine Allmachtsphantasie. Hatte er nicht andern Gottes Macht verkündigt. Jetzt muss er glauben, was er geredet hat – und kann nicht. Der feurige Prophet – selber ausgebrannt: „Und er legte sich hin und schlief unter einem Ginster.“ Elia will sich aus dem Leben schlafen. Und wieder ist sie da, diese Frage: „Was machst du hier, Elia?“ >Ein Engel schmiegt sich in sein Leben< Ein Bote stellt sie ihm, seiner Situation entsprechend formuliert: „Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss … und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn rührte ihn wieder an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ >Der Bote bringt Leben, Lebensmittel, Lebensweg< Was bringt Elia wieder auf die Beine? Ein Engel schmiegt sich in seine Situation. Er war todmüde, weil er den Weg sah, den er hinter sich hatte. Der Engel ermutigt ihn: Du hast einen weiten Weg vor dir: Zukunft und Leben. Durch die Zärtlichkeit Gottes, bekommt er neuen Glauben geschenkt. Mut, Schritte auf das Leben hin zu tun. Er nimmt an: „Und er stand auf, aß und trank und ging durch die Kraft der Speise 40 Tage und 40 Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“ >Der einzige Weg ist der Umweg< Für eine Strecke von 6 Tagen 40? Welchen Sinn haben Umwege? Warum musste Israel 40 Jahre durch die Wüste, hin und her? Elias kurzer-weiter Weg. Er läuft, wo einst Mose ging und die Befreiten. Er durchwandert seine Glaubenswurzeln, Glaubensgeschichte. Jedenfalls lassen ihn seine Umwege zu dem Ort kommen, wo sich Gott einst seinem Volk zeigte, ihnen seinen Bund, die 10 Gebote gab und sie um das goldne Kalb tanzten. >Hören ohne zu verstehen< Schutz suchend, in einer Höhle, wartet er, in einer Mischung aus Zorn und Verzweiflung. Das menschliche Herz ist ebenso trotzig wie verzagt. Nun diese Frage: „Was machst du hier, Elia?“ Man kann hören, aber nicht verstehen. Warum stellt Gott ihm diese Frage? Damit er sie sich endlich selber stellt. Bisher ist er vor ihr davongerannt. Und die rechte Antwort wäre wohl: Ja, was mache ich eigentlich hier? Jetzt geschieht etwas sehr Tragisches. Es ereignet sich immer dort, wo ein Mensch sich vor Gott selbst rechtfertigt. Elia bekommt zwei Chancen. Er vertut sie, denn er weist diese Frage von sich. ICH, heißt das erste Wort seiner Antwort: Ich habe für dich gekämpft, Herr, alle haben dich verlassen, auch mir wollen sie ans Leben. >Geduld gibt Raum und Chance<  Gott lässt sich nicht für dumm verkaufen, und mit dem Hinweis auf böse Menschen und Zeiten abspeisen. Er will den Menschen, wie er ist. Darum ermutigt er Elia: Ich bin Gott. Erzähl mir also keine Richtigkeiten. Sei ein Mann. Komm aus dir heraus. Und zeig dein Herz. Da ist sie nun, Elias 1. Und 2. Chance: „Und der Herr sprach: Geh heraus und tritt auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr wird vorübergehen.“ >Feuergötze oder Flüstergott< Elia bekommt die Chance, seine gewalttätige Vorstellung von Gott abzulegen. Es ereignen sich Naturgewalten, aber von allen heißt es: Der Herr war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer. Elia erkennt sich wieder. Ja, wie ein Sturm, Feuer und Erdbeben hatte er für Gott gekämpft. Dazu heißt es nüchtern: Aber der Herr war nicht darin. Ein Mann, allein vor Gott, muss über seinem Leben hören: Aber der Herr war nicht darin. Elia wird jetzt genau das tun, was wir auch tun. Ist die Wahrheit zu schwer, wird sie nicht gehört. Aber noch hat er die Chance. Gott zeigt sein wahres Wesen – Sanftheit, Stille. Lärm und Glaube vertragen sich nicht. Da wagt sich Elia aus seinem Versteck: „Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, trat er in den Eingang der Höhle.“ Er hört den Klang der Stille, in einem verschwebenden Schweigen. Darin eingehüllt diese Frage: „Was machst du hier, Elia?“ >Bist du vorbereitet?< Bist du vorbereitet auf die Stunde, wenn diese Frage mit gebieterischer Wucht hervorbricht? Und Antwort fordert: Was ist das für ein Weg, den du gegangen bist? Was ist das für ein Leben, das du gelebt hast? So fragend, können uns die Augen eines Kindes anschauen, grenzenlos erstaunt, was wir Erwachsenen so treiben. So mögen wir an Gräbern stehen, fremd; fremd ist alles, was uns geschieht. Verstehen uns selbst nicht mehr. Wenn die Stunde dieser Frage gekommen ist, was werden wir sagen? Elia antwortet: Er berichtet von seinem Glaubenseifer, der Gottlosigkeit von Politik und Volk und der Verfolgung aller Rechtgläubigen. Auf den leisen Gott klopft er wie beim erstenmal, den gleichen starken Spruch. Hinter der Klage versteckt sich die Anklage: Wo warst du denn, Gott? Hätte er auf Gottes schweigende, sanfte Frage nicht auch schweigen können. Aber nein, er bleibt bei seiner Überzeugung, auf seinem Weg. Da ist es vorbei. Er bekommt gesagt: Geh wieder deines Weges. Zieh dann also zurück auf deinemWeg, aber nicht für meine Sache. Bestell dein Haus und mach Elisa zu deinem Nachfolger. >Unsere Wege finden ein Ende – tröstlich?< Das muss Elia bitter unter der Zunge gebrannt haben. Gott braucht mich nicht mehr. Aber, wer weiß, vielleicht ist das auch ein Trost: Unsere Wege dürfen ein Ziel, ein Ende haben, während Gottes Wege weitergehen, weit über das hinaus, was wir bitten und verstehen. Dass alle Dinge uns zum Besten dienen müssen. Elia weiß ja noch nicht, wie gut es Gott mit ihm ausgehen lässt. >Herr, was tust du hier?< Was wissen wir schon von Gott, wenn uns seine Gerichte begegnen? Seine Gerichte, sein „Uns-zu-Recht-bringen“, sind für unser Leben nicht vernichtender Sturm, Feuer und Erdbeben, sondern still und sanft. Wie Elia auf dem Horeb, zeigt sich Gott uns in der Hingabe Jesu am Kreuz. Dort stillen sich Feuer, Sturm und Beben von Sünde und Tod, Angst und Verzweiflung. Sind wir unter dem Kreuz bei Christus, fragt er nun nicht mehr: Was machst du hier? Denn da sind wir am einzigen Ort, wo Gott keine Frage mehr an uns hat. Wir aber blicken auf das Leiden Gottes, seine Wunden, sein Blut, seinen Tod. Und wer das nicht nur sieht, sondern sich berühren lässt, dem kommt diese eine Frage über so viel unbegreiflicher Hingabe: Herr, was tust du hier? Amen.

Vorheriger
Traumjob
Nächster
Heiße Typen

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.