Fasten…

Fasten…

Jes. 58, 1 – 9a                                                                Estomihi – Großgrabe/Oßling, am 23.02.2020

„So spricht Gott zum Propheten: Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden! Sie suchen mich täglich und begehren, meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die ‚Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass sich Gott nahe. Warum fasten wir, und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib, und du willst es nicht wissen? – Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat? Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.“

Liebe Gemeinde! Unser Predigtwort stellt uns Menschen vor, die um Klarheit ringen. Sie wollen ihre Lebenssituation erhellen. Wenn Menschen `warum` fragen, `wohin, wofür, wie geht`s weiter, was soll ich nur tun?` ist dies ein Ringen um Klarheit. Sie stehen im Schatten, im Dunkeln und suchen einen Weg. Dazu brauchen, suchen sie Licht. Die Leute hier fragen nach Gott, sogar beispielhaft intensiv. Ich bin von ihrem Eifer angerührt, wenn ich lese: „`Gott spricht`“ … Sie suchen mich täglich, und begehren, meine Wege zu wissen …“ So nach Gottes Willen zu fragen, sei jedem ans Herz gelegt. Mich beunruhigt, was für eine Abfuhr sie bekommen – die, die Licht und Weisung suchen, die beten und fasten. Es heißt: „Sie suchen mich täglich und begehren, meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte.“ Zuerst höre ich, hier wird nicht ihr Gebet, sondern ihre Gebetshaltung kritisiert. Sie beten so, als hätten sie einen berechtigten Anspruch auf Erhörung. Dieser Anspruch gründet sich auf das Fasten. Wir haben gefastet, Gott, verzichtet, uns enthalten, nur für dich, und nun bist du dran. Sie fordern von Gott dafür Lohn. Über so eine Anspruchshaltung sagt Gott durch den Propheten: „Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass sich Gott nahe. `Warum fasten wir, und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib, und du willst es nicht wissen?`“ Diese Leute verstehen ihre Lebenssituation nicht. Sie haben vom Leben mehr erwartet. Sie sagen: Wir bitten Gott um Licht, fragen nach seinen Wegen, fasten, beten täglich, aber es ändert sich nichts. Gott schweigt. Warum? Die Antwort des Propheten ist überraschend. Er sagt sinngemäß: Ihr bittet um Licht, aber das Licht ist da. Ihr seht nur schwarz, weil ihr eine Augenbinde umhabt, nehmt sie ab. Anders gesagt: Es liegt nicht an Gott, sondern an euch, an der Beziehung zu euren Mitmenschen. Dort ist was faul, dafür seid ihr blind, das ist eure Augenbinde. Nehmt sie ab, d. h., ändert euer Leben. Ganz unmissverständlich werden die Suchenden von der Gottesbeziehung in die Beziehung zu ihren Nachbarn und Angestellten gewiesen: Der Prophet sagt: „Siehe, an dem Tag, an dem ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein … Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat?“ Es wird uns nicht berichtet, wie die Hörer vor 2500 Jahren darauf reagierten, als sie hörten: eure Frömmigkeit und eurer Leben stimmen nicht überein. Wir hören aber sicher, wie aktuell es klingt. Es ist eine Frage an alle Gläubigen. Hat dein Glaube an Gott Auswirkungen auf deinen Alltag? Oder anders: Wenn ich Licht für mein Leben suche, wie tue ich es? Wenn ich Gott suche, wie suche ich? Hier wird gesagt – ändere dein Leben ganz konkret. Willst du Licht in dein Leben, bring Licht in deine Beziehung zu deinen Mitmenschen und ihr Leben. Was den Gläubigen damals gesagt wurde, verstehen wir auch heute noch sehr gut. Im V 6 – 7 heißt es: „Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast. Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!“ Das bedeutet: Hör auf über andere zu reden. Vergib ihnen, wenn sie an dir schuldig sind. Geh hin und reiche die Hand zur Versöhnung. Erpresse und betrüge niemand, gib Gestohlenes zurück und wenn du gelogen hast, entschuldige dich. Lass die Erfolge des anderen neidlos gelten, freue dich mit ihm. Versuche nicht, einen anderen zu bedrücken oder zu beherrschen. – Damit kann jeder etwas anfangen, ein Weg zum Licht. Jetzt kommt die Aufforderung zum Teilen, einfach soziale Gerechtigkeit zu praktizieren. „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut.“ Mich beunruhigen diese klaren Anweisungen. Sie legen den Finger in eine Wunde. Sie erinnern mich an die Kluft zwischen Glauben und Leben. Dort, wo Sonntag und Montag im Widerspruch stehen. Wo der Alltag keine Kraft und Veränderung von Gottesdienst her bekommt. Ich sehe die himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit weltweit – wo sind die 2000 Millionen Christen, die Licht in diese Finsternis bringen? Ich sehe die schreienden Missstände in unserem Land – wo sind die 20 Millionen Christen, die ihre Stimme und ihre Hand dagegen erheben. Ich sehe die Probleme und Nöte unseren Dörfern. Wo sind die 1.500 Christen? Ich sehe mich, und weiß, was ich sein und tun könnte. Mich selber fragt Gott durch dieses Wort. Wo bist du? – Spätestens hier falte ich meine Hände und bitte. Herr, gib mir Mut zu kleinen Schritten. Gib mir Kraft, zu gehen, wohin dein Wort mich weist. Gottes Wort will Veränderung, an jedem und für jeden. Jeder kleine Schritt und jede kleine Tat, die wir in Übereinstimmung mit Gottes Wort tun, bringt Licht in unser Leben. Licht bedeutet: Zuversicht, Freude und Heilung. So wird es hier verheißen: „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Heilung wird schnell voranschreiten … dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Hier bin ich.“ – Vor uns liegt die Passions- und Fastenzeit. Manche verzichten auf Alkohol, Nikotin oder Fernsehen, oder essen weniger. Das ist ehrenwert, aber in erster Linie ein Fasten für sich selbst und die eigne Gesundheit. Hier wird gesagt: Fasten ist mehr als Verzicht, es ist ein auf den Mitmenschen gerichtetes Tun: Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit sollen zum Zuge unter uns kommen. Daran wollen wir uns erinnern und einander ermutigen: Licht für unseren Weg bekommen wir in dem Moment, wo wir füreinander einstehen. Verständnis wird mit geschenkt (für die eigne Situation, Antwort auf: was soll ich tun, erhalte ich,) wenn ich mich mühe, andere zu verstehen. Die eigne Not wird kleiner im Licht der Nöte anderer. Diese Zusage und Wegweisung wird uns heute mitgegeben. Amen.

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