Reformationsfest (Oßling)

Reformationsfest (Oßling)

Mt10,26-33                                                    Reformationsfest – Oßling, am 31. Oktober 2017

„Jesus sprach zu seinen Jüngern: Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt  wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euern Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge. Wer mich nun bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennnen vor meinen himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“

Liebe  Gemeinde am Reformationstag! Das wird ja auch Zeit, mag der eine gedacht haben, beim Hören der Rede Jesu: „…es ist nichts geheim, was man nicht wissen wird.“ Der andere: Na, gute Nacht, wenn alles ans Licht kommt. Was ihr wisst, sagt Jesus, von Rettung und Heil, „das predigt auf den Dächern.“ Sollte man nicht diplomatischer vorgehen, Jesus? Wieso den Leuten gleich aufs Dach steigen? Vielleicht tat es auch manchem wohl, es 3x zu hören: „Fürchtet euch nicht vor ihnen.“  Und gedacht haben: ich könnte wirklich ein wenig mutiger sein. Ich selbst habe mich bei diesem Text gewundert, dass es gerade am Reforma-tionstag, wo es um das Thema „Gerecht vor Gott aus Gnade“ geht, von Gott als dem die Rede ist, „…der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Dazu noch diese Bilder, die Jesus sicher nicht belanglos gewählt hat: Gott nimmt alles haargenau. Alle Haare sind gezählt. Ist ja auch nicht schwer bei mir, hat vielleicht ein älterer Herr gedacht, hab ja keine mehr. Aber ein einzelnes Haar, also Jesus, das ist doch für uns nur von Belang, wenn es dort ist, wo es nicht sein soll. Was uns auch hängen geblieben ist, eines ganz bestimmt: der Schlusssatz. Da stellt Jesus Gottes Gericht und unser Bekenntnis nebeneinander und sagt: Von unserm Bekenntnis zu ihm hängt es ab, ob wir im Himmel Platz und Anerkennung finden. Ausdrücklich betont Jesus hier: „Wer mich nun bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinen himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Als sich in diesem Jahr in Jerusalem Würdenträger des Islam, Juden- und Christentums getroffen haben, fand ich das ein beeindruckendes Zeichen, zu sagen: wir bekämpfen uns nicht. Aber eines hat mit sehr verwirrt, ja wütend gemacht. Die christlichen Würdenträger hatten das Kreuz, was sonst ihre Brust ziert, abgelegt. Es entstand der Eindruck, als würde verschämt die eigene Identität versteckt, für einen „Friede-Freude-Eierkuchen-Frieden“. Wer einen aufrichtigen Frieden, einen ehrlichen Dialog mit den Religionen führen will, muss sich selber zu erkennen geben, erkennbar sein. Es ist der falsche Weg, das Kreuz zu verstecken: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen.“ An dieser Stelle halte ich an, will nicht weiter über die Bischöfe und ihre Verantwortung für die Kirche reden. Wir sind hier Gemeinde vor Ort, Gläubige an der Basis. Deshalb zu uns: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinen himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinen himmlischen Vater.“  Der Ton klingt ungemütlich, eine Frage schwingt darin: Bist du ein Bekenner? Und schon stehen wir mit dem Rücken an der Wand, stammeln innerlich: Na ja, manchmal, aber… Und dieses „aber“ ist die Erinnerung an Situationen, wo wir geschwiegen, uns geschämt haben. Dann kommt noch ein schwacher Versuch der Ehrenrettung: Wir sind doch bloß Menschen. Nicht jeder kann Martin Luther oder Martin Luther King sein. Bei wem so ein Schuldgefühl beim Hören des Predigttextes geweckt wurde, sollte es einfach mal wie ein Kleidungsstück ablegen, sich diese Jacke nicht anziehen. Jesus hat diese Worte nicht gesagt, um seinen Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen oder gar menschliche Schwachheit als Sünde abzustempeln. Jesus will die Schwachen stärken. Heute darf ich jedem hier zusprechen: Du bist ein Bekenner! Für dich gilt, was Jesus sagt: „Wer mich nun bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinen himmlischen Vater.“  Jeder, der heute im Gottesdienst hört, singt, betet, sucht – der bekennt. Bekennen ist  nicht zuerst reden. Sonst könnten ja nur die Bekenner sein, die gut und mutig reden können. Im heutigen Evangelium, den Seligpreisungen, haben wir Jesu Maßstab gehört. Da werden uns Bekenner vorgestellt, die weder kraftvoll, charakterstark, mutig oder sonst wie besonders wären. Es sind Leute, aus deren Armseligkeit Gott etwas macht. Bekenner, zu denen Jesus sich bekennt, sind zuerst Kinder. Er sagt: „Selig sind, die geistlich arm sind, ihnen gehört Gottes Reich.“ Es ist naheliegend, bei Jesu Mutmachrede „Fürchtet euch nicht“ Kinder vor Augen zu haben. Er nennt seinen, unsern Gott, „Vater“, wir sind so im Glauben Kinder vor Gott und auch deshalb, weil Jesus von der Wertschätzung des Vaters für das Kleine und die Kleinen spricht, das einzelne Haar und die kleinen Spatzen. Kinder können vielleicht weniger argumentieren, aber bekennen. Ein Kind predigt, wie unser Gottvertrauen aussehen, welches Gesicht unser Glaube tragen soll. Kinder predigen von Liebe, Freude, Unbefangenheit, Gefährdung, Schwachheit und Zerbrech-lichkeit. Jesus bekennt sich zu Kindern, also sind sie in Gottes Augen Bekenner. Wie die Art des Bekennens aussieht und sich anhört, das ist allerdings eine Frage des Charakters und der Umstände, des Lebensalters und der Lebensgeschichte. Wir schauen auf Menschen, die Jesus Bekenner nennt, zu welchen er sich stellt: Leidtragende – zu ihrem Leid werde ich mich bekennen. Sanftmütige – für ihre Art zu bekennen werde ich sie beschenken. Die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten – ihr Ringen ist Bekenntnis, sie sollen satt werden. Und: die Friedensmacher, die Brücken bauen zwischen den Zürnenden und Unversöhnlichen – für ihre schwere Arbeit im Bekennen bekommen sie Titel und Recht zu heißen: Gottes Kinder. Deshalb – nach diesem, dem Maßstab Jesu, darf ich dir zusprechen: Du bist ein Bekenner. Zu dir wird sich Jesus auch einst bekennen.  Noch klingt eine bange Frage, ein Widerspruch im Raum: ABER! Aber was ist mit unserm Versagen, meiner Sünde, wo ich kein Bekenner war? Wenn es dir noch eine Sorge ist, lass sie jetzt aus der Hand, halt sie nicht fest. Bekenne dich nicht zu deiner Sünde, auch nicht zur Sorge. Bekenne dich zum Kreuz Christi, wo die Sünden und Sorgen liegen. Liegen sollen. Leg sie ab. Christus hat sie längst vergeben. Vor 2.000 Jahren wurde auf Golgatha der Preis bezahlt. Leg ab, dir ist vergeben. Lass es gelten und vergib dir selber auch. Du bist ein Bekenner und im Blick auf Christus, deinen Herrn und Retter bekenne: mir ist vergeben! Wir bekennen, wenn wir zum Tisch des Herrn treten. Wir glauben an die heilende und reinigende Kraft des Leibes und Blutes Christi. Bekenntnis geschieht, wenn wir uns treffen im Seniorenkreis, den Hauskreisen, Chören, Teenkreis, Musikgruppen, Christenlehre, Krabbelgruppe, Input und…und… da treffen sich die Kirchenvorstände, da wird geplant, gestritten gebetet, gehofft – da wird bekannt. Unter uns sitzt unser Posaunenchor, der mit uns bekennt: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Und so vieles bemerken wir gar nicht: das stille treue Gebet, das Mittragen von Leid und Sorge, ein tröstendes Wort, ein gutes Gespräch, eine fröhliche Runde…wir sind eine bekennende Gemeinde. Zuletzt habe ich nicht mehr von dem einzelnen Christ, sondern der Gemeinde gesprochen. Der eigentliche Ort des Bekenntnisses ist die Gemeinde. Die Kraft für ein wirksames Bekenntnis hat nur die Gemeinde. Sie ist die Stadt auf dem Berg. Ihre Art und Weise, sich zu Jesus zu halten, ist ihr Licht. Deshalb nimmt ein Christ den Auftrag „Bekenne Jesus“ zuerst und zuletzt in der Gemeinde und im Gottesdienst wahr, indem er sich zu ihr hält, mitarbeitet, Verantwortung übernimmt. Die Gemeinde, sagt Jesus, die mich bekennt vor den Menschen, die will ich auch bekennen vor meinen himmlischen Vater. Wir bekennen uns zu Jesus. Er bekennt sich zu uns. Amen.

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