Echt gegen Unrecht

Echt gegen Unrecht


Ich kann mich noch sehr gut an einen Tag in der ersten Klasse erinnern. Da haben zwei Freunde von mir und ich unsere Klassenlehrerin ziemlich auf die Palme gebracht. Ich weiß nicht mehr genau, was wir gemacht haben. Auf jeden Fall haben wir uns gezofft und dabei unsere Schulsachen durchs Zimmer geschmissen. Mitten im Unterricht. Unsere Lehrerin ermahnt uns zuerst. Dann setzt sie uns auseinander. Aber wir machen einfach weiter. Und irgendwann reißt ihr die Hutschnur und sie faucht uns an: „Was fällt euch eigentlich ein? Es reicht. Ihr müsst alle drei nachsitzen.“ Und so müssen wir nach dieser Stunde, wo alle anderen nach Hause gehen dürfen, im Klassenzimmer bleiben. Unsere Lehrerin sitzt ganz vorne. Wir jeweils an unserem Pult weit von einander getrennt. Und keiner sagt einen Ton. Nur das Ticken der Uhr. Doch so nach 40 Minuten, kurz bevor die Stunde zu Ende ist, hören wir schnelle Schritte auf dem Flur. Die Tür fliegt auf. Meine Mutter stürmt rein und geht direkt auf meine Lehrerin los: Was ihr einfallen würde, uns nachsitzen zu lassen. Und überhaupt, warum hat sie keine Nachricht bekommen? Sie hat sich Sorgen gemacht. Ist den Schulweg abgefahren, um zu sehen, wo ich bleibe. Und ich sitze so an meinem Pult. Schiele zu den beiden anderen. Grinse in mich hinein, weil sich meine Mama so für mich einsetzt und mich in Schutz nimmt. Und auf dem Weg aus der Schule denke ich noch, dass es das jetzt gewesen ist. Bis wir im Auto sitzen und die Türen zumachen. Da fährt mich meine Mutter an: Was mir einfallen würde, mich so daneben zu benehmen, dass ich sogar nachsitzen muss. In der ersten Klasse. Wie kann es sein, dass sie zu Hause alles stehen und liegen lassen muss, bloß weil ich Mist baue.
Nach diesem Tag musste ich nie wieder nachsitzen. Weder bei dieser Lehrerin, noch bei irgend einem anderen Lehrer.

An welcher Stelle in dieser Geschichte ist Unrecht geschehen? Was wäre denn in dem jeweiligen Fall gerecht gewesen? Und ganz zum Schluss: Ist denn der Ausgang dieser Geschichte gerecht?

Willkommen im Thema „Echt gegen Unrecht“. Wir befinden uns noch immer in unserer Themenreihe über die Liebe. So, wie Gott sie versteht. Wir orientieren uns dabei an vier berühmten Versen aus dem dreizehnten Kapitel des ersten Korintherbriefes. Und heute geht es um den sechsten Vers.

Doch bevor wir uns den Vers anschauen, möchte ich noch mal kurz rekapitulieren, was wir bisher gehört haben. Wir sind damit eingestiegen, dass zwei Wesensmerkmale der Liebe darin bestehen, dass wir geduldig und gütig miteinander umgehen. Dahinter steckt mehr als ein höflicher Umgang, sondern eine grundsätzliche Herzenshaltung gegenüber unseren Mitmenschen. Benjamin Lederer hat davon gesprochen, dass die Liebe sensibel dafür ist, wo unser Eifer, unsere Leidenschaft oder unser Engagement für an sich gute Sachen uns den Blick auf Gott oder unsere Mitmenschen verstellen können, so dass wir lieblos agieren. Im Thema „Auf dem Teppich geblieben“ ging es darum, dass die Liebe davon lebt, dass unsere Identität Halt und Orientierung in Gott selbst findet. Friedrich Porsch hat zum Thema „Jenseits des eigenen Vorteils“ die steile These formuliert, dass wir gar nicht in der Lage sind, so selbstlos zu lieben, wie Gott das tut. Und warum es trotzdem gut ist, sich danach auszustrecken. Und vor zwei Wochen hat uns Nele Schmidt mit hineingenommen, was es eigentlich mit unserem Zorn und der Liebe auf sich hat und dass es dabei um mehr geht, als einfach seine Gefühle in den Griff zu bekommen.

Und ihr merkt schon: Da ist Spannung in jedem Thema. Da ist Druck auf dem Kessel. Und es geht bei dieser Beschreibung von Liebe nicht darum, den Druck wegzuharmonisieren oder noch schlimmer, ihn zu leugnen. Es geht bei der Liebe darum, mit dieser Spannung umzugehen. Es geht um eine konfliktfähige Liebe. Und im Idealfall um eine konfliktlösende Liebe.

Lasst uns einsteigen. Und ich lese den Predigttext nach der Übersetzung „Gute Nachricht“. Da heißt es:

6 [Die Liebe] ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, sondern freut sich mit, wenn jemand das Rechte tut.

1.Kor.13,6; GNB

Ich mag die verschiedenen deutschen Bibelübersetzungen sehr. Ich finde die meisten von ihnen in vielen Fällen großartig. Ein Segen, dass wir sie haben. Und gerade die Übersetzung „Gute Nachricht“ mag ich, wenn es darum geht, eine gut verständliche, leicht zu lesende und doch nicht zu verwaschene Übertragung des Textes zu haben.
Allerdings, bei diesem Vers bin ich etwas unglücklich. Die Liebe ist nicht schadenfroh. So weit, so gut. Der Volksmund sagt: Schadenfreude ist die schönste Freude. Die Bibel widerspricht an dieser Stelle dem Volksmund und stellt richtig: Ne, freu dich nicht über den Schaden, den andere erleiden.
Doch dann steht da: „…, wenn anderen Unrecht geschieht.“ Und das klingt für mich so, wie: Die Liebe ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht. Wenn jemand aber mit Recht den Schaden erleidet, ist es ok.

Kennst du das? Jemand hat etwas Böses getan, hat selbst Unrecht verübt. Vielleicht sogar direkt an dir. Hat dich provoziert, hat dich betrogen, hat dich ausgenutzt oder missbraucht. Und jetzt trifft diese Person selbst das Unglück. Am Besten noch als direkte Konsequenz des eigenen Handelns. Das Blatt wendet sich. Was denkst du in so einem Moment? Ich weiß, was ich sehr häufig in solchen Momenten denke. Ich denke: „Das geschieht dir recht.“ Und ich freu mich darüber. Und ich halte das für gerecht.
Das Problem ist nur: Ob ich jetzt schadenfroh bin oder nicht und ob das dann in Ordnung ist, entscheide immer noch ich nach meinem eigenen Gerechtigkeitsverständnis.

Auch den zweiten Teil finde ich nicht besonders glücklich formuliert: Die Liebe freut sich, wenn jemand das Rechte tut. Das ist nicht grob falsch. Es ist bestimmt schön und erfreulich, wenn jemand das Rechte tut. Aber ganz ehrlich: Wer tut das nicht? Ja, um sich an dem zu freuen, was andere Gutes tun, muss man erst mal aufmerksam sein. Sein Umfeld wahrnehmen. Und vor allem auch mit Wertschätzung reagieren können. Dazu braucht es auch Liebe. Und wie traurig, wenn jemand dazu nicht mehr in der Lage ist, sich über Gutes zu freuen und darüber, wenn jemand das Rechte tut. Aber ich glaube, es greift noch zu kurz.

Ich möchte uns diesen Vers mal nach der Elberfelder Bibelübersetzung vorlesen, die sich sehr an der wortwörtlichen Bedeutung der Grundtexte orientiert:

6 [Die Liebe] freut sich nicht über die Ungerechtigkeit; sondern sie freut sich mit der Wahrheit.

1.Kor.13,6; ELB

Ich glaube, in diesem Vers steckt mehr als die Ermahnung, nicht schadenfroh zu sein. Und auch mehr als die Aufforderung, sich an dem guten Tun anderer zu freuen. Ich glaube, hier wird zum einen ein großer Schmerz des Menschen adressiert. Und gleichzeitig ein großes Missverständnis, wie man diesem Schmerz begegnen kann:
Der große Schmerz des Menschen ist die Ungerechtigkeit. Jeder spürt sie. Jeder erfährt sie. Und jeder leidet darunter. Niemand sagt: Ungerechtigkeit find ich gut. Gott übrigens auch nicht. Und auch die Ungerechtigkeit, die du gerade erlebst, macht da keine Ausnahme. Ungerechtigkeit tut richtig weh. Und diese Welt ist voll davon. Es ist zum Heulen.
Und es ist vollkommen verständlich, dass wir dagegen etwas tun wollen. Die Ungerechtigkeit soll aufhören. Dieser Schmerz soll aufhören. Was braucht es? Na klar, es braucht Gerechtigkeit. Was sonst? Also setzen wir uns ein, um gegen das Unrecht vorzugehen. Für die Gerechtigkeit. Und damit sind wir ja automatisch im Recht. Oder?
Wie viele Aufstände, Revolutionen und Kriege sind im Namen der Gerechtigkeit schon geführt worden? Und wie viele haben letztlich nur noch größere Ungerechtigkeit hervorgebracht? Wir Christen haben da in der Geschichte leider nicht immer die Ausnahme gebildet. Wir sind da in trauriger Gesellschaft durch die Menschheitsgeschichte hindurch.

Schon die ersten Geschichten in der Bibel handeln von schrecklicher Ungerechtigkeit. Und sie handeln davon, wie Menschen es häufig durch ihren Kampf gegen Ungerechtigkeit noch schlimmer machen. Es war ungerecht von Jakob, dass er Josef seinen Brüdern vorzog. Und dann reibt dieser Josef seinen Brüdern auch noch seine tollen Träume unter die Nase, dass sie sich eines Tages alle vor ihm verbeugen werden. Sie wollen dieser Ungerechtigkeit ein Ende bereiten und vergreifen sich an ihm. Sie verkaufen Josef in die Sklaverei nach Ägypten, von wo er nie wieder lebend zurückkehren wird.

Vielleicht hast du ja auch schon die Erfahrungen gemacht, dass du gegen offensichtliches Unrecht aufgestanden bist, hast dich für die Gerechtigkeit eingesetzt und nachher musstest du erkennen, dass du die meisten Scherben am Boden selbst verursacht hast. Mir ist das schon oft passiert.

Die Liebe stellt der Freude über die Ungerechtigkeit etwas anderes entgegen: Nämlich die Freude mit der Wahrheit. Im Griechischen steht hier ein anderes Wort für „freuen“ als im ersten Teil. Das „sich über Ungerechtigkeit freuen“ ist ein eher distanziertes Freuen. So, wie ich mich ein bisschen freue, dass Bayern dieses Jahr nicht deutscher Meister geworden ist, obwohl mir Fußball eigentlich völlig egal ist. Das „sich mit der Wahrheit freuen“ das ist ein eng verbundenes Freuen. Ein eingefleischter Fan von Beyer Leverkusen hat sich zum Beispiel nicht einfach nur über das Ergebnis dieser Saison gefreut. Der freut sich mit der Werkself. Der feiert, als hätte er selbst die Meisterschale gewonnen. Dieses Freuen ist hier gemeint.

Aber wie kann diese Freude mit der Wahrheit das entscheidende Gegengewicht zu dem großen Schmerz über die Ungerechtigkeit sein? Was ist damit überhaupt gemeint?
Ich glaube, dass Gott sieht und weiß, wie sehr wir unter den Folgen der Ungerechtigkeit leiden. Aber er sieht auch, dass meistens blind sind, die Zusammenhänge der Ungerechtigkeit zu begreifen. Wir sehen oder spüren nur die Auswirkungen der Ungerechtigkeit und wollen dagegen vorgehen. Noch bevor wir überhaupt verstanden haben, was eigentlich dahinter steckt. Was die Wahrheit ist.

Mir fällt das aktuell deutlich beim Umgang mit meinen Kindern auf. Mein Sohn hat gerade eine Phase, in der er sehr viel provoziert. Manchmal haut er ohne ersichtlichen Grund seiner kleinen Schwester auf den Kopf. Und tut danach auch noch so, als wäre nichts gewesen. Grinst mich vielleicht sogar noch an. Die Kleine schreit und will getröstet werden. Und ich bin wütend. Denn es ist nicht in Ordnung, nicht gerecht, dass er anderen Kindern weh tut. Auf der anderen Seite bin ich aber auch überfordert, weil ich überhaupt nicht verstehe, warum er das gerade tut. Natürlich möchte ich dafür sorgen, dass er das nicht mehr tut. Aber die Maßnahmen, die ich in solchen Momenten ergreife, spiegeln häufig mehr meine Überforderung wider als meine Liebe zu meinen Kindern. Manchmal schnauze ich ihn an. Manchmal ziehe ich ihn unsanft aus dem Gefecht. Manchmal schicke ich ihn in die Auszeit.
Und ich sage damit nicht, dass klare Grenzen und deutliche Konsequenzen falsch wären. Genauso wenig möchte ich dafür werben, Täter in Schutz zu nehmen und das Opfer zu verhöhnen. Das passiert nämlich leicht, wenn man die Klage über die Ungerechtigkeit mit leeren Phrasen erwidert, wie: „Man muss ja auch immer die andere Seite sehen.“ Aber ich weiß: Dort, wo ich der Ungerechtigkeit begegnen will, muss ich mich zuerst um die Wahrheit bemühen. Das ist ein Wesensmerkmal der Liebe.

Menschliche Gerechtigkeit fragt nach Tatsachen. Die Wahrheit fragt nach Ursachen. Menschliche Gerechtigkeit geht der Ungerechtigkeit auf den Leim. Aber die Wahrheit geht der Ungerechtigkeit auf den Grund. Jesus sagt:

32 […] ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

Joh.8,32; ELB

„Wahrheit“ ist ein großer Begriff und wir können heute nicht die ganze Bedeutung dieses Begriffs betrachten. Übrigens gilt das auch für den Begriff „Ungerechtigkeit“. Aber ich glaube in Bezug auf Ungerechtigkeit möchte uns die Wahrheit befreien von der Ohnmacht und unserer eigenen Definition von Gerechtigkeit.

Eine Passage in der Bibel, die diese Auseinandersetzung zwischen Ungerechtigkeit und Wahrheit sehr gut widerspiegelt, ist die Szene, in der Jesus zu Unrecht festgenommen, angeklagt, verspottet und geschlagen vor Pilatus steht. Und Pilatus fragt, was er getan hat.

36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht überliefert würde, jetzt aber ist mein Reich nicht von hier. 37 Da sprach Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, dass ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. 38 Pilatus spricht zu ihm: Was ist Wahrheit?

Joh.18,36–38a; ELB

Und damit endet das Gespräch der beiden. Die unfassbare Ungerechtigkeit der Verurteilung und Kreuzigung von Jesus nimmt weiter ihren Lauf. Pilatus ist der Mann, der eigentlich für Gerechtigkeit sorgen sollte. Und er merkt selbst, dass alles in diesem Prozess um Jesus ungerecht ist. Aber er ist nicht in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Und er gibt mit seinen letzten Worten an Jesus auch zu, warum: Weil er nicht weiß, was Wahrheit ist.
Sein Problem ist nicht der Mangel an Wahrnehmung für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Auch nicht der Mangel an Macht, um der Ungerechtigkeit zu begegnen. Sein Problem ist, dass er die Wahrheit nicht erkennt.

Das Ironische an dieser Szene ist. Die Wahrheit ist für Pilatus sprichwörtlich zum Greifen nah. Sie steht direkt vor ihm. Pilatus sucht nach einem Weg, das Leben dieses unschuldigen Mannes zu retten und fragt nach Wahrheit. Und Jesus hat sagt:

6 […] Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Joh.14,6; ELB

Ich glaube, diese Passage spiegelt sehr gut wieder, was hinter der Ungerechtigkeit in der Welt steht. Damals wie heute. Auch heute noch versuchen Menschen der Ungerechtigkeit zu begegnen. Und Jesus Christus steht als die personifizierte Wahrheit vor ihnen. Aber sie lehnen ihn ab. Und damit auch Gott, der in Jesus verkörpert ist.
Menschen versuchen der Ungerechtigkeit zu begegnen, die Menschen an der Schöpfung anrichten. Aber sie lehnen den Schöpfer ab. Den Schöpfer, der diese Welt nach wie vor in Händen hält und der gesagt hat:

22 Von nun an, alle Tage der Erde, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Gen.8,22; ELB

Menschen versuchen der Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau zu begegnen. Aber sie lehnen die Wahrheit dessen ab, der Mann und Frau definiert und aufeinander bezogen konzipiert hat. Menschen versuchen der Ungerechtigkeit im Nahen Osten zu begegnen, aber sie lehnen die Wahrheit über die Identität von Israel ab, als das von Gott erwählte Volk. Und die Tatsache, dass daraus schon immer der Hass der Welt provoziert worden ist. Übrigens auch der Hass, der sich gegen die Botschaft von Jesus richtet. Und uns, die wir ihr glauben. Weil wir damit Anteil an dieser Erwählung haben.
Und es gibt noch so viel mehr. Es ist leicht, sich an dieser Stelle in Rage zu reden. Oder auch daran bitter zu werden. Und gerade unter uns Christen ist das auch schon häufig passiert. Aber dann schau ich mir Jesus vor Pilatus an und wie er die Sache mit der Ungerechtigkeit angeht. Er setzt sich nicht für Vergeltung ein. Sondern für Wiederherstellung.

Jesus sagt es Pilatus ganz deutlich. Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Mein Reich läuft nicht nach euren Maßstäben ab. Nicht nach eurem Verständnis von Wahrheit, nicht nach eurem Verständnis von Gerechtigkeit, nicht nach eurem Verständnis von Liebe. Und wir als Christen tun gut daran, uns nach den Maßstäben auszurichten.

Wir haben vor ein paar Wochen Ostern gefeiert. Die Geschichte endet nicht mit der Ungerechtigkeit, die die Wahrheit zu Grabe trägt. Die Geschichte endet mit dem Sieg der Wahrheit. Denn die Wahrheit ist nicht tot zu kriegen. Und mit ihr auch nicht die Gerechtigkeit. Aber die Wahrheit siegt nicht gegen die Ungerechtigkeit. Sie siegt durch sie hindurch. Wo immer Ungerechtigkeit um sich greift, dürfen wir wissen, dass die Wahrheit das letzte Wort hat. Und an diesem Sieg freut sich die Liebe mit der Wahrheit.

Lasst uns noch mal zurückgehen zu der Geschichte von Josef, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft worden ist. Die Ungerechtigkeit in seinem Leben hat an dieser Stelle noch nicht mal ihren Zenit erreicht. Er muss noch sehr viel Ungerechtigkeit gegen sich erleben. Aber im Gegensatz zu seinem Vater versucht er in der Fremde nicht, die Ungerechtigkeit mit seinen eigenen Mitteln zu besiegen. In seinem Handeln wird deutlich, dass er sich nach Gottes Maßstäben orientiert. Er muss noch durch Verleumdung, Gefängnis und Enttäuschung gehen. Doch das Blatt wendet sich. Gott gebraucht ihn, um eine drohende Hungersnot abzuwenden. Er steigt in Ägypten zum zweitmächtigsten Mann nach dem Pharao auf.
Und an dieser Stelle kommen die Brüder von Josef nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Die Brüder, durch die er so viel Ungerechtigkeit erfahren hat. Sie erkennen ihn erst gar nicht. Er erkennt sie sofort. Die Bibel berichtet, wie Josef mit sich ringt. Der ganze Schmerz kommt in ihm noch mal hoch. Doch am Ende gibt er sich seinen Jüngern zu erkennen und er sagt am Ende seinen Brüdern zu:

19 […] Fürchtet euch nicht! Bin ich etwa an Gottes Stelle? 20 Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott ⟨aber⟩ hatte beabsichtigt, es zum Guten ⟨zu wenden⟩.

Gen.50,19–20; ELB

Wie Jesus lässt Josef ab von der menschlichen ausgleichenden Gerechtigkeit. Er hält an der Wahrheit fest, nämlich, dass Gott gut ist. Und sein Weg durch die Ungerechtigkeit zur Wiederherstellung von Beziehungen führt.

Epilog: Josef hat diese Wahrheit erfahren, dass Gottes Liebe es gut macht. Jesus hat in dieser Wahrheit gelebt. Ja, er ist diese Wahrheit in Person. Und in seinem Namen sind seither viele Menschen aufgestanden für die Wahrheit. Und aus der Freude mit der Wahrheit waren sie im Stande, der Ungerechtigkeit, vor der sie standen zu begegnen. Leider waren das an vielen Stellen in der Geschichte Einzelpersonen. Viel zu selten die Kirche als Gesamtheit. Martin Luther konnte in dieser Wahrheit gegen die Ungerechtigkeit aufstehen, die mit Gottes Gnade Geld verdienen wollte. William Wilberforce konnte in dieser Wahrheit gegen die Ungerechtigkeit aufstehen, die durch Sklaverei Menschen unterdrückte. Martin Luther King konnte in dieser Wahrheit gegen die Ungerechtigkeit aufstehen, die Menschen mit anderer Hautfarbe als Menschen zweiter Klasse betrachtete. Und es gibt noch viele mehr. Und ich hoffe, es werden in den Ungerechtigkeiten unserer Zeit noch mehr. Menschen, die Begriffe wie Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe nicht versuchen selbst zu definieren, sondern die sich dabei nach Gottes Maßstäben ausrichten und danach leben.
Denn Gott ist Liebe. Und die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit; sondern sie freut sich mit der Wahrheit.

Amen.

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