Laetare – Freuet euch !?

Laetare – Freuet euch !?

Jes 66, 10-14                                                          Lätare – Oßling/Großgrabe, am 22.03.2020

„Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit mir, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum ihrer Mutterbrust. Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. Ihr werdet´s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.“

Liebe Gemeinde! Lätare. Der Name des heutigen Sonntags stammt aus der lateinischen Bibel. So beginnt unser Predigtwort: „Freuet euch!“ Damit wird ein Kontrastpunkt zu unserm Alltag eröffnet: Freuet euch – und Corona. Wenn Gottes Wort in unseren Alltag tritt und ihn ausleuchtet, ereignen sich Kontraste. So wird uns schon auf der ersten Seite der Heiligen Schrift von Gottes Handeln erzählt – der Schöpfer schafft Kontrast. Scheidet Licht von der Finsternis, das Wasser vom Festland, den Tag von der Nacht. Unterscheidung. So handelt, so zeigt, so offenbart sich der Herr. Da heute unser Herr durch  sein Wort in unserer Mitte ist, muss ich das erwähnen, was auch in unserer Mitte Dynamiken entfesselt. Unser allgegenwärtiges Thema: Pandemie Corona. Was löst das alles für Befindlichkeiten aus? Angst und Befürchtungen treiben Menschen zu Hamsterkäufen, andere zu kopfloser Sorglosigkeit. Wir mittendrin. Halten digitalen Gottesdienst und können uns vorerst nicht mehr in die Augen sehen. Ringen um Besonnenheit. Alle helfenden, ordnenden Berufe haben enormen Druck. Erhebliche materielle Einbußen treffen nicht wenige. Es macht was mit uns. Nachdenkenswert an dieser Stelle ist die Mehrfachbedeutung des lateinischen Wortes „corona“. Es heißt nicht nur „Kranz“, sondern war ein Begriff beim Sklavenhandel. Eine gängige Mundart hieß: „sub corona vendere“, „als Sklaven verkaufen“. Auch wir sind eine „corona“, ein Zuhörerkreis. Und: es bedeutet auch „Kaiser- und Königskrone“. Ich halte hier meine Konfirmationsurkunde in der Hand und lese darin das mir gegebene Leitwort für meine Jesusnachfolge: „Jesus Christus spricht: Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine „corona“ nehme.“ Jesus hat mir eine Krone übertragen und setzt damit einen Kontrast: corona des Lebens zur corona der Krankheit. Ich bin zum Königskind ernannt, trage ein Ehrenzeichen, das im Himmel anerkannt ist. Aus Scham, ein Sünder zu sein, wurde Ehre, ein Gotteskind. Jesus hat alle Scham – die Dynamik der Verkrümmung – in Ehre verwandelt. Ehre – die Dynamik des aufrechten Ganges. Kronenträger! Freuet euch! Lätare! – Punkt 2: Freude auf Trümmern. Wir blicken jetzt auf die ersten Adressaten dieser prophetischen Rede vor 2.500 Jahren. Es sind die Heimkehrer aus der babylonischen Gefangenschaft. Da sitzen sie. Tempel in Trümmern. Stadt in Schutt und Asche. Keine Mittel. Kleine Kraft, riesige Aufbauaufgabe. Folge: Überforderungssyndrom, Resignation. Und sie hören auch noch: „Freuet euch!“ Das kann wie Hohn, kann zynisch klingen. Aber nur, wenn man dabei auf sich oder die begrenzten Möglichkeiten einer Gemeinschaft schaut. Das Mögliche, machbar Erscheinende wird an der Größe der Herausforderung zerschellen. Den Hörern damals und auch uns heute wird nicht eine krampfhafte Freude verordnet. Wir sollen uns nicht angesichts von Trümmern, Angst, Leid, Überforderung, Tod und Sterben freuen. Hier steht: Freuet euch über die Gegenwart Gottes. Der Herr ist da, in allem. Das ist unsere Freude. In den Trümmern wartet der Herr auf uns. „Die Freude am Herrn ist unsre Stärke.“ (Neh 8,10) Unser Predigtwort legt die Gegenwart Gottes in das Wort „Jerusalem“. Die Gläubigen damals verstanden das sofort. Sie kannten die Zusagen ihres Gottes, wie etwa: Jerusalem ist Gottes´ Stadt. Zion ist Gottes Wohnstätte. Der Herr hat Jerusalem erwählt u.v.a. Jerusalem – da klang in den Ohren der Damaligen: „Der Herr ist gegenwärtig mit seiner machtvollen Präsenz. Der Ton der Prophetenpredigt war etwa so: „Freuet euch an der machtvollen Präsenz Gottes, seid fröhlich darüber, die ihr den Herrn lieb habt. Freuet euch alle über die Gegenwärtigkeit des Herrn, die ihr traurig über die Trümmer gewesen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten seines Trostes … denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite bei ihr den Frieden aus wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach.“ Der Prophet sagt Amen. Die Gemeinde antwortet Amen. Schön und gut. Damit war die Stadt, die Mauer, die Häuser, der Tempel nicht gebaut. Äußerlich gesehen hatte sich nichts verändert. Aber der Herzensmut war auferstanden aus seiner Gruft und rief: der Herr ist da, er steht uns bei. – Die Trümmer predigen auch. Sie erzählen uns: aufbauen müssen wir. Das erwartet der Herr. Anders gesagt: wir müssen die Suppe auslöffeln, die wir oder andere uns eingebrockt haben. Wir nennen es Alltag, manchmal auch Katastrophe. – Unser Gott heißt nicht Miraculix. Das ist der Papierdruide im Comic „Asterix und Obelix“. Als die Römer nahe des gallischen Dorfes eine Luxusresidenz bauen wollen, fangen sie an – die spinnen, die Römer – den großen, prächtigen, uralten Wald der Gallier abzuholzen. Tabula rasa. Miraculix hat Zaubersamen, wirft sie nachts neben jeden Baumstumpf und schwupps, steht ein neuer, mächtiger uralter Eichenwald. Gott ist nicht Miraculix. Wo wir die Wälder in unserem Miteinander und in unserer Seele abgeholzt haben, um uns auf unseren selbsterdachten Holzwegen durchs Leben zu wurschteln – da lässt Gott alles so. Er sitzt auf einem Baumstumpf und wartet auf uns. Wartet auf Umkehr, Buße, Trauer. Darauf, dass wir unsere Holzwege durch die Sümpfe des sogenannten Lebens verlassen. Denn auf unseren Holzwegen lässt er sich nicht finden. Er wartet geduldig, dass wir dahin gehen, wo er ist. Wo Trümmer, Baumstümpfe sind, tabula rasa. Angekommen dürfen wir mit ihm trauern über die Missachtung seiner lebensspendenden Gebote. Er wartet, dass wir das Hamsterrad und unseren Erschöpfungsstolz eintauschen gegen sein Feiertagsgebot, Gottesdienst und Predigt. Und mit ihm trauern über die Blutschuld, die auf unserm Volk lastet: Seit der Wende sind über 3,5 Millionen Kinder im Mutterleib getötet wurden, nur in Deutschland. Denken wir, dass der Herr drüber hinwegsieht? Der laxe Umgang mit dem heiligen Gebot der Ehe. Sollte das etwa dem Herrn gefallen? Die Zahlungsmoral, der fahrlässige Umgang mit fremden Eigentum. Wie heilig ist uns noch Gottes Gebot? Umkehr, Buße – das beginnt mit Trauer. Über die Missachtung der Gebote des Herrn. Durch Trauer – so kommt ein Mensch und ein Volk in Gottes Gegenwart. Gott sitzt auf einen Baumstumpf. Er trauert auch. Gehen wir in seine Gegenwart, trauern wir gemeinsam über den Schaden. Dann wächst aus der Trauer Freude. Tiefe Freude. Die Freude am Herrn. Die Freude vom Herrn. ER freut sich über jede Umkehr. Und teilt mit den Umkehrern, Heimkehrern seine Freude. Wer das erfahren hat, weiß, welche kraftvolle Realität dieses Wort, diese Zusage Gottes haben: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. Ihr werdet´s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras.“ So setzt Gott seine Kontraste. Aus Schuld –Vergebung. Aus Krankheit – Heilung. Resignation wird Zuversicht. Trauer, deine Trauer, verwandelt sich in seiner Gegenwart in Freude. Lätare! Amen.

Vorheriger
Heiße Typen
Nächster
Rinderwahnsinn

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.