Worauf wir wirklich warten

Worauf wir wirklich warten

Hallo,

da simmer schon wieder: Erster Advent. Das zweite Türchen ist auch schon geöffnet und wir steuern unaufhaltsam auf Weihnachten zu. Das Problem an Weihnachten, finde ich, ist ja nur, dass es immer so unerwartet kommt. Keiner rechnet damit. Ich bin gerade noch völlig mit der realen Welt beschäftigt und plötzlich „PENG“ hab ich die erste Einladung zu irgendeiner Weihnachtsfeier im Postfach. Ich fall jedes Jahr aus allen Wolken. Und das, obwohl sich die Supermärkte nach Kräften bemühen, mich schon im September subtil mit Dominosteinen, Christstollen und Weihnachtsmännern darauf aufmerksam zu machen: „Es ist bald wieder so weit.“ Mein Problem ist nur: Ich bin geschlagen mit selektiver Blindheit. Wenn ich einkaufen gehe, bin ich schon froh, wenn ich die Produkte sehe, die auf meinem Zettel stehen. Wie soll ich da noch auf so Details wie riesige Weihnachtsbäume, aufgetürmte Lebkuchenpackungen oder das gigantische Adventskalendersortiment vor der Kasse achten? Geschweige denn die Message dahinter begreifen?

Und weil das so ist: Weil ich in meinem Denken und Tun so häufig nur das sehe, was mir gerade konkret vor Augen ist und selbst da nur das sehe, auf, das ich mich gerade konzentriere, fällt es mir total schwer, mich wirklich auf den Advent einzulassen. Advent? Worum geht es da eigentlich?

Ich möchte uns eine Adventsgeschichte vorlesen. Sie ereignet sich vor knapp 2000 Jahren in Israel. Sie handelt von Jesus, der in den vergangenen drei Jahren durch seine Predigten und die Wunder, die er getan hat, große Aufmerksamkeit erregt hat. Und jetzt ist er auf dem Weg nach Jerusalem. Ich lese aus dem 21. Kapitel des Matthäus-Evangeliums:

1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus
2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt. Und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir!
3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.
4 Das geschah aber, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9):
5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf.
8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9 Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der?
11 Das Volk aber sprach: Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa.
(Mt.21,1-11;LUT)

Was soll das denn für eine Adventsgeschichte sein? Überhaupt keine Tannenbäume, nur Palmenzweige. Überhaupt kein gemütliches Beisammensein im Kreise der Familie, sondern ein Wanderprediger mit seinen Freunden. Keine Sterne, keine Kerzen, nicht mal Maria, Josef oder Engel. Einzig und allein dieser Jesus. Aber nicht mal der als kleines Baby, sondern als erwachsener Mann. Advent ist doch die Zeit, in der wir auf Weihnachten warten, oder?
Warum also diese Geschichte, die nicht mal im Entferntesten was mit Weihnachten zu tun hat? Und dazu noch ziemlich langweilig ist? Ein Mann auf einem Esel. Menschen, die sich freuen. Einzug in Jerusalem. Fertig. Nicht gerade der Stoff, aus dem Romane entstehen.

Ich muss mich bei euch entschuldigen. Das ist gar keine Adventsgeschichte. Es ist nur ein Ausschnitt aus einer Geschichte. Es ist eine Momentaufnahme. Und in dieser Momentaufnahme sehen wir Menschen, die total begeistert sind von Jesus. Warum eigentlich? Ich meine, ja, Jesus hatte viel Gutes getan und gesagt. Das würden auch heute noch die meisten Leute über Jesus sagen: War ein guter Mensch. Hat einige gute Dinge gesagt und getan. Und Nächstenliebe ist echt ne super Sache.
Für die Menschen damals und ich glaube auch heute reicht dieses Bild von Jesus aber gerade mal dafür aus, dass sie zu ihm kommen, weil sie was von ihm wollen. Nach dem Motto: Naja, man kann’s ja mal versuchen. Einigen hat das ja wohl geholfen. Aber dieses Bild von Jesus führt ja nicht dazu, dass Leute anfangen zu jubeln wie im Stadion. Auch in keiner Geschichte vorher wird Jesus so begeistert empfangen, wie hier. Ein Empfang wie für einen König. Ein König auf einem Esel. Wo gibt’s denn so was? Das wäre heute, wie Angela Merkel im Trabi.

Ich glaube, dass die Leute damals noch etwas anderes in Jesus gesehen haben. Und das ist das, was mir so imponiert. Diese Menschen haben nämlich sehnsüchtig auf etwas gewartet. Dem Volk Israel war gesagt worden, dass Gott einen Retter schicken würde, der das Volk Israel befreien würde. Deshalb spricht der Text auch von einer Stelle, die man im Alten Testament nachlesen kann. Da spricht nämlich der Prophet Sacharja:

9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
(Sach.9,9; LUT)

Wichtig ist zu wissen, dass direkt vor dieser Passage Sacharja davon spricht, dass Gott selbst alle Völker um Israel herum, die dem Volk das Leben zur Hölle gemacht haben, besiegen würde. Und dann kommt dieser Vers mit dem König auf dem Esel. Daran haben sich die Leute erinnert. Vieles andere, was Gott über diesen Retter angekündigt hatte, hatte Jesus bereits erfüllt. Und so langsam hatte das Volk die Hoffnung, dass Jesus doch mehr als einfach ein guter Mensch sein könnte. Was wäre, wenn dieser Jesus dieser Retter ist?
Vielleicht haben sie sich auch ein bisschen über diese Verheißung gewundert: Warum ein König, der als arm bezeichnet wird? Warum ein Esel? Warum so unscheinbar? Aber sie haben sich nichts weiter bei gedacht. Das war nun mal das Zeichen: Mann auf Esel – Ist vielleicht der König?
Das finde ich beeindruckend: Die Leute haben offene Augen für das, was gerade passiert. Ihre Wahrnehmung ist nicht – wie bei mir so oft – von einer ToDo- oder Einkaufsliste geprägt, sondern von der sehnsüchtigen Erwartung, dass Gott eingreift.

Von außen betrachtet muss das ganz schön albern ausgesehen haben. Keine Ahnung, wie viele Leute sonst täglich nach Jerusalem auf einem Esel geritten kamen. Ich bin mir sicher, Jesus war an diesem Tag bestimmt nicht der einzige. Aber der wird gefeiert, wie ein König. Keine Ahnung, was die Römer gedacht haben, als sie das mitbekommen haben. Das war den Leuten aber auch egal. Sie haben sich nicht darum gekümmert, wie das von außen aussehen könnte. Ob sie für verrückt gehalten werden. Sie haben auch nicht versucht, Jesus davon zu überzeugen, dass er doch wenigstens auf einem Pferd oder in einer Kutsche nach Jerusalem einziehen sollte, damit das ein bisschen mehr hermacht.
Ich glaube, damit tun wir uns heute etwas schwer. Wir sind hier in einer Gemeinde, die sehr viel wert darauf legt, wie etwas aussieht und wie etwas wirkt. Ganz besonders auf Leute, die sonst zu Kirche und Glauben überhaupt keinen Bezug haben. Wir haben tolle Kinosessel, investieren in Licht- und Tontechnik, wir wollen durch Musik und Gestaltung unserer Gottesdienste ansprechend sein. Und auch zwischenmenschlich wollen wir eine Gemeinde sein, in der sich Menschen wohlfühlen. Und an sich ist daran auch nichts verkehrtes dran. Auch wenn uns das mal besser, mal schlechter gelingt.
Aber es kann sein, dass wir so damit beschäftigt sind, den Menschen zu zeigen, dass wir eigentlich ganz normal sind, dass uns so eine paranormale Botschaft, wie

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
(Joh.3,16)

eher unangebracht für einen Weihnachtsgottesdienst erscheint.
Bitte versteht mich nicht falsch. Diese Botschaft ist auch einfach ein Hammer. Und sie mit plumpen Worten durch eine Predigt zu peitschen, würde häufig wahrscheinlich nur widerspiegeln, dass wir sie selber nicht verstanden haben.
Mir geht’s aber darum, dass da, wo wir anfangen zu verstehen, wer Jesus ist, unsere Begeisterung nicht mehr zu zügeln sein dürfte. Wie damals bei den Leuten vor Jerusalem. Und diese Begeisterung schert sich zunächst mal überhaupt nicht darum, was andere über uns denken. Und ich finde, das darf und muss sich vielleicht auch hier und da mal in unseren Gottesdiensten zeigen. Paulus formuliert das in seinem Brief an die Römer so:

16 Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
(Röm.1,16; LUT)

Und natürlich auch uns Deutsche.

Über diesem Gottesdienst steht der Titel „Worauf wir wirklich warten“ und ich habe vorhin gesagt, dass die Geschichte vom Einzug nach Jerusalem nur eine Momentaufnahme einer Geschichte ist. Die Geschichte, die sich quasi unmittelbar an diesen Moment anschließt, ist, wie das Volk innerhalb einer Woche so sehr enttäuscht und verärgert über Jesus ist, dass sie seine Kreuzigung fordern. Aufgestachelt von denen, denen Jesus schon lange ein Dorn im Auge war. Das Volk hatte geglaubt, dass jetzt mit einem Schlag all das wahr wird, was über den Retter vorhergesagt worden war. Dass alle Feinde rings umher besiegt werden, dass Israel wieder zu der Stärke gelangt, die es einst unter König David hatte, dass alle Völker im Frieden miteinander leben und vieles mehr. Aber statt dessen räumt Jesus erst mal im Tempel auf. Das, was den Juden das Heiligste in ihrem ganzen Leben war. Er bringt das Herzstück ihres ganzen Lebens durcheinander.
Schon interessant, wenn Jesus anfängt in unserem Leben aufzuräumen, wirkt das für uns erst mal so, als würde er alles durcheinander bringen. Wir haben gedacht, mit Jesus wird jetzt unser Leben einfacher. Und dann stellen wir fest, dass Jesus ganz wo anders ansetzt. Er fängt zu allererst an, das in unserem Leben zu ordnen, was uns heilig ist, will plötzlich unsere Prioritäten neu setzen und an unserem Charakter arbeiten. Und das passt uns häufig nicht. Ich habe es leider schon oft erlebt, dass Menschen, die irgendwann mal völlig begeistert von Jesus waren, dort wieder aufgehört haben, wo es ums Eingemachte ging. Wo sich Jesus in Beziehungen einschalten wollte. Wo er bei großen Entscheidungen in unserem Leben ganz andere Vorstellungen hatte, die alle im Grunde etwa so klangen:

33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
(Mt.6,33; LUT)

Aber genau das ist der Kerngedanke von Advent. Advent heißt „Ankunft“. Wir warten im Advent doch nicht darauf, dass Weihnachten kommt. Als wären wir am 24. Dezember plötzlich überrascht, dass Jesus vor 2000 Jahren geboren ist. Nein, wir erwarten, dass Jesus wiederkommt und Gottes Reich anbricht, wie er gesagt hat. Wir feiern Advent nicht wegen Weihnachten. Wir feiern Weihnachten wegen Advent. Weil wir uns daran erinnern, dass Gott in Jesus schon so viel von den Verheißungen erfüllt hat, die er gegeben hat. Wir warten auf die Erfüllung dessen, was noch aussteht. Und das seit knapp 2000 Jahren. Und wenn eine Wartezeit so lange dauert, kann man schon mal denken, dass da irgendwas schief gelaufen sein muss. Und Gott hat das mit der Fertigstellung seiner neuen Welt einfach nicht auf die Reihe bekommen. Und dass Großbauprojekte manchmal einfach nicht fertig werden, damit haben wir ja Erfahrung. Und ein bisschen glaube ich sogar, dass tatsächlich etwas schief gelaufen ist. Nicht mit der Fertigstellung des Himmels, sondern damit, dass Gott noch darauf wartet, dass wir uns wirklich danach sehnen. Dass wir es zulassen, dass er an uns arbeitet, dass er uns dazu gebrauchen kann, andere mit einzuladen. Haben wir das im Advent auf dem Schirm: Es geht nicht um Weihnachten, sondern darum, dass wir wirklich aus dem Bewusstsein leben, dass Jesus wiederkommt?
Vielleicht sollten wir uns das ganz oben auf unsere Termin-Kalender, ToDo-Listen, Einkaufszettel, was auch immer schreiben: Jesus kommt wieder.
Johannes schreibt über Jesus im letzten Buch der Bibel:

7 Siehe, ich komme bald. Selig ist, der die Worte der Weissagung in diesem Buch bewahrt.
13 Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.
17 Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.
20 Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald. – Amen, komm, Herr Jesus!
21 Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!
(Offb.22,7.13.17.20.21)

Das ist der Tenor, auf den Gott uns einstimmen will. Nicht nur im Advent. Nicht nur an Weihnachten. Sondern alle Tage. Bis er wiederkommt.

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.