Mit allen Wassern gewaschen

Mit allen Wassern gewaschen

Mit allen Wassern gewaschen

Teil 1)
Die Geschichte von dir, uns und dem Wasser beginnt,
wo deine ordnende Stimme das Chaos bezwingt.
Bevor auf dein Wort hin das Leben entsteht,
hat dein Geist schon über dem Wasser geschwebt.
Du schaffst, du trennst, du diskriminierst,
im besten Sinn dieser Phrase.
Du unterscheidest und du definierst,
was Erde ist und was Phase.
Wie gut, dass du klare Grenzen ziehst,
die zeigen, wie sehr du die Menschen liebst.
Du trennst zwischen Licht und Dunkel, akribisch genau,
zwischen Wasser und Land, zwischen Mann und Frau.
Du machst klar: Es ist nicht alles gleich,
auch wenn wir dabei rebellieren.
Am Ende hilft uns deine Ordnung vielleicht,
uns auch in unserem Chaos zu orientieren.
Mit der Scheidung des Wassers lädst du uns ein,
Teil dieser schöpfenden Ordnung zu sein.
Ich staune darüber und kann es nicht fassen.
Du bist mit allen Wassern gewaschen.

Teil 2)
Doch die Menschen meinen, sie wüssten es besser,
könnten selbst manövrieren in jedem Gewässer
Zu Zeiten Noahs geht’s drüber und drunter,
und mit menschlichem Hochmut dann auch alles unter.
Durch Regen, der eigentlich Leben bedeutet,
lässt du die ganze Erde versinken.
Was hast du für zahlreiche Tränen vergeudet,
in denen Menschen wie Tiere ertrinken.
Für einen Reset, deinen rettenden Plan,
setzt du einen Mann ein und einen popligen Kahn,
mit denen du eine Familie und von jedem Tier ein Paar
rettest. Missionsdauer: zirka ein Jahr.
Und trotz all des Leids bleibst du das Licht,
das nicht nur das Dunkel der Tiefe erhellt,
sondern sich im Wasser in tausend Farben bricht.
und fängst noch mal von vorn an, mit uns und der Welt.
Solange die Erde besteht, wirst du das Leben erhalten,
und erneut trägst du uns auf, es zu verwalten.
Wenn du Neues schafft, müssen Fluten verblassen.
Du bist mit allen Wassern gewaschen.

Teil 3)
Und du bist ein Gott, der Gerechtigkeit liebt,
und schreitest ein, wenn sich da was verschiebt.
Aus Verzweiflung wird ein Kind im Nil ausgesetzt,
bis du ihn zur Rechten des Pharaos setzt.
Mose, das heißt „aus dem Wasser gezogen“
auch wenn’s lang so aussah, als läg er ad acta,
geknickt nicht zerbrochen, gerade gebogen.
formst du in der Zeit seinen Charakter.
Er wird der Mann, der das Meer teilen wird,
den Weg bahnt, der das Volk in die Freiheit führt.
Insofern hat dich der Name gleich zweimal bewogen,
denn jetzt hast du auch Israel aus dem Wasser gezogen.
Und so ziehst du auch uns, um andere zu ziehen,
du bist ein Gott, der auf Partnerschaft setzt.
Du hast uns unsere Freiheit verliehen,
weil du mit uns auch die Fesseln der anderen zerfetzt.
Du schaffst Gerechtigkeit und gebrauchst uns dabei,
du ziehst aus dem Wasser und machst uns frei.
Schon jetzt lässt du uns einen Blick drauf erhaschen:
Du bist mit allen Wassern gewaschen.

Teil 4)
An der Stelle blättern wir ganz weit nach hinten,
um einen Mann in der Wüste zu finden,
der anfängt am Fluss Menschen zu wässern,
und dazu aufruft, ihr Leben zu bessern.
Dein Reich, sagt er, sei nun so nah wie noch nie,
die Botschaft von kompromisslosen Worten geprägt.
Bis eines Tages Johannes sagt: Sieh!
Das ist das Lamm, das der Welt Sünde trägt.
Du selbst kommst zu ihm, er kann es kaum fassen.
Du willst dich selbst von ihm taufen lassen?
Ein Gott, der’s auf sich nimmt, unterzugehen,
um aus Fluten und Grab aufzuerstehen?
Dieser Moment verändert die Welt.
Der Himmel reißt auf, eine Taube schwebt nieder:
Die Worte „Das ist mein Sohn, der mir gefällt.“
hallen in alle Ewigkeit wieder.
Du wirst uns gleich, im Kampf mit den Fluten,
du leidest, lässt zu, dafür zu verbluten.
Dass du trotzdem siegst, muss nicht überraschen,
denn du bist mit allen Wassern gewaschen.

Teil 5)
Und dann sitzt du mit deinen Jünger im Boot,
mitten im Sturm und in größter Not,
gebietest dem Sturm und den Wellen zu schweigen,
oder dem Petrus auf’s Wasser zu steigen.
Denn das Wasser kann sich gegen dich nicht erheben,
Du bist der Herr über all seine Kraft,
Leben zu nehmen, Leben zu geben,
gehören dem, der selbst das Wasser erschafft.
Doch häufig seh’ ich mich noch selber versinken,
beim Versuch über stürmische Wellen zu hinken,
Dass du mich nicht aufgibst, ist alles was zählt,
du, der zweifelnde Wasserläufer erwählt.
Und mit Blick auf dich lass ich mich drauf ein
andere aus dem Wasser zu ziehen,
Stichwort „Menschenfischer sein“,
und nicht vor den tosenden Fluten zu fliehen.
Werd ich auch symbolisch dem Tod übergeben,
dann weiß ich, du schenkst mir ewiges Leben.
Und ja, das letzte Hemd hat keine Taschen,
doch ich bin mit all deinen Wassern gewaschen.

© Daniel Kümmling

Vorheriger
Der ich bin