Wen da dürstet… (Oßling)

Wen da dürstet… (Oßling)

Joh 7, 37-39                                                                            Exaudi – Oßling, am 16.05.2021

„Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“

Liebe Gemeinde! >Menschen im Leben< Wer viel hat, kann viel machen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Die Wirtschaft hat das Geld. Investiert sie, verändert sich der Arbeitsmarkt. Hat einer Gesundheit, Intelligenz, Beziehungen, kann er durch Einsatz, Stetigkeit und Durchsetzungsvermögen viel erreichen. Wer viel hat, kann viel machen. >Menschen vor Gott< Sobald es ums Christsein geht, sind Überlegungen dieser Art unzutreffend. Seine erste öffentliche Predigt begann Jesus nicht mit dem Satz: Wer viel hat, kann viel machen. Sondern: „Wer geistlich arm ist, dem gehört Gottes Liebe zuerst.“ (Mt 5,3) Ein Christ lebt nicht von dem, was er hat, sondern von dem, was er empfängt. >Das Laubhüttenfest< Damit nähern wir uns dem heutigen Predigtwort. Es ereignet sich zum Laubhüttenfest im Jerusalemer Tempel. Am letzten, dem höchsten Tag des Festes, zog eine lange Prozession zur Siloahquelle. Priester schöpften daraus in Krügen Wasser und trugen es bis zum Tempel. Das geschah unter Jubel, Tanzen, Lachen und Singen. Vor dem Altar dann trat Stille ein. Ein Wort des Propheten Jesaja wurde ausgerufen: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen (Jes 12,3) … denn ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre. Ich will meinen Geist auf deine Kinder gießen und meinen Segen auf deine Nachkommen.“ (Jes 44,3) In andächtiger Aufmerksamkeit sehen alle auf die Priester, die nach den Wasserkrügen griffen, um sie auszuschütten. In diesem Moment wird das Fest auf seinem Höhepunkt gestört. Gerade als das Wasser langsam auf den staubigen Boden gegossen wird, tönt ein Ruf durch das andächtige Schweigen: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ >Jesu Protest< Jesu Ruf in die Stille der liturgischen Zeremonie ist ein Protest. Wie die alttestamentlichen Propheten vor ihm kritisiert er nicht den Kult, also, die Ausdrucksformen des Glaubens, sondern einen leblosen Kult. Wo nur noch die äußere Form da ist, die nicht mit Leben gefüllt wird. Es passt eben vor Gott nicht zusammen, am Sabbat und im Gottesdienst um Regen und Segen für die Ernte zu bitten, und die ganze Woche über seine Arbeiter bis aufs Blut aussaugen und schuften lassen. Man kann nicht Gott um Segen für seine Wege bitten, wenn es Wege voller Ungerechtigkeit sind. Gott lässt sich weder durch Gebete noch Zeremonien zum Instrument machen. Nicht Gott, sondern der Betende ist Geschöpf, Instrument, Werkzeug. Jesu Protest richtet sich nicht gegen den Gottesdienst, sondern, dass Gottesdienst und Leben nicht zusammenpassten. >Jesu Einladung< Jesus tritt hier aber nicht nur als Nein-Sager auf. Solche Stimmen hören wir bis heute oft. Leute, die lautstark rufen: so nicht, selber aber auch nicht sagen können, wie. Jesu Ruf in die andächtige Stille, während das Wasser fließt, ist eine Einladung. Er meint: Das Ausgießen des Wassers stellt eure Hoffnung bildlich dar. Gott wird euch sättigen wie Wasser die Wüste. Diese, eure Hoffnung, ist in mir erfüllt. Wer an mich glaubt, dessen Durst wird nicht nur gestillt – er wird selber zur Quelle werden. >Der Drang des Predigers< Ihr merkt, wir haben uns unserm Predigtwort genähert, etwas davon erfasst. Im Erzählen von Jesu Auftritt damals, ist uns manches sicher deutlicher geworden. Jetzt spüre ich einen Drang, und zwar: Ihr, als Hörer, sitzt vor mir. Ich möchte euch die Worte Jesu aber nicht nur nahe bringen, verstehbar machen, sondern am liebsten ins Herz legen. Und da spüre ich den seltsamen Drang, euch zu überzeugen, dass ihr Durst habt. Aber einen, der wirklich Durst hat, muss man das nicht umständlich klar machen. Mir ist, als müsste ich eindringlich sagen: Ihr dürstet nach Jesus. Aber, ist dem so? <Das groteske Wort Jesu< Ihr seht, ich wandere gerade um unser Predigtwort herum und betrachte es. Vielleicht wie damals Mose (2Mo 17,6) in der Wüste um den Felsen, im Hintergrund sein dürstendes Volk. Dann schlug er mit seinem Stab darauf, und aus dem rissigen Felsen floss Wasser für alle. Ich schaue dieses Wort an und merke, wie grotesk das Bild Jesu ist: aus einem Leib, einem Menschenkörper fließt Wasser. Es wird uns die Aufgabe zugemutet, die Bedeutung der Worte Jesu zu finden: „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ <Kein Zweifel< Ich zweifle nicht, dass diese Worte Jesu stimmen, auf´s Wort wahr sind. Wer an ihn glaubt, strahlt etwas aus. Die „Ströme lebendigen Wassers“ sind immer eine Form von Liebe und Zuwendung, die wir manchmal für unvorstellbar hielten. Es gibt Liebe, die so unglaublich ist, dass sie uns den Atem nimmt. Es gibt Hingabe, die so zugewandt ist, dass sich Menschen fragen: Wie ist das möglich? Liebe ist Gott selbst in dieser Welt, die manchmal so lieblos, so verkommen wirkt. Aber dann begegnet man einem Menschen, dessen Freundlichkeit ungebrochen ist, der sein Versprechen hält, der sich kümmert, der nicht auf seine Zeit achtet und auch nicht auf das, was er davon hat. Meint das Jesus mit „lebendigem Wasser“, den Strom der Liebe? >Das Wort stillt den Durst< Wie geht das zu, wenn Jesus den Durst stillt? Es vollzieht sich zwischen Jesus und uns ganz alltäglich, wie in einer Familie. Mutter weckt die Kleinen, ruft zum Frühstück. Da steht Tee, Milch, Müsli und Orangensaft. Und los geht´s. Jesu Trinkbecher ist die Bibel. Die Gemeinde die Familie. Wir leben von Wort und Sakrament. Und weil wir´s immer haben, ist uns das Besondere oft zum Selbstverständlichen geworden. Aber so schlicht es klingt – wir leben durch das Wort – so wahr und geheimnisvoll ist es auch. Im Geheimnis der Heiligen Schrift werden wir erquickt, gestärkt und getröstet. Wir werden selber inspiriert, gesendet und geben es an andere weiter: „ … von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ >Der Heilige Geist bindet sich ans Wort< Wenn wir Gottes Wort hören und aufnehmen, kommt das Geheimnis Gottes in unser Herz, der Heilige Geist. Er wirkt in und durch uns. Weil sich der Heilige Geist an das Wort bindet, schafft dieses Wort Leben, ist geisterfüllt. >Der Missionsauftrag< Gott macht sich die Arbeit, dass meine Kirche, Gemeinde, und ich darin, etwas Leben schaffendes sein darf. Wir sind Empfangende und Gebende. Was wir empfangen, geben wir weiter. Seine Gabe, sein Wort, wird uns zur Aufgabe. An Jesus glauben und sein Wort weitersagen: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Amen.

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