Vater, unser Vater!

Vater, unser Vater!

Mt 6, 5 – 13                                                                                  Rogate – Oßling/Großgrabe, am 17.05.2020 

„Jesus lehrte seine Jünger und sprach: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir´s vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“    

Liebe Gemeinde! Liebe Schwester, lieber Bruder! >Schlüsselmomente< Wo ist dein Kämmerlein? „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir´s vergelten.“ Jesus spricht von zwei Türen: Eine wird verschlossen, die zur Welt. Da hast du den Schlüssel. Eine andere öffnet sich, die zum Himmel. Da ist Gott die Schlüsselfigur. Beten: Ein Reden mit Gott hinter verschlossener Tür. Beten: Ein Gehen zu Gott durch eine geöffnete Tür. So sollt ihr beten: „Unser Vater!“ >Ermächtigung<Mit der Gebetsanweisung des Vaterunsers ermächtigt uns Jesus vor die himmlischen Welten zu treten und zu rufen: „Unser Vater in den Himmeln!“ Die Worte des Vaterunsers verorten den Beter, öffnen ihm die Wahrheit, wo er sich beim Beten befindet. >Verortung< Ich nenne diesen Ort „Zwischen“. Zwischen Himmel und Erde. Zwischen Gottes Reich ohne Mangel und dem Ringen um das täglich Brot. Zwischen Schuld und Vergebung, zwischen Versuchung und Erlösung, mitten, zwischen, in diesen Spannungsbögen. Vater unser im Himmel, flüstern wir im Kämmerlein, rufen den Allmächtigen, Ewigen mit Namen, und sind doch nur Staub, unsere Tage hier gezählt. >Schon und noch nicht< So beten wir zwischen Zeit und Ewigkeit. Rufe, ermuntert Jesus. Rufe es aus in alle Welten, hinein in dein Leben, ins Licht der Himmel, in alle Finsternisse. Denn du bist des Vaters Herold. Rufe ins Unheilige: „Geheiligt werde dein Name!“ Und bestehe in Demut und mit Nachdruck darauf: „Komme, Reich Gottes! Geschehe Wille Gottes! Wie im Himmel, genauso auf Erden!“ Ja, im griechischen Urtext steht ein starker Imperativ, eine Form des Gebietens, so, als würde es durch dein Rufen hervortreten: Komme! Geschehe! Reich Gottes! <Himmlische Rechte< Zu solch himmlischer Vollmacht ermächtigt Jesus die Erdlinge. Du hast dieses, solch ein Vorrecht. Wusstest du das? „Vater unser!“ So, auf diese Weise, darfst du vor den Schöpfer aller tretenSuchst du den Himmel – er ist im Kämmerlein. Dort wartet Gott, dein Vater im Himmel, wartet auf ein Rendezvous mit dir. >Im Verborgenen< Im Verborgenen bin ich ganz allein und ganz bei mir. Sich im Verborgenen treffen braucht Vertrauen. Verborgenes teilen braucht Vertrauen. Im Verborgenen, so der Psalm 139, wurden wir gemacht. Im Verborgenen wird unsere Beziehung zu Gott geschaffen und erhalten. Verborgenes teilen kann nur, wer Verständnis füreinander hat. Im Verborgenen lassen wir die Angst vor Beschämung fallen. Wir müssen keine gute Figur machen. Wir schließen die Augen vor dem Tageslicht. So beginnen wir die Welt, das Leben und den Himmel im Licht Gottes zu sehen. – Beten und Licht. >Die sieben Farben< Das passt zusammen. – Wir wissen: Licht ist weiß. Hell, leuchtend weiß. So sieht es unser Auge. Doch das Licht hat sieben Farben. Wird ein Lichtstrahl durch einen Kristall gebrochen, öffnet sich das Geheimnis und wir sehen bunt. Sieben Farben hat das Licht. Sieben Bitten hat das Vaterunser. Wie das gebrochene Licht eine Quelle hat, beziehen sich die sieben Bitten auf den Vater des Lichts (Jak. 1, 17). Der Vater, oder bleiben wir beim biblischen Wort, unser Vater, meiner, deiner – unser Vater, ist die Quelle, der Ursprung des Lebens, der Liebe, Quelle des Lichtes. Der Mensch, sein Wesen, seine Freuden, Sorgen, Ängste, seine Armut, eben das menschliche Herz ist wie ein Kristall. Betest du, genauer, rufst du mit starkem oder zaghaftem Vertrauen: Vater unser im Himmel! – richtet sich der Lichtstrahl auf dein Herz. Gebet hat nur dieses eine Wort, diesen Ruf, diese Bitte und Sehnsucht, Freude und Dank: Vater, Vater unser! >Auf den Vater warten< Mehr nicht. Doch viel mehr noch, aber vorerst nicht mehr Worte. Nicht Worte, sondern warten. So beginnt das Gebet. Wenn einer die Liebe des Vaters durch sein Herz fließen lassen will, wie das Licht durch einen Kristall, rät uns Jesus zum Schweigen und Warten. Den Vater rufen und warten und still sein: “Wenn ihr betet, plappert nicht wie die Heiden; denn sie meinen, wenn sie viele Worte machen, werden sie erhört. Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.“ Alles, was du brauchst, ist Liebe des Vaters. Wir brauchen Liebe. Ob es in Form von Brot und Arbeit sei, oder Vergebung und Wertschätzung, Kraft zu helfen und sich helfen lassen, ein freundliches Wort, ein gutes Bier, Gesundheit oder Leidensbereitschaft oder einst ein seliges, getrostes Sterben in Jesus – was wir brauchen, weiß unser Vater, bevor wir ihn bitten. Das ist die offene Tür. Wer so vertraut, hat schon mit dem Beten begonnen. Dieses Grundvertrauen – der Vater weiß – ist die innere Gebetshaltung. Mit dem „Vater, Vater unser!“ – halte ich ihm mein Herz hin. Wie eben den Kristall ins Licht. „Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.“ >Um der Liebe willen< Warum bitten, wenn er`s weiß? Wegen der Liebe. Sie will Verbindung, Nähe, Gespräch. Unser Vater ist Liebe. Er sehnt sich und will angesprochen, angerufen werden. Er ist eben unser Vater und nicht unser Arbeitgeber. Er will Liebe geben und nicht Lohn. Er weiß, dass wir Liebe brauchen und hält schon seine Hände ausgestreckt. Wir sollen im Bitten empfangen. Wir brauchen keine Überredungskünste, wir haben die Kindschaft. Wir brauchen nicht viele Worte, wir haben das eine nötige Wort: Vater! Wer nach dem Vater ruft, bekommt Liebe. Richtiger: Gott öffnet ihm die inneren Augen, seinen Geist, was er als Vater an Liebe in die Welt, auch in sein Leben schon gegeben hat. – >Jesus – Gottes Liebe< Wer das Vaterunser verstehend beten will, der schaue die Liebe Gottes an. Seine Liebe ist Jesus, sein einziger Sohn. Diese, seine Liebe, investierte er, gab er in die Welt. Jesus, das Licht der Welt leuchtete in die Welt, machte die Welt hell, brachte Heil und Heilung. Wurde Mensch, wurde gebrochen, wie Licht im Kristall. Das Vaterunser redet von Jesus, dem Christus, der sich aus Liebe in dieser Welt brechen ließ: „Geheiligt werde, Vater, dein Name.“ Jesus heiligte den Gottesnamen, er machte aus einem fernen unbegreiflichen Gott, einen nahen, greifbaren. Er zeigte das Herz und wahre Wesen Gottes, wie er zu uns steht und wer er ist für uns: Vater. So sind wir durch Jesus Kinder. >Durch Jesus Gottes Kinder< So also wird Gottes Vatername geheiligt, wo ein Menschenkind sich in Jesus als Gotteskind erkennt. Das Bekenntnis: Ich bin Gottes Kind, heiligt den Vaternamen Gottes. – Mit Jesus kam Gottes Reich in unsere Welt und ist mitten unter uns. So einer vertrauensvoll zum Vater ruft: Komme Reich Gottes – bekehrt er sich zu seinem Heiland und lässt ihn seinen Herrn sein. „Dein Reich komme“ heißt: komme bei mir, in mir, erlöse, stärke, rette, heile, tröste und richte es auf, dieses, mein trotziges und verzagtes Herz. >Das Reich Gottes in mir< Es ist die Einladung: Komm, komm Herr Jesus. Wer Jesus so seine Herzenstür öffnet – darf wissen, weil der Vater weiß, was wir brauchen – dass Jesus eingetreten ist. Wo der Herr Jesus eine menschliche Wohnung betreten hat, weicht der Schatten. Die Fesseln der Ichbezogenheit, das Gebundensein, dieses Drehen um sich. Alles fällt. Ist´s innen hell, schauen wir schauen hinaus aus dem Fenster unseres Lebens und sind betroffen, leiden mit, sehen andere in Ängsten, Nöten und rufen: „Dein Wille, Vater, geschehe.“ >Das Reich Gottes für die Welt< Auch dort und für den. Wir flehen, wartend vor Gott, dass seine Liebe alles hell mache, Frieden bringt und Arbeit, Vergebung und Erleichterung. In dem anteilnehmenden Ruf: Dein Wille geschehe, strahlt Gottes Licht durch uns hinaus. Dann bitten wir Jesus – das Brot des Lebens – um das Brot für heute. In der Gegenwart geschieht Gottes Wille durch uns. >Brotvermehrung< Ach, dass die Segensträger andern zum Segen werden. Dass die Arbeit nicht dem Gewinn, sondern der Liebe dient. Dass es beim Reden nicht ums Rechthaben geht. Dass aus meinem Tun und Lassen, durch meine Augen und Hände strahle, was mich erleuchtet hat. Schenke der Liebe Raum, Wachsen und Gelingen: Dieses täglich Brot gib uns heute. – >Frühjahrsputz<  Ihr Lieben! Wer betet, räumt auf, macht sauber, wäscht, stellt Blumen ins Zimmer. Wo Jesus ein Herz hell macht, sieht man Gerümpel und Dreck. Es wird klar: das hätte ich tun müssen, das andere nicht. Das Kreuz Jesu ist für uns wie ein Besen, wenn wir rufen: „Und vergib uns, Vater, unsere Schuld.“ Da sehen wir Jesus, das gebrochene Licht Gottes in der Welt am Kreuz, leidend für alle Sünde und Schuld. Hören ihn für seine Henker bitten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Das tun auch wir im Gebet. >Lasten nicht nachtragen< Da streichen wir nicht großmütig, sondern demütig die Schulden aller, die schuldig an uns wurden. Ich vergebe allen – das ist der feste Entschluss dessen, der da ruft: „wie auch wir, Vater, vergeben unsern Schuldigern.“ So tiefgreifend heilt und ordnet das Gebet die Beziehung zu sich und dem Nächsten. – Jetzt rückt der Sieg Jesu in den Blickpunkt, sein Sieg am Kreuz über Sünde, Tod und Teufel. Jesus ist Sieger! >Ich bin erlöst< Das ruft der aus, der bittet: „Führe uns, Vater, nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Vom Kreuz Jesu richtet sich dann der Blick auf den Ostermorgen, seine Auferstehung und der Beter preist Gott, weil er und die Kirche einmal in Gottes Herrlichkeit sein werden. „Lobpreis sei dem Vater< Zuversichtlich schauen wir auf das Ziel unsrer Reise, unsere Heimat, unser Vaterhaus, was uns Jesus durch sein Blut erkauft hat: „Denn dein, Vater, ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.“ – Am Himmel steht ein Regenbogen. Er überspannt den Horizont wie eine Brücke. In seinen sieben Farben erzählt er uns, dass da ein Weg von hier nach dort, von der Erde ins Paradies ist. Dass dieser Weg Jesus ist, der sich hat brechen lassen für uns. Dass dieser Weg für uns wurde, weil unser Vater weiß, was wir brauchen. Ein Regenbogen überspannt den Horizont. Schau auf, und rufe aus ganzem und tiefsten Herzen dieses Wort: Vater, unser Vater! Amen.

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