Alles in Liebe

Alles in Liebe

Hallo,

der Titel für diesen Lichtblick klingt ja zugegebenermaßen sehr harmonisch. „Alles in Liebe“. Alles ist irgendwie in Ordnung und im Einklang. Und ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber wenn ich solche Dinge höre, die ein bisschen zu schön klingen, dann turnt mich das irgendwie ab.

So ist es mir auch am Anfang gegangen, als ich die Jahreslosung für dieses Jahr gehört habe:

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
(1.Kor.16,14; EU)

Das klingt wie ein wenig origineller Kalenderspruch. Erinnert mich an den Spruch: „Alles ist schön, was du mit Liebe betrachtest.“ Und ich möchte niemandem zu nahe treten, dem solche Aussagen gut tun. Aber auf mich wirken sie häufig etwas plump.

Aber nun ist es ja kein Kalenderspruch, sondern unsere Jahreslosung, mit der wir uns hier befassen. Deshalb möchte ich heute gerne diesen Vers etwas runter brechen. So dass er vielleicht weniger idyllisch wirkt, dafür aber greifbarer und hoffentlich auch praxisnäher.

Dazu habe ich vier Aussagen mitgebracht. Und ich glaube, die sind gerade in unserer Zeit relevant. Und ich hoffe, dass so die Jahreslosung mehr Chancen hat, unter uns umgesetzt zu werden.

Die erste Aussage ist ziemlich trivial: Liebe braucht ein Gegenüber. Liebe braucht etwas oder jemanden, auf das oder den sie sich richten kann. Das heißt, die Liebe ist aufmerksam auf ihre Umgebung. Sie ist sich nicht selbst genug.

Gott selbst verfährt nach diesem Prinzip. Er hätte sich in seiner Allmacht ja auch damit begnügen können, einen Planeten zu erschaffen, mit ein paar Pflanzen und Tieren drauf, auf dem alles wunderbar funktioniert, ohne irgendwelche großen Störungen oder Herausforderungen mit einem echten Gegenüber. Aber dann spricht Gott:

26 […] Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. 27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
(1.Mose1,26.27; LUT)

Und dieses Prinzip des Aufeinander-Bezogen-Seins hat Gott in den Menschen hineingelegt. Und er hält für sich selbst und auch für uns noch mal klipp und klar fest: 

18 […] Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; […]
(1.Mose2,18; LUT)

Wie gesagt, das ist erst mal trivial. Und wahrscheinlich ist das den meisten von uns klar. Möglicherweise ist dir das sogar schmerzlich bewusst, weil du dich nach so einem Gegenüber sehnst, aber da ist niemand.

Aber es gibt auch nicht wenige, die sich bewusst diesem Gegenüber verweigern. Es gibt einen Trend in unserer Gesellschaft, der uns zunehmend isoliert. Da geht es darum, die eigenen Grenzen zu wahren, die eigenen Bedürfnisse nicht aus dem Blick zu verlieren. Da geht es um die eigenen vier Wände und den Wunsch nach mehr Zeit für sich selbst. Die Zahl der Single-Haushalte in Deutschland macht mittlerweile 41 Prozent aus. Ich habe in letzter Zeit immer häufiger Gespräche geführt, wo Menschen genervt von menschlichem Miteinander sind. Die keine Lust mehr auf den Stress haben und sich mehr und mehr isolieren. Nur noch so viel Kontakt wie nötig. Aber sich als Gegenüber auf andere Menschen einlassen, nein danke.

Und ich kann das verstehen. Menschen sind anstrengend. Und Menschen können so dumm sein. Niemand weiß das besser, als Gott selbst. Bevor er den Menschen geschaffen hat, war’s für ihn auch entspannter. Aber das hat ihn nicht davon abgehalten, dem Menschen immer und immer wieder in Liebe zu begegnen. Und ja, diese Liebe hat er sich was kosten lassen:

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
(Joh.3,16; LUT)

Ich glaube, dass wir da viel von Gott lernen können. Vielleicht ist das ja gerade genau deine Baustelle. Vielleicht hat sich in dir so ne gewisse Menschenablehnung etabliert. Und wahrscheinlich hast du gute Gründe dafür. Aber lass mich dir sagen: Du bist darauf nicht ausgelegt. Und die Flucht vor dem menschlichen Gegenüber wird dich nicht glücklich machen. Ganz im Gegenteil.

Lass dich neu anstecken von Gottes Liebe zu den Menschen. Es ist nicht möglich, Gott zu lieben, ohne die Menschen zu lieben, die er liebt. 

20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.
(1.Joh.4,20; LUT)

Liebe braucht ein Gegenüber.

Zweiter Aspekt: Liebe bewahrt die Zuversicht. Zuversicht ist ein Grundmerkmal der Liebe. Niemand beginnt eine Liebesbeziehung ohne die Zuversicht, dass sich diese Investition an Zeit und Kraft irgendwie lohnt. Es beginnt mit der Überzeugung: Diese Beziehung ist es wert, geführt zu werden.

Ja, diese anfängliche Hoffnung kann auch enttäuscht werden. Aber niemand würde diesen Aufwand, eine Beziehung aufzubauen, auf sich nehmen mit dem Gedanken: „Das hat doch sowieso keinen Wert.“

Ich denke aber, dass gerade diese Zuversicht in den letzten Jahren stark torpediert worden ist. Ich glaube jeder von uns ist in den letzten Monaten mit Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit konfrontiert worden.

Egal, ob du dabei an Klimawandel, Wirtschaftsprognosen oder gesellschaftliche Entwicklungen denkst. Oder ob du deine eigene Lebensperspektive betrachtest. Sehr leicht stellt sich da der Eindruck ein, dass alles immer nur noch schlimmer wird. Und da kann es leicht passieren, dass man hineingezogen wird, in eine Abwärtsspirale, in der man denkt: „Das hat doch alles keinen Wert mehr.“

Ich möchte die Geschichte eines jungen Mädchens anreißen, die sehr guten Grund gehabt hätte, auch den Kopf in den Sand zu stecken. Sie ist eine Israeliten und ist von den Aramäern verschleppt worden. Jetzt ist sie Sklavin im Hause eines feindlichen Feldherrn. Und dort ist sie nicht nur mit ihrer eigenen trostlosen Situation konfrontiert. Nein, der Hausherr, für den sie arbeitet, hat auch noch eine schwere unheilbare Krankheit. Er ist aussätzig. Doch auch umgeben von so viel Hoffnungslosigkeit in sich und in der Familie, in der sie lebt, gibt sie die Zuversicht nicht auf. Sie glaubt, dass das, was sie in dieser Situation beitragen kann, nicht vergeblich ist. Sie wendet sich an die Hausherrin und sagt: Wenn dein Mann sich nur an den Propheten in meinem Land wenden würde. Der könnte ihn wieder gesund machen. Und tatsächlich, auf den Impuls des Mädchens hin, macht sich der aramäische Feldherr auf den Weg und findet tatsächlich Heilung. Nachzulesen im fünften Kapitel des zweiten Könige-Buches.

Was mich an dieser Geschichte so fasziniert, ist dass dieses Mädchen diese Zuversicht darauf, dass sich das Blatt der Geschichte wenden kann, gar nicht zuerst auf ihre eigene Situation bezieht. Sie weiß nicht, ob sie je wieder in ihre Heimat zurückkehren wird, aber sie weiß: Die Krankheit, die mein Herr hat, die kann der Gott meines Volkes durch seinen Propheten heilen. Und so teilt sie diese Zuversicht und stößt das Heilungswunder an.

Vielleicht geht es dir da ja ganz ähnlich. Da gibt es jede Menge Hoffnungslosigkeit in deinem Leben. Du weißt nicht, wie das alles jemals ein gutes Ende nehmen soll. Aber dann gibt es da diese eine Person oder die eine Situation, bei der hast du so die Ahnung, dass Gott hier einen Unterschied machen kann. Dann lass diese Zuversicht dein Antrieb sein. Paulus schreibt dazu:

5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
(Röm.5,5; LUT)

Da, wo uns die Zuversicht fehlt, lasst uns Gott um Zuversicht bitten. Liebe bewahrt die Zuversicht.

Dritter Punkt: Liebe ist konfliktfähig. Wahrscheinlich ist dir schon aufgefallen, dass das Bild von Liebe, das hier skizziert wird, so überhaupt nichts mit dem romantischen Wort aus unzähligen Liedern oder Filmen zu tun hat. Und das ist auch gut so.

Denn gerade aktuell brauchen wir keine Liebe, die darin besteht, dass wir uns alle so lieb haben. Wir brauchen eine Liebe, die Spannungen aushalten kann. Die Spannungen, in denen wir stehen, werden nicht weniger. Es ist vergeblich, darauf zu warten, dass sich die aktuellen Themen in unserer Gesellschaft wieder abkühlen, so dass wir zu verschiedenen Sachverhalten wieder die gleiche Meinung haben werden. Das wird nicht passieren.

Was wir aber tun können und sollten, ist sehr genau zu differenzieren und uns nicht von Angst, Hass oder Druck von außen einnehmen zu lassen. Vielmehr dürfen wir uns von Gottes Liebe einnehmen lassen, um uns in diese Konflikte zu stellen. Ich lese uns dazu einmal mehr ganz bekannte Verse aus dem ersten Brief von Paulus an die Korinther vor:

4 Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. 5 Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. 6 Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. 7 Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand.
(1.Kor.13,4-7; NGÜ)

Das ist die Beschreibung einer konfliktfähigen Liebe. Jesus ist uns darin ein Vorbild. Er hat es in den Spannungen, in die er hineingeraten ist, immer wieder geschafft, sich nicht vor den Karren von menschlichen Meinungen spannen zu lassen. Egal, ob es dabei um Fragen zur Steuer, um Fragen des Gesetzes oder um Fragen nach seiner eigenen Vollmacht geht. Er hat sich darauf einfach nicht eingelassen. Und das heißt nicht, dass er nicht Position bezogen hätte. Das hat er sehr wohl.

Am eindrücklichsten ist für mich an der Stelle immer wieder die Begegnung mit der Ehebrecherin, die die Schriftgelehrten zu ihm bringen. Sie versuchen seine Gnade gegen seine Gerechtigkeit auszuspielen. Aber Jesus lässt sich darauf einfach nicht ein. Er lässt sich nicht zu einem vorschnellen Statement bewegen. Und als die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, findet er Worte, die den Kern des Problems treffen. Er hält diesen Konflikt aus und dem Druck von außen Stand. Gott sei Dank.

Ich glaube, wenn wir diese Form von Liebe an den Tag legen, dann erfüllen wir unseren Auftrag als Gemeinde Jesu in dieser Zeit mehr, als wir uns vorstellen können. Jesus sagt das im Johannes-Evangelium:

Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
(Joh.13,35; LUT)

Vielleicht nimmst du dir diesen Aspekt heute mit, weil du merkst, dass du der Konflikte um dich herum überdrüssig geworden bist. Und ja, es ist häufig so viel leichter, sich auf die Seite der gerade lauteren Position zu stellen oder sich im anderen Fall ganz aus der Schusslinie zu ziehen. Aber ich glaube, Jesus möchte uns gebrauchen, in diesen Konflikten seine Liebe durchscheinen zu lassen. Denn Liebe ist konfliktfähig.

Ein letzter Punkt: Liebe steht zur Wahrheit. Gerade eben habe ich davon gesprochen, dass die Liebe die Konflikte um Meinungen aushält. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht Position beziehen würde. Und zwar für die Wahrheit.

Wahrheit ist ein schwieriger Begriff geworden in unserer Welt. Das Verständnis, dass Wahrheit und Realität gegeben sind, ist an vielen Stellen dem Verständnis von individueller Wahrheit gewichen. Das, was für dich wahr ist, muss es für mich noch lange nicht sein. Und es gibt durchaus Aspekte, wo dieses Verständnis hilfreich ist. Zum Beispiel beim Umgang mit Gefühlen, Schmerz oder auch Freude. Wenn du gerade Schmerz über eine Sache empfindest, dann ist das Realität für dich und es ist deine Wahrheit. Selbst dann, wenn ich das überhaupt nicht so empfinde und nicht nachvollziehen kann.

Aber nicht alle Wahrheit in dieser Welt ist individuell und vom Standpunkt abhängig. Zwei und zwei sind vier. Es gibt Bereiche, die definiert sind. Bereiche, die Gott definiert hat. Und es ist fatal, diese Definitionen aufzuheben oder aufbrechen zu wollen.

Wenn wir uns den Schöpfungsbericht anschauen, dann sehen wir, wie Gottes schöpferisches Handeln hauptsächlich darin besteht, Trennungen zu schaffen. Er trennt das Dunkel vom Licht. Und ab diesem Moment ist Licht nicht mehr das Gleiche wie das Dunkel. Es lässt sich auch nicht gegenseitig austauschen. Genauso trennt er Wasser und Land, Tag und Nacht, Pflanzen und Tiere. Mann und Frau. Das ist im besten Sinne des Wortes Diskriminierung, also Unterscheidung.

In unserem naiven Verständnis von Liebe neigen wir glaube ich dazu, diese Unterscheidung aufzuweichen, um Menschen, die gerade anders empfinden nicht vor den Kopf zu stoßen. Und es ist richtig: Unser Ziel soll nicht sein, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Aber in Liebe zu Gottes Ordnung zu stehen, der über Leben und Tod verfügt, der alleine über Mann und Frau entscheidet, das ist eine Qualität, die wir haben dürfen. Das ist nicht anmaßend. Nein, ich glaube, das ist sogar befreiend. Jesus sagt dazu:

[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
(Joh.8,32; LUT)

Genauso verhält es sich auch mit der unbequemen Wahrheit über uns Menschen. Wir sind nicht so gut, wie wir gerne von uns denken. Auch hier unterscheidet Gott ganz klar zwischen seiner Gerechtigkeit auf der einen und unserer Rebellion gegen ihn auf der anderen Seite. Und ohne einen Retter, der uns wieder mit Gott in Verbindung bringen kann, bleibt hier eine unüberwindbare Kluft zwischen ewigem Leben und dem Tod. Das gehört auch zur Wahrheit.

Wahrheit bewahrt vor Beliebigkeit und Gleichgültigkeit. Und ist damit ein enger Verbündeter der Liebe. 

Vielleicht ist dieser Aspekt für dich ja auch gerade ganz wichtig. Vielleicht merkst du sogar, dass in deinem Denken selber ganz schön viel an Ordnung durcheinander gekommen ist, was Gott erst mal wieder ordnen muss. Dann darfst du ihn gerne darum bitten. Gott ist ein Meister darin, Ordnung ins Chaos zu bringen. Und dann darfst du auch ganz ohne Rechthaberei und Wichtigtuerei in Liebe zu dieser Wahrheit stehen.

Ich weiß nicht, welcher dieser vier Aspekte dich heute besonders angesprochen und herausgefordert hat. Vielleicht bist du auch mit dem ein oder anderen Punkt gar nicht meiner Meinung. Aber ich hoffe, du merkst, dass diese Jahreslosung, die uns dazu auffordert, alles in Liebe zu tun, kein kitschiger Kalenderspruch ist.

Ich wünsche dir auf jeden Fall beim Umsetzen dieser Liebe ganz viel Segen und Gottes Kraft dazu. Aus eigener Kraft brauchen und müssen wir das, Gott sei Dank, gar nicht erst versuchen.

Amen.

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