Auf guten Boden

Auf guten Boden

Lk. 8, 4 – 8 (9 – 15) Sexagesimae – Oßling/Großgrabe, am 07.02.2021

„Als eine große Meine beieinander war und sie aus den Städten zu Jesus eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen´s auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten´s. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hunderfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren zu hören, der höre!“                                                                                                                                                          

Liebe Gemeinde!  „Es ging ein Sämann aus zu säen …“ Jesus wird uns als Landwirt vorgestellt. Er sät das Wort Gottes aus, in die Welt, die Menschenherzen. Es werden uns vier Arten beschrieben, wie das Wort aufgenommen wird: auf dem Weg wird der Same zertrampelt oder aufgepickt; auf dem Felsen verdorrt und unter den Dornen erstickt er. Nur ein Viertel der Angesprochnen bringt gute Frucht auf gutem Land. Hier spiegelt sich eine frustrierende Erfahrung der ersten Christen wider, die wir bis heute machen: es sieht so aus, als wäre vieles vergeblich. Vergeblichkeitserfahrungen tun weh. Es klingt beim oberflächlichen, schnellen Hören so, als würde Jesus eine Analyse erstellen, wie eben die Welt ist, die Menschenherzen beschaffen sind und feststellen: für Gottes Wort sind die meisten verschlossen wie Dornen, Weg und Fels. Nur einige lassen es in sich wachsen und Frucht bringen. Aber Jesus ist überhaupt nicht daran interessiert, Umstände zu beschreiben, sondern wie in diese Umstände Liebe und Barmherzigkeit hineinkommt. Davon redet er: vom Weg und Geschick des Wortes Gottes hinein in die Welt und beginnt: „Es ging ein Sämann aus zu säen …“. Das bedeutet schlicht: Gott kommt zu seinen Menschen, seiner Kirche, in seine Welt zu dir und mir. Er kommt. Aber wie er kommt, das ist einmalig. So ganz anders als die großen Herren. Nicht mit Gewalt, keine Bombentrichter, keine verbrannte oder abgeholzte Erde, wo er hintritt. Seine Spur ist kaum zu sehen. Er kommt in sein Eigentum, wie ein Bauer sein Land betritt. Jetzt das Erstaunliche: Gott liefert sich der Welt aus, gibt sich vollkommen preis. Deshalb das Bild vom Samen. Jesus – das Wort Gottes – lässt sich auf den Acker der Welt werfen. Das ist nicht nur gefährlich, sondern zumeist aussichtslos. Vielfältig sind die Bedrohungen, ungünstig die Umstände. Es scheint, als würde seine Bestimmung vereitelt. Gott kämpft nicht gegen die Umstände, er gibt sich hinein. Wie groß ist die völlige Selbsterniedrigung Gottes, dass er, schwach und angewiesen wie ein Kind, dass sein Wort, er selbst, als Same in die Welt kommt. Der Same kann zertreten, erstickt, am Wachstum gehindert werden. Die Hindernisse sind so groß, die Lage in der Welt so aussichtslos, dass der normale Erfolg des Wortes Gottes der Misserfolg ist. Und doch – Wunder und Geheimnis – geht Same auf. Das Evangelium berichtet: Gott kommt in seine Welt. Und: sein Kommen ist Hingabe und bringt Gnade. Gnade beginne ich erst zu begreifen, wenn ich selber Gnade erfahre. Heute, hier, wartet eine Gnadenerfahrung auf dich: „Es ging ein Sämann aus zu säen …“ heißt nicht nur – Gott kommt in die Welt – sondern: Gott kommt in deine Welt. Der Acker ist nicht nur die Menschheit – das bist du. Der Acker ist dein Herz.Jesus spricht jetzt seelsorgerlich mit uns durch dieses Wort. Er nimmt uns hinein in seine Arbeit, sein Sorgen und Ringen für uns. Jesus zeigt dir den Zustand deines Herzens, indem er sein Wort hineinsät. Bemerkenswert ist, dass Jesus nicht sagt: zufällig fiel ein bisschen auf den Weg, ein bisschen unter die Dornen. Das wäre ja gar nicht erwähnenswert. Jeder Bauer weiß, dass ein wenig Saatgut verloren geht. Hier aber ist ganz deutlich, ja entscheidend: der Anteil, der auf den Weg, die Dornen, den Felsen fällt, ist erwähnenswert. Immer nämlich gebraucht Jesus dazu das gleiche Wort: „einiges auf den Weg … einiges auf den Fels … einiges unter die Dornen … einiges auf gutes Land.“ Was für ein verschwenderischer Bauer. Er scheint nicht zuerst auf Vermehrung aus zu sein, sondern auf Verteilung. Ja, Gott ist nicht auf Gewinn aus, sondern auf Antwort. An jede Stelle muss das Korn, nicht nur auf`s gute Land. Ja, es stimmt, Gott investiert an die aussichtslos erscheinenden Stellen unseres Herzens genauso viel, wie dort, wo es hell, gut und vielversprechend aussieht. Und Gott scheitert. Er beißt sich am Menschenherzen die Zähne aus. Ich höre hier Trauer und Schmerz. Gott muss auf seinem Weg mit seinen Menschen den bitteren Kelch der Vergeblichkeit trinken. Herzblut gegeben, aber es scheint umsonst. Ich sehe, wie unverständlich und zugleich wie tröstlich Gottes Umgang mit uns ist. Er kommt zu dir und mir und legt uns sein Wort ins Herz. Zuerst auf den Weg. Er stellt sich mir in den Weg. Mein Weg, das ist meine Geschichte, meine Gewohnheiten. Er begibt sich so zart und verletzlich auf die Trampelpfade meines Herzens, auf die Wildwechsel meiner Gefühle. Er bittet: sieh, auch hier ist Wachstum möglich, lass mich Wurzel fassen – was aber geschieht?:„Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg, und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßens`s auf.“ Ja, das verstehe ich. Jesus muss mich erleiden, weil ich so schwer hören kann, so schwerfällig bin mich zu ändern, alte Wege nicht verlassen will. Ja, oft nehme ich es gar nicht mehr wahr, was sich da in meinem Herzen vollzieht: „… einiges fiel auf den Weg und wurde zertreten.“ Meinem Retter und Heiland sind die ausgetretenen Wege meines Herzens nicht zu schade, auch dorthin wirft er sich, auch dort wartet er und hofft für mich. Warum wirft er sich auf den Fels meines Herzens? Oben ein bisschen Erde – wir nennen es Fassade. Darunter Härte, Unversöhnlichkeit. Fragend betrachte ich die verdorrten Keime auf dem Felsen: Warum konnte das Getreide nicht zur Frucht reifen? Ja, weil auf Unversöhntheit keine Liebe gedeiht. Aber – lieber Herr Jesus – warum verschwendest du deinen kostbaren Samen auf meinem Fels? Weshalb? Ich höre eine leise Antwort: Damit der Same leidet und stirbt. Ich will nicht leiden und sterben, sagt Jesus, aber für dich schon. Du würdest zu deinem Verderben niemals merken, dass vieles nur oberflächlich ist. Jetzt siehst du, dass nichts wächst und weißt auch warum. Räum den Felsen weg! Das ist Gnade. Christus leidet, damit ich heil werden kann. – Viele unter uns sind sehr angespannt. Wir empfinden Druck. Den Leistungsdruck in der Gesellschaft, den Leistungsdruck unserer Mitmenschen. Den Erwartungsdruck in der Gemeinde. Wir spüren, wie uns Stille mangelt. Das Leben scheint eine Materialschlacht zu sein. Ein Ringen um Liebe, Anerkennung und Wertschätzung. Oft erst, wenn wir im Alltag genötigt werden anzuhalten, sei es Krise oder Krankheit – da sehen wir, was wirklich wichtig ist, was dem Leben dient und was es zerstört. Dornen, Gestrüpp. Auch in die Dornen gibt sich Christus mit seinem Wort, auch dort hofft er unermüdlich. Und wie ergeht es dem Herrn in unserem Alltag? Hier – sein knapper Bericht: „Und einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten`s.“ Geht uns auf, was Gnade ist? Das Jesus da ist, in all` unsern Lebenslagen und Herzenszuständen; er ist da und hofft für uns. Ob wir das auch wahrnehmen? Gottes Gnade ist aber noch umfassender: Er beackert mich auch. Allesüberlässt er nicht mir. Ich höre also in unserm Predigtwort nicht nur den Ruf zur Umkehr, sehe nicht nur seine Hingabe, sein Leiden für mich – ich darf zugleich zuversichtlich hoffen. Er ackert mein Herz in der Heiligen Taufe. Wie mit Regen und Sonne schenkt er mir im Heiligen Abendmahl seine Gegenwart. Er schickt mir Helfer, Menschen, die mich lieben, für mich beten, und so vorsichtig Unkraut zupfen und Steine lesen. Durch die Liebe des Heiligen Geistes legt er sein Wort in die Krume meines Herzens, durch seine Gnade schenkt er Fruchtbarkeit. Und ich darf erleben, wie sich das stille Geheimnis des Glaubens, das Geheimnis von Wachsen und Reifen entfaltet und vollzieht. Ich weiß nicht wie, weiß aber, dass es geschieht – dieses sein großes Versprechen über deinem und meinem Leben: „Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.“ A … – das könnte ich jetzt sagen. Amen, so wird Gott an seiner Kirche und mir handeln. Ich möchte aber nicht das Amen sprechen und dabei auf mich, sondern auf Jesus sehen, der Sämann und Same ist. Ich blicke auf Jesus. Ich höre ihn ein Lied singen, von Sehnsucht und Liebe. Das gute Land ist ein sprechendes Bild, ein Lied. Es redet und singt von der ungestillten Sehnsucht Gottes nach uns. Er will bei uns landen, aufgehen, keimen, sich mit uns verbinden. Er wünscht sich ein Fleckchen Erde, seine Wünsche und Träume, seine Liebe einzusäen. Gott glaubt an uns. Für jedes Fleckchen unsres Herzens hat er eine Vision. Sein Wort hat Unkrautkräfte, sich in Spalt und Winkel einzunisten, hat Löwenzähne Asphaltgräber aufzubrechen, Beton zu sprengen. Aus unseren harten Wegen werden einst Gärten, aus den Felsen und Geröll bald Brücken zueinander und die Dornen setzen Knospen an, werden Rosen tragen. Alles wird zu Liebe werden und der Liebe dienen. Das gute Land aber wird Brot die Fülle geben. Wir werden teilen und satt werden an Leib und Seele. Alles Miteinander reift zum Füreinander. Da wird dann endlich auch Gottes Sehnsucht, sein Hunger nach uns, gestillt sein. Das ist Himmel. Amen.

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